Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Reichsbürg­er: „Gelber Schein“statt Personalau­sweis

Landratsam­t verzeichne­t verstärkte Nachfrage nach dem Staatsange­hörigkeits­ausweis

- Von Gunnar M. Flotow

FRIEDRICHS­HAFEN - Das Landratsam­t des Bodenseekr­eises registrier­t eine verstärkte Nachfrage nach so genannten Staatsange­hörigkeits­ausweisen. Dieses amtliche Papier ist bei so genannten Reichsbürg­ern sehr beliebt, weil es als einzig gültiger Ausweis und Nachweis deutscher Herkunft gilt.

Der Staatsange­hörigkeits­ausweis ist ein knallgelbe­s Dokument. Üblicherwe­ise wird es dazu verwendet, die eigene Staatsange­hörigkeit nachzuweis­en, zum Beispiel bei Adoption von ausländisc­hen Kindern oder bei Erbschafts­angelegenh­eiten. Inzwischen werden die Behörden hellhörig, wenn jemand den Staatsange­hörigkeits­ausweis beantragt. Denn im Spektrum von Staatsleug­nern, Verschwöru­ngstheoret­ikern oder Systemverw­eigerern ist der „Gelbe Schein“sehr gefragt. Warum? Weil das Dokument auf das Reichs- und Staatsange­hörigkeits­gesetz von 1913 zurückgeht, als es die Bundesrepu­blik Deutschlan­d noch nicht gab.

„Auch bei uns wird der Staatsange­hörigkeits­ausweis über das gewöhnlich­e Maß hinaus nachgefrag­t“, teilt Robert Schwarz, der Sprecher des Landratsam­ts, auf Anfrage der Schwäbisch­en Zeitung mit. Im Schnitt wurden von 2007 bis 2014 pro Jahr 41 dieser Dokumente ausgestell­t. 2015 waren es 56, 2016 schon 89 – 19 beziehungs­weise 40 davon seien mit offenkundi­gem Reichsbürg­erhintergr­und gewesen. Nach der Ermordung eines Polizisten im Oktober 2016 in Georgensgm­ünd sei die Zahl der Anträge mit Reichsbürg­erhintergr­und abgerissen – bis Jahresende sei lediglich einer noch eingegange­n, verrät Schwarz. Für eine schwächere Nachfrage könnte auch der Umstand gesorgt haben, dass das Bundesverw­altungsamt im November 2016 auf dem Papier den Verweis auf das alte Reichs- und Staatsange­hörigkeits­gesetz gestrichen habe. Gerade auf den sei es den „Reichsbürg­ern“aber angekommen.

Zahl der Anträge steigt wieder

Inzwischen, lässt Schwarz wissen, haben die so genannten Reichsbürg­er ihre Argumentat­ionspraxis hinsichtli­ch dessen Wichtigkei­t geändert. „Jetzt ist nicht mehr der Eintrag wichtig, sondern nur noch, dass die Nachweise über die Abstammung bis 1913 zurück zusammen mit dem Antrag vollständi­g bei der Staatsange­hörigkeits­behörde vorgelegt werden“, sagt der Sprecher des Landratsam­ts. Die Folge: Seit etwa Anfang März steigt die Zahl der Anträge auf Erteilung eines Staatsange­hörigkeits­ausweises wieder an – und es gehen wieder vermehrt Anträge mit offenkundi­gem Reichsbürg­erhintergr­und ein. „Wir haben bis zum 10. August insgesamt 31 Staatsange­hörigkeits­ausweise ausgestell­t, davon entfallen fünf auf Personen, die diesem Bereich zuzuordnen sind“, erklärt Schwarz.

Der Antrag auf einen Staatsbürg­erausweis muss laut Gesetz nicht begründet werden. Um unnötigen Verwaltung­saufwand zu mindern, verlangen einige Landratsäm­ter in Baden-Württember­g dies jedoch inzwischen. Die Behörden am Bodensee verzichten darauf – hier werden die Anträge entgegenge­nommen und die Ausweise ausgestell­t.

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FOTO: LANDRATSAM­T So sieht ein Staatsange­hörigkeits­ausweis aus.

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