Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Digitaler Wahlkampf ist ausbaufähig
Viele Wahlkreiskandidaten aus Ravensburg sind im Internet aktiv – Ein Vergleich
RAVENSBURG - Die Wahlkämpfe anlässlich der Bundestagswahl am 24. September sind in vollem Gange. Während die Parteien früher hauptsächlich durch Wahlplakate, öffentliche Diskussionen und weitere Veranstaltungen für sich warben, sind bei der Wahl 2017 digitale Kanäle wichtiger denn je. Denn die Politiker wollen auch junge Zielgruppen erreichen, die sich immer mehr von herkömmlichen Medien wie Fernsehen und Zeitung abwenden. Wie man sich auf den unterschiedlichen digitalen Plattformen präsentiert, kann also entscheidend zum Wahlerfolg beitragen. Auch die Kandidaten des Wahlkreises Ravensburg sind auf verschiedenen digitalen Plattformen aktiv. Die „Schwäbische Zeitung“hat ihre digitalen Auftritte auf den eigenen Internetseites, auf Facebook, Instagram und Twitter miteinander verglichen. Die Zahlen sind auf dem Stand von Mitte August.
Axel Müller (CDU): Persönlich gestaltet
Viele der Wahlkreiskandidaten haben eine eigene Internetseite, so auch Axel Müller aus Weingarten, Richter am Landgericht Ravensburg. Auf seiner Website bezeichnet sich der CDU-Bundestagskandidat als „moderner Konservativer“. Er verschließe sich Neuem nicht, so Müller. Auch neuen medialen Kanälen verschließt er sich nicht: Seine Internetseite wirkt optisch ansprechend. Beim Aufruf der Seite öffnet sich automatisch ein zusätzliches Fenster mit aktuellen Terminen sowie Verlinkungen zu Infoflyer und persönlicher Videobotschaft. Die Internetseite ist sehr persönlich gestaltet. Zahlreiche Fotos von Müller selbst, von regionalen Bauwerken und Ortschaften machen die Internetseite kurzweilig.
Auch bei Facebook ist Müller aktiv. Mit knapp 160 Abonnenten wird ihm seine Seite aber vermutlich noch recht wenig als Wahlkampfinstrument nutzen.
Heike Engelhardt (SPD): Kurze Texte und wenige Fotos
Eine ähnliche Digitalstrategie scheint auch Redakteurin Heike Engelhardt von der SPD zu verfolgen. Auf Facebook ist sie sehr aktiv und hat eine eigene Seite in ihrer Funktion als Politikerin. Mit knapp 160 Abonnenten ist hier allerdings ebenfalls noch Luft nach oben. (Zum Vergleich: Knapp 1200 Personen haben auf Facebook die Seite von Manne Lucha abonniert.)
Engelhardts Internetseite ist klar strukturiert. Kurze Texte und nur wenige Fotos unterstreichen die klare Linie der Seite. Besucher der Internetseite können einen Newsletter abonnieren und darüber aktuelle Informationen über ihren Wahlkampf bekommen. Auch die Übersicht über aktuelle Wahlkampftermine ist gut gepflegt. Insgesamt macht die Seite einen schnörkellosen und gut strukturierten Eindruck.
Benjamin Strasser (FDP): Originelle Postings
Dass die jüngere Generation eine hohe Affinität zu sozialen Medien hat, zeigt der digitale Wahlkampfauftritt von Rechtsanwalt Benjamin Strasser, Wahlkreiskandidat für die FDP. Bei Facebook haben knapp 1700 Personen seine Seite abonniert, deutlich mehr als bei seiner Konkurrenz von SPD und CDU. Seine originellen Postings dürften vor allem die jüngeren Zielgruppen ansprechen. Analog ist er auch bei Twitter und Instagram aktiv. Bei Twitter folgen ihm knapp 500 Personen, auf Instagram mehr als 300.
