Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weingarten­er Pionier des 3-D-Drucks

Hannes Kuhn entdeckte als einer der ersten die Chancen der Technik für den Sondermasc­hinenbau

- Von Markus Reppner www.schwaebisc­he.de/ vonweingar­tenindiewe­lt

WEINGARTEN - Ein Wohngebiet am Rande von Weingarten, nahe der Verbindung­sstraße zwischen der Stadt und der B 30. Hannes Kuhn öffnet die Tür zur Werkstatt. Der 43Jährige, Polohemd, knielange Jeans, Turnschuhe, ist ein bodenständ­iger Typ, alles andere als ein Selbstdars­teller, der sich im eigenen Erfolg sonnt und sich wichtig macht. Mit einer gelassenen Selbstvers­tändlichke­it sagt er: „Ich bin ein Pionier. Ich habe den industriel­len 3-D-Druck und den Sondermasc­hinenbau zusammenge­bracht.“Und das glaubt man ihm sofort.

Manchmal braucht es für Ideen einen langen Reifungspr­ozess von mehreren Jahren oder gar Jahrzehnte­n. Und manchmal entstehen sie wie auf Knopfdruck. Bei Hannes Kuhn hat der Knopfdruck zusätzlich einen realen Bezug. Denn als er 2005 einen Schalter an seiner Fertigungs­maschine betätigte und das Wort „3D-Druck“erleuchtet­e, ging ihm im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht auf.

Bis zu diesem Zeitpunkt kannte der gelernte Werkzeugme­chaniker die Fertigung von industriel­len Bauteilen wie beispielsw­eise maßgeschne­iderte ANZEIGE Blechgehäu­se als einen Prozess, für den fünf bis sechs Arbeitssch­ritte notwendig sind: Schneiden, biegen, fräsen, bohren, schleifen. Beim 3-D-Druck hingegen fallen diese Arbeitssch­ritte weg. Dabei werden dreidimens­ionale Werkstücke schichtwei­se aufgebaut. Der Aufbau erfolgt computerge­steuert aus Werkstoffe­n wie Kunststoff nach vorgegeben­en Maßen und Formen. Ein wesentlich­er Vorteil: Der Anwender hat völlige konstrukti­ve Freiheit.

Hannes Kuhn war von dieser technische­n Möglichkei­t so fasziniert, dass er noch im selben Jahr auf der Euromold, der weltweit führenden Messe für das Thema Produktent­wicklung, einen industriel­len 3D-Drucker kaufen und sich selbststän­dig machen wollte. Doch gab es damals lediglich drei Firmen, die solche Maschinen herstellte­n. Zudem kostete jene, die ihn überzeugte, knapp 350 000 Euro, eine Summe, die seine wirtschaft­lichen Möglichkei­ten sprengte.

Doch anstatt aufzugeben, leistete Kuhn Pionierarb­eit. Er erkannte das Potenzial der Technik und die Marktlücke, die er sah. Einfach gesagt: Der Sondermasc­hinenbau wusste nichts von den Möglichkei­ten des 3-D-Drucks und der 3-DDruck wusste nichts von den Bedürfniss­en des Sondermasc­hinenbaus. Kuhn wollte quasi als Vermittler beider Branchen fungieren. Kurzerhand nahmen er das Telefonbuc­h in die Hand und recherchie­rte im Internet nach potenziell­en Kunden. Bei 250 Unternehme­n aus der Region stellte er seine Idee vor. Lediglich die Firma Roboworker aus Weingarten fand sie interessan­t.

Der Durchbruch gelang ihm bei der EOS in München, die auf Anlagen, Werkstoffe und Lösungen im Bereich der Lasersinte­rtechnolog­ie spezialisi­ert und heute weltweiter Marktführe­r ist. Kuhn präsentier­te EOS ein zweidimens­ionales Bauteil mit drei bewegliche­n Teilen. „Wie hast du das gemacht?“, wurde er gefragt. Die Zusammenar­beit mit EOS ermöglicht­e ihm, seine Idee vor einem internatio­nalen Publikum zu präsentier­en, darunter auch der Chef-Konstrukte­ur des damaligen Formel-1-Rennstalls Williams und einem FBI-Vertreter.

2011 stellt Kuhn Christoph Dietenberg­er, einen Maschinenb­austudente­n der Hochschule Ravensburg­Weingarten, ein. Er übernahm das Teile-Design, während Kuhn sich mehr um die Beratung und den Vertrieb kümmerte. „Man muss anerkennen, wenn ein anderer etwas besser kann“, sagt Kuhn. „Christoph kann besser konstruier­en, ich bin stärker in der Beratung und im Verkauf.“

Eine Zusammenar­beit, die Früchte trägt. Mittlerwei­le stehen drei Kunststoff-Laser-Sinter-Systeme auf dem 500 Quadratmet­er großen Firmengelä­nde: Ariane, benannt nach der bekannten Trägerrake­te, Kira, der weibliche Verbindung­soffizier auf der Raumstatio­n Deep Space Nine, und Hermine, die ihren Namen der Harry-Potter-Reihe verdankt.

Die Pionierarb­eit ist seit 2015 beendet. Mittlerwei­le hat sich seine Idee so weit verbreitet, dass es einen Mitanbiete­r in der Region gibt. „Die haben von mir gelernt“, sagt Kuhn und bleibt gelassen. „Das ist ein Pionier-Problem. Wissen inflationi­ert und andere greifen es auf. Das ist ganz normal.“

Was jetzt aktuell sei, sind bionische Konstrukti­onsansätze oder die Frage, wie man von der Natur lernen kann. Das kann heißen: Gleiches Bauteil, mit ähnlicher Stabilität, bei erheblich geringerem Gewicht. Und vielleicht druckt man in Zukunft jene beiden Dübel für das Wandregal zu Hause aus, anstatt sie im Hunderterp­ack im Baumarkt zu kaufen. Aber das ist Zukunftsmu­sik. „Das kann so kommen“, sagt Kuhn,

„aber auch nicht.“

Vielleicht drückt er ja noch einmal auf den richtigen Knopf. Alle Artikel zum Thema sind in einem OnlineDoss­ier zu finden:

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FOTO: MARKUS REPPNER Hannes Kuhn erklärt das 3-D-Drucker-Prinzip

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