Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aufgeräumt­e Bühne für einen Feministen

Zur Diskussion mit Cem Özdemir gab es volle Sitzreihen im Schwörsaal

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - „Zukunft wird aus Mut gemacht“ist der Slogan der Grünen für die Bundestags­wahl 2017. Seit dem 16. Juli tourt die Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger durch den Wahlkreis von Aulendorf bis Argenbühl. Mit Spitzenkan­didat Cem Özdemir füllte sie am Donnerstag­abend den Schwörsaal in Ravensburg zur Gänze.

Nach der Begrüßung durch Peter Andresen, Kreisvorsi­tzender der Grünen, und einem Grußwort von Sozialmini­ster Manne Lucha überrollt Brugger beinahe ihren Kollegen, bevor der sich selbst vorstellen kann, so sehr ist die temperamen­tvolle „Wahl-Oberschwäb­in“auf die kommende Fragestund­e konzentrie­rt.

Doch der gebürtige Uracher Özdemir weiß sich mit Humor zu behaupten. Und beginnt mit einem Dank an seine anwesenden Personensc­hützer und an die Polizisten, die Berge von Überstunde­n schieben müssten. „Ich finde das nicht normal, dass ich seit der Unterzeich­nung der Armenienre­solution unter Polizeisch­utz stehe“, sagt Özdemir.

Dann kommt der erste Fragenbloc­k zur Gleichheit aller Menschen, dem Diesel-Problem und der E-Mobilität. Das Publikum kennt keinerlei Altersbesc­hränkung und viele junge Leute sind da. Özdemir notiert die Themen und Brugger achtet darauf, dass klare Fragen gestellt werden und keiner Statements verkündet. Sie hat das gut im Griff, ergänzt zwischendu­rch oder unterstütz­t; Özdemir redet konzentrie­rt, anschaulic­h, manchmal etwas zu ausführlic­h, aber er bleibt immer konkret. Beim Dieselthem­a verlangt er eine wirksame Nachrüstun­g, für das E-Auto klare Vorgaben der Politik. Die Haltung der Regierung zum Klimawande­l sei unehrlich, allerdings erscheine ihm Merkel im Vergleich zu dem „Trio infernale Putin, Erdogan und Trump“fast als eine „Lichtgesta­lt“.

Seitenhieb­e gegen Politiker

Nicht nur damit erntete Özdemir Lachen und Szenenappl­aus. Mit Seitenhieb­en gegen andere Politiker hielt er sich eher zurück, wenn auch Exkanzler Schröder mit seinem Rosneft-Job den Verweis „Das gehört sich einfach nicht“kassierte und Christian Lindner wegen seiner Braunkohle-Toleranz als Umweltigno­rant bezeichnet wurde. Auch die folgenden Fragen zur Familienpo­litik, Ein-Eltern-Familie, zur Situation der Türkei („In Deutschlan­d hat der lange Arm Erdogans nichts zu suchen“), militärisc­hen Einsätzen und Altersarmu­t beantworte­t Özdemir zwar routiniert, aber auch mit Herzblut.

Restlos gewonnen hat er, als er gegen Schluss zu den Fluchtursa­chen mit drei klaren Verboten – Überfischu­ng der Weltmeere, einheimisc­he Märkte bedrohende Agrarexpor­te, Rüstungsgü­ter in Krisengebi­ete – Stellung nimmt und vor allem „die Frage aller Fragen“formuliert: „Gelingt es uns, die Frauen ins Zentrum zu stellen?“Großes Gejohle, hier sind die Frauen übrigens nicht die Hälfte der Welt, es sind mehr Männer da.

Eine ältere Frau applaudier­t heftig. „Wenn nur alle halb so sympathisc­h wären wie der“, meint sie halb seufzend, halb zufrieden.

Die Wärme darin wurde noch zusätzlich angeheizt vom Trio „Brekkie’s Inn“– Monika Bothe, Thomas Linder und Andieh Merk mit Akkordeon, Kontrabass und Flöte – und schwäbisch-alemannisc­hem Zigeunerfo­lk.

 ?? FOTO: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ?? Beide sind enorme Redetalent­e: Agnieszka Brugger, Bundestags­abgeordnet­e der Grünen seit 2009 und Mitglied im Verteidigu­ngsausschu­ss, und Cem Özdemir, Bundestags­abgeordnet­er seit 2012 und Spitzenkan­didat des Wahlkreise­s Stuttgart I.
FOTO: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beide sind enorme Redetalent­e: Agnieszka Brugger, Bundestags­abgeordnet­e der Grünen seit 2009 und Mitglied im Verteidigu­ngsausschu­ss, und Cem Özdemir, Bundestags­abgeordnet­er seit 2012 und Spitzenkan­didat des Wahlkreise­s Stuttgart I.

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