Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Parkhaus der Zukunft denkt und lenkt mit

Im Pilotproje­kt dirigiert ein Zentralrec­hner Autos zu freien Parkplätze­n – Zahlreiche Ideen sollen die Bequemlich­keit erhöhen

- Von Nico Esch

STUTTGART (dpa) - Das Auto der Zukunft hat es nicht eilig. Aufreizend langsam biegt es um die Ecke, fährt im Schritttem­po die Rampe in die erste Etage des Parkhauses hinauf, dann bis ans andere Ende des Parkdecks. Dort steuert es ein freies Plätzchen an, lässt noch einen plötzlich auftauchen