Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Fipronil-Skandal beschäftigt EU
Warnsystem soll verbessert werden – Noch viele Details ungeklärt
TALLINN (dpa) - Das Ausmaß des Skandals um mit Insektengift belastete Eier ist auch rund eineinhalb Monate nach seiner Aufdeckung unklar. An diesem Dienstag hat sich erstmals ein EU-Ministertreffen mit den Fipronil-Funden beschäftigt. Können die Verbraucher bald aufatmen? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick:
Hat das Ministertreffen in Tallinn konkrete Ergebnisse gebracht?
Beschlüsse gab es keine, da es zunächst einmal einen Meinungsaustausch geben sollte. Nach Angaben von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ist man sich aber einig darüber, dass das europäische Schnellwarnsystem verbessert werden kann. Am Ende könnten zum Beispiel klarere Regeln für den Umgang mit Verdachtsfällen und mehr europäische Kontrolle stehen. Am 26. September soll in Brüssel weiterdiskutiert werden.
Wie ist Lage in Deutschland?
In der Bundesrepublik sind nach jüngsten Erkenntnissen in mindestens sieben Hühnerbetrieben Reinigungsmittel mit dem in der Geflügelzucht verbotenem Insektizid Fipronil verwendet worden. Im Vergleich zu Nachbarländern ist die Zahl damit vergleichsweise niedrig. In den Niederlanden waren zeitweise 258 Betriebe gesperrt, in Belgien 93. Ebenfalls nur in Einzelfällen wurde das Insektengift in Ställen in Frankreich, Italien und Ungarn nachgewiesen.
Wie viele Eier sind bereits wegen des Skandals vernichtet worden?
Zu Zahlen will sich seit einiger Zeit niemand mehr äußern. Sie änderten sich ständig, erklärten die Behörden zuletzt. Das Bundesagrarministerium hatte im August die Zahl von 10,7 Millionen möglicherweise belasteten Eiern genannt, der niedersächsische Agrarminister Christian Meyer (Grüne) sprach allerdings später allein für sein Bundesland von 35,3 Millionen Eiern. Bis Dienstag hatten 26 der 28 EU-Staaten gemeldet, dass bei ihnen mit dem Insektengift verunreinigte Eier oder Eierprodukte aufgetaucht sind. Hinzu kamen Meldungen von 19 Nicht-EU-Staaten.
Gibt es Schätzungen darüber, wie viele mit dem Insektengift verunreinigte Eier in den Handel kamen und verzehrt wurden?
Auch das ist unbekannt. Aber es dürften sehr viele sein, da die stark betroffenen Niederlande zu den großen Eier-Produzenten in der EU zählen. Ganz grob werden nach Angaben der EU-Kommission pro Jahr in der EU rund 110 Milliarden Eier produziert. Das entspricht rund 300 Millionen Eiern pro Tag.
Welche Folgen hat der Skandal für deutsche Landwirte?
Die Geflügelbranche rechnet mit Schäden in Millionenhöhe. Gegen Landwirte, auf deren Höfen Fipronil verwendet wurde, laufen Ermittlungsverfahren. Die Verwendung des Insektizids in Hühnerställen stellt einen Verstoß gegen das Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuch dar.
Und im Ausland?
Am stärksten betroffen sind die Niederlande, wo mit einem Schaden in dreistelliger Millionenhöhe gerechnet wird. Dort sitzen mittlerweile auch zwei mutmaßliche Schlüsselfiguren des Skandals in Untersuchungshaft. Die Männer waren Chefs der Stallreinigungsfirma Chickfriend und sollen bei der Säuberung von Hühnerställen bewusst Reinigungsmittel mit Fipronil eingesetzt haben, um kostengünstig und effizient die Rote Vogelmilbe (Dermanyssus gallinae), umgangssprachlich auch Blutlaus genannt, zu bekämpfen. Das weit verbreitete Spinnentier ernährt sich vom Blut verschiedener Vogelarten und gilt als einer der wirtschaftlich bedeutendsten Schädlinge in der Geflügelzucht.
Warum gibt es jetzt politische Gespräche?
Vor allem, weil der Skandal schon viel früher hätte aufgedeckt werden können. In den Niederlanden bekamen Behörden bereits im vergangenen Jahr einen Hinweis darauf, dass Fipronil illegal in Ställen eingesetzt werde. Und selbst nachdem belgische Behörden in Eiern Fipronil nachgewiesen hatten, dauerte es noch einmal mehrere Wochen bis am 20. Juli über das EU-Schnellwarnsystem RASFF auch die anderen Mitgliedstaaten informiert wurden.
Können Verbraucher derzeit unbesorgt Eier essen?
Verbraucherschützern zufolge ja. Nach den strengen Kontrollen soll es nahezu ausgeschlossen sein, dass noch Fipronil-Eier im Handel sind. Allerdings müssen sich Verbraucher auf steigende Preise einstellen, da das Angebot wegen der Sperrung von Betrieben eingeschränkt ist.