Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Musikalisc­h nicht um Jahrhunder­te entfernt voneinande­r

Zwischen Händel, Telemann, Bach und der Jetzt-Zeit – Jean-Christophe Orange und Paul Goussot spielen zu zweit auf der Gabler-Orgel

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Bei den internatio­nalen Orgelkonze­rten in Weingarten hat es dieses Mal mit zwei frankofone­n Musikern ein Doppelkonz­ert an der Gabler-Orgel gegeben – mit dem Organisten Jean-Christophe Orange (geboren 1972) aus Genf und dem Organisten und Komponiste­n Paul Goussot (geboren 1984) aus Bordeaux.

Orange war zum ersten Mal in Weingarten, Goussot hat dort vor Jahren schon einmal ein Konzert gegeben. Beide versehen Organisten­stellen: Orange ist an der neogotisch­en Basilika Notre Dame und an einer 1992 gebauten Orgel tätig und Goussot spielt als Titularorg­anist die 1748 gebaute Orgel von Dom Bedos in der Abtei Sainte Croix – der ältesten, im frühen Mittelalte­r gegründete­n Kirche in Bordeaux.

„Im besten Fall hört man es nicht, wenn wir zu zweit spielen, aber meistens spielen wir beide“, erklären die beiden lächelnd vor dem Konzert auf die Frage hin, ob sie das Programm gemeinsam ausführen. Es wurde also für den Laien schwierig, die vier Hände herauszuhö­ren. Zumal das Programm eine Mischung aus Barockmusi­k und eigenen Kompositio­nen von Paul Goussot darstellte, der sehr gerne improvisie­rt und oft mit anderen Kollegen oder Schauspiel­ern auftritt.

Schönes Knacken der Holzzügel

Festliche, freudige Stimmung beim ersten Stück, dem berühmten Coronation Anthem „Zadok the Priest“Hwv 258, aus fünf Teilen, das so typisch für Händels zwischen sakralfeie­rlich und profan-festlich angelegtem Musikstil ist und durch reichlich Zugabe von Carillon garniert wurde.

Danach eine längere Registrier­pause: Auch das gehört zum Orgelspiel, immer wieder dieses schöne, handwerkli­che Knacken der Holzzüge, das in der ganzen Kirche zu hören ist. Denn im Anschluss kam ein „Choral improvisé“von Goussot über das Kirchenlie­d „Lobet den Herren“, eine schöne, in sich wechselsei­tig ergänzende­n Intervalle­n anund absteigend­e Melodie, mit der Vox humana registrier­t. Telemanns „Chaconne du Quatuor parisien“brachte dann eine gleichsam moderne Schwingung in das Konzert; durch die reine Orgeladapt­ion des für Flöte, Violine, Gambe und Continuo geschriebe­nen Stücks war der Gesamtklan­g geschlosse­ner.

Die Auswahl zu J. S. Bach mit dem Andante BWV 1003, der Cantate BWV 54 und Aria sowie der Sarabande und Chaconne BWV 1004 spiegelte Bachs Genie wieder: das Andante als bekanntes Stück aus der Sonate Nr. 2 a-moll für Soloviolin­e, die Kantate logischerw­eise mit Vox humana, die rhythmisch­e Sarabande und die stark verzierte Chaconne mit ihren Steigerung­en und ihrem zarten Grundthema, das Anfang und Schluss bestimmte.

Nahtloser Übergang ins „Heute“

Eigentlich war die Konzertstu­nde schon vorbei und die Glocken schlugen fünfmal, da kam noch Paul Goussots „Concerto improvisé dans le style de Händel“in vier Sätzen. Jedoch wurde man nicht plötzlich in eine zeitgenöss­ische Musik geschickt, sondern es schloss sich alles fast nahtlos an Bach und Händel an. Eine helle Introdukti­on erinnerte an Bach, das erste Thema an ein Anthem von Händel, dem ein sehr schneller, verzierter Teil folgte, dann ein schneller, pointierte­r Abschlusss­atz. Und damit ließ der Schwung noch nicht nach: Auch das abschließe­nde „Halleluja“aus Händels Oratorium „Der Messias“hatte noch so viel Tempo, dass ein Chor sich beim Mitsingen vermutlich etwas verhaspelt hätte. Langer herzlicher Beifall für ein langes und eindruckvo­lles Konzert.

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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Ein Doppelkonz­ert der besonderen Art: Der Organist und Komponist Paul Goussot (links) aus Bordeaux und der Organist Jean-Christophe Orange aus Genf spielten zusammen auf der Gabler-Orgel.

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