Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Warum die Villa Sterkel kein Kulturdenkmal ist
Zur Begründung schreibt Jörg Widmaier vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Dienstsitz Tübingen (in Auszügen):
„Das Gebäude Friedhofstraße 2 wurde 1925 für den Kaffee-Fabrikanten Emil Sterkel (1873-1959) auf dem zwischen Wilhelmstraße und Friedhofstraße gelegenen und seit 1857 im Besitz der Familie befindlichen Gartengrundstück in direktem Umfeld des Konzerthauses errichtet. Ursprünglich verfügte dieser Garten über ein 1890 aufgestelltes Gartenhaus. Die Entwürfe für die repräsentative Villa an der Friedhofstraße mit großzügigem rückwärtigem Gartengrundstück zur Wilhelmstraße legte der Architekt Theo Sterkel, der Neffe des Bauherren vor. Dieser hatte bereits auf der Kaffee-Finca der Familie in Guatemala ein Turbinenhaus und ein Sägewerk geplant. Verwirklicht wurde in Ravensburg ein zweigeschossiger verputzter Massivbau mit weit vorkragendem Walmdach und Dachgauben sowie einem östlich anschließenden Garagenanbau.
Ursprünglich verfügte die zum Garten gewandte Fassade über eine repräsentative Ausgestaltung mit ehemaliger Terrasse im Erdgeschoss und einen Balkon mit geschwungenem Geländer, während die zur Friedhofstraße hin orientierte Fassade schlicht gehalten und nur durch die Fenster zurückgenommen ausgestaltet ist. Der Hauptzugang an der der Garage zugewandten Hausseite ist mit figürlichem Schlussstein (in Verweis auf den Bauherren mit Monogramm und Schiffsdarstellung) ausgestattet, der offene Vorraum mit bauzeitlichen Wand- und Bodenfließen und einer handwerklich aufwendig gearbeiteten Eingangstüre versehen. Auch im Inneren des Gebäudes belegen Details wie das Treppengeländer mit massivem und zugleich kunstvoll gestaltetem Antrittspfosten den Anspruch des Bauherren. Erschließung und Nebenräume sind straßenseitig angeordnet, während die repräsentativen Zimmer mit dem holzvertäfelten Erker im Wohnzimmer nach Süden hin ausgerichtet sind und so erneut auf die gartenseitige Orientierung der Anlage verweisen. Zur überlieferten Ausstattung dieser Empfangs- und Wohnräume gehört neben teilweise erhaltenen bauzeitlichen Fenstern (Rahmen, Fenster mit Sprossung), Türrahmen und Holztäfern vor allem der aufwendige Parkettboden. Die Ausführung dieses wertvollen, den hohen Anspruch wie auch die finanziellen Möglichkeiten des Bauherren verdeutlichenden Hartholzfußbodens lässt sich auch aus der Familiengeschichte der Sterkels erklären: In Ravensburg gründete der Vater Carl Sterkel 1867 die gleichnamige Parkettfirma, die solch gehobene Holzausstattung mit „Buntholzeinlagen" (Begriff der Firmenwerbung) nicht nur für Wohnräume, sondern auch für das Interieur von Luxusdampfern, beispielsweise der Hamburg-Südamerika-Linie, herstellte.
Ab 1925 lebten Emil Sterkel und seine Frau zeitweise, ab 1939 dauerhaft in der Villa, bevor beide 1945 in die Villa der Parkettfabrik (Möttelinstraße) zogen. In den 1960er-Jahren wurde das Gartenhaus abgebrochen, der Garten ist heute weitgehend aufgelöst. 1975 zog die Musikschule in die ehemalige Villa Sterkel an der Friedhofsstraße. Für diese Nutzung erweiterte man das Gebäude 1980 um einen in angepassten historisierenden Formen ausgeführten Anbau, der die bestehende einfache Straßenfassade zu kopieren scheint. Diese zweite Bauphase des Gebäudekomplexes bleibt als Zweckbau in ihrer Qualität weit hinter dem Anspruch der Villa Sterkel zurück, dies wird vor allem im Inneren des Hauses ersichtlich. Dort kam es in der über 30-jährigen Nutzung als Musikschule zu umfangreichen Veränderungen, sodass – gerade auch in den historischen Gebäudeteilen – ein Großteil der ursprünglichen Ausstattung verloren gegangen ist. Auch die gartenseitige Fassade wurde in ihrer ursprünglichen Erscheinung durch Verlust der Terrasse und der Gartenfläche entscheidend verändert.“(sz)
„Die zweite Bauphase bleibt in ihrer Qualität weit hinter dem Anspruch der Villa Sterkel zurück.“