Das Wahlkampfmotto der FDP „Denken wir neu“spiegelt sich bei Strasser auf allen sozialen Plattformen wie auch auf seiner Internetseite wider. Die Seite ist in grellen Farben gestaltet und wirkt dadurch frisch und jung.
Jasmin Runge (Die Linke): Wenig digitaler Wahlkampf
Die Jüngste unter den Wahlkreiskandidaten ist Jasmin Runge. Sie tritt für die Linken an. Obwohl man aufgrund ihres Alters eine hohe Affinität zu digitalen Medien vermuten könnte, ist die Studentin nur wenig aktiv in sozialen Netzwerken. Auf Instagram besitzt sie zwar ein Profil, hat dort aber bisher erst zwei Bilder gepostet.
Bei Facebook haben 680 Personen ihren Account abonniert, der mittlerweile öffentlich ist. Eine eigene Internetseite hat die Linken-Kandidatin nicht, sie kommuniziert über die Webseite der Linken Ravensburg. Überraschend wenig digitaler Wahlkampf für eine 24-Jährige.
Agnieszka Brugger (Grüne): Gleich zwei Internetseiten
Deutlich mehr digitale Medienpräsenz zeigt Grünen-Kandidatin Agnieszka Brugger. Die Bundestagsabgeordnete betreibt gleich zwei Internetseiten. Strukturiert und optisch ansprechend laden die Seiten ein, sich durch Texte, Fotos und Videos zu klicken und die unterschiedlichen Rubriken zu erkunden. Aktuelle Termine sowie Informationen zum Wahlkampf der Grünen präsentiert die 32-Jährige den Besuchern ihrer Internetseiten übersichtlich und stets aktuell.
Auch in den sozialen Medien ist Brugger sehr aktiv. Bei Twitter folgen ihr fast 6000 Personen, bei Facebook knapp 1300 als Abonnenten.
Die Frequenz, mit der Brugger Postings absetzt, die konkreten Formulierungen derselben und die Art, wie sie ihre Internetseiten strukturiert, lassen vermuten, dass sie fester Bestandteil ihrer politischen Arbeit und ihres aktuellen Wahlkampfs sind.
Helmut Dietz (AfD): Viele Informationen
Ganz anders dagegen hält es Helmut Dietz, Rentner und Wahlkreiskandidat für die AfD. Bei Facebook ist er wenig aktiv, seine Seite haben 30 Personen abonniert. In anderen sozialen Netzwerken sucht man ihn vergebens.
Seine Internetseite wirkt an einigen Stellen etwas überladen durch lange Textpassagen, aktuelle Termine des Kreisverbands Ravensburg sind nur über Umwege zu finden. Dennoch enthält die Seite viele Informationen zur AfD und ihrer Politik. Viele Gliederungspunkte informieren ausführlich über die Vorhaben der Partei. Auch seine persönliche Haltung stellt Dietz vor.
Andere Wahlkreiskandidaten: Wenig bis gar nicht vertreten
Ähnlich sieht es bei den Wahlkreiskandidaten Thomas Bergmann (ÖDP), Stefan Weinert (Politics to go), Karl-Heinz Pauli (MLPD), Klaus Wirthwein (Freie Wähler) und Sylvia Makowski (Menschliche Welt) aus. Teilweise besitzen sie zwar Facebookaccounts, die aber teils nur wenig im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit gepflegt sind. Auf Twitter und Instagram sind sie ebenfalls wenig bis gar nicht vertreten.
Insgesamt ist festzustellen: Die meisten der Wahlkreiskandidaten, vor allem die der größeren Parteien, besitzen eine eigene Internetseite. Die meisten sind mehr oder weniger aktiv auf Facebook. Twitter und Instagram nutzen dagegen nur wenige, oder aber die Politiker sind nur durch aufwendige Recherche dort auffindbar. Hier ist noch Luft nach oben: Denn der Einfluss sozialer Medien auf die Wahlentscheidungen junger Zielgruppen ist nicht zu unterschätzen.