Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mountainbiker wollen eigene Strecke
Konflikte mit Fußgängern auf inoffiziellen Strecken nehmen zu – In Wangen läuft eine Unterschriftenaktion
WANGEN - Stellvertretend für die Mountainbikeszene in Wangen sammeln unter anderem Profi Oliver Dorn und Stefan Riedlinger Unterschriften, um eine eigene Mountainbike-Strecke, einen so genannten Trail, ins Leben zu rufen. Am Samstag, 9. September, sollen die gesammelten Unterschriften um 11 Uhr an Oberbürgermeister Lang vor dem Rathaus übergeben werden.
Dorn und Riedlinger stellen sich als entsprechende Strecke den so genannten „Brezel-Trail“, im Waldgebiet zwischen Wolfaz und Sigmanns, vor. Die Strecke wäre nach ihrer Einschätzung geeignet für jede Altersklasse. Der Trail mit einer Länge von zirka anderthalb Kilometern wird bereits seit mehreren Jahren inoffiziell genutzt. Illegalerweise, denn in Baden-Württemberg ist es Radfahrern untersagt, Wege mit einer Breite von unter zwei Metern zu befahren. Die Nutzung des „Brezel-Trails“wird aber seit geraumer Zeit geduldet. Die beiderseitige Nutzung von Mountainbikern und Fußgängern auf den schmalen Wegen führt jedoch vermehrt zu Konflikten.
„Der Hass wird immer größer“
„Den befahren wir schon seit 16 Jahren, aber jetzt wird der Hass immer größer. Die Problematik gibt es überall. In Stuttgart wurden sogar Drahtseile gespannt“, erzählt Oliver Dorn. In einem Waldstück im Stuttgarter Westen hatte sich ein Radfahrer schwerste Verletzungen zugezogen, weil ein oder mehrere unbekannte Täter ein Seil in Kopfhöhe über einen Weg gespannt hatten.
Und auch auf dem „Brezel-Trail“hat es einen ähnlich gelagerten Vorfall gegeben. Dort wurden im vergangenen März mehrere Baumwurzeln mit Nägeln präpariert. Ein Mountainbiker war gestürzt, blieb aber glücklicherweise unverletzt (die SZ berichtete). „Das ist einfach nicht cool, wenn der Sport Konflikte hervorruft“, so Oliver Dorn.
Die Polizei ermittelte und rief zu Zeugenaussagen auf. „Es gab Zeugenhinweise, allerdings ist nichts dabei rumgekommen“, sagt Jens Purath, Pressesprecher vom Polizeipräsidium Konstanz. Die Ermittlungen wurden eingestellt.
Das es bei den Konflikten zwischen Fußgängern und Mountainbikern nicht nur einen Schuldigen gibt, das geben auch Wanderer ohne Umschweife zu. „Es gibt Rüpel im Auto, auf dem Rad oder zu Fuß“, sagt Meinrad Sailer der Vorsitzende des hiesigen Schwäbischen Albvereins. Der Verein veranstaltet regelmäßig Wanderungen mit seinen Mitgliedern. Sailer kennt die Problematik also bestens und hat eine einfache Lösung parat: „Gegenseitige Rücksichtnahme ist das A und O. Dann geht viel.“
Meinrad Sailer hat Verständnis für die Mountainbiker. Er fahre selbst auch mit dem Rad und benutze manchmal auch Strecken, die weniger als die für Radwege vorgeschriebenen zwei Meter breit sind. Daher findet er auch, dass „man sich über diese Gesetzgebung mit den zwei Metern durchaus streiten kann“. Sailer fände es deshalb wunderbar, wenn die Mountainbiker ihre eigene Strecke bekommen würden: „Das ist auch ein Sport, da haben wir nichts dagegen.“
Eine offizielle Strecke für Mountainbiker hätte jede Menge Vorteile, sind sich Oliver Dorn und Stefan Riedlinger sicher. „Ich glaube, unser Sport ist den Leuten einfach fremd. Das macht manchen noch Angst. Der Vorteil einer öffentlichen Strecke wäre, dass dann auch über den Sport informiert wird“, sagt Stefan Riedlinger. Den Arbeitsaufwand, den solch eine Strecke mit sich bringen würde, könnte in Eigenregie bewältigt werden. „Wir kennen ungefähr 50 Biker in Wangen, die alle eine Riesenbereitschaft zeigen, sich zu engagieren für Pflege und Erhalt“, so Riedlinger.
Der letzte Punkt von Riedlingers Argumentation ist eines der Hauptargumente von Naturschützern und Forstbesitzern gegen die Biker. Wenn diese Querfeldein unterwegs sind, dann werde nicht nur die Flora in Mitleidenschaft gezogen, sondern es würden auch viele Tiere gestört, die im Wald leben.
Rundkurs „löst Problem nicht“
Ein schwer zu lösendes Paradoxon. Denn die Fahrt durch die freie Natur mache ein Teil der Faszination Mountainbiking aus, sagt Peter Beck, ebenfalls vom Schwäbischen Albverein. Er ist selber viel mit dem Rad unterwegs. „Als normaler Radler will ich ja auch Natur und freie Streckenwahl.“Der frühere Leiter des Wangener Gästeamts ist sich deshalb sicher, dass der Rundkurs das Problem zwischen Wanderern und Mountainbikern nicht lösen wird, weil er nur einen Teil der Biker anspreche. „Er löst das Problem nicht, das kann man auch gar nicht, aber es verbessert die Situation auf jeden Fall“, ergänzt sein Vereinskollege Meinrad Sailer. Das wichtigste sei, dass in Wangen überhaupt ein Angebot entstehe. Gerade auch für Gäste.
„Die Mountainbiker sind einfach da, und wir wollen ihnen attraktive Strecken bieten, die sie auch befahren dürfen“sagt auch Gästeamtsleiterin Belinda Unger. Der Trend zum Mountainbiking sei ganz klar zu erkennen. Gerade, weil durch Mountainbikes mit unterstützenden Elektromotoren Strecken gefahren werden können, die für viele vorher nicht zu bewältigen gewesen seien. „Diese Gruppe wächst – und zwar rasant. Und sie wird nochmal wachsen, wenn Center Parcs in Leutkirch da ist. Bei geschätzten 300 000 Besuchern im Jahr werden ein paar dabei sein, die biken wollen. Denen müssen wir etwas bieten.“
Biker-Hotspot in Wangen?
Zurzeit befinde man sich daher auch schon im zweiten Jahr der Planung für ein großes Mountainbike-Projekt (siehe Kasten). Einen offiziellen Trail in Wangen sieht Unger daher als perfekte Ergänzung zu ihrem Projekt. Sie sagt: „Natürlich wäre das toll, wenn wir dann hier in Wangen einen Mountainbike-Hotspot hätten.“
Von einem offiziellen Mountainbike-Trail könnten viel mehr Menschen und nicht nur die Biker profitieren, sind sich Olliver Dorn und Steffan Riedlinger sicher. Nicht nur der Tourismus, sondern auch zum Beispiel die verschiedenen Fahrradgeschäfte. Denn: An einem Mountainbike gehe im Gelände schneller mal etwas kaputt, was repariert werden müsste.
Die Finanzierung des Trails sehen die beiden als unproblematisch an. Sie glauben, dass genug Sponsoren interessiert seien. Das habe das Beispiel in Weingarten gezeigt. Dort habe man seit der Eröffnung eines offiziellen Trails 2014 sehr positive Erfahrungen gemacht. Auch mit Sponsoren. Außerdem, so Oliver Dorn, brauche es für den Bau „im Prinzip nur Holz und Dreck“. Gerade Letzterer wird sicher günstig zu haben sein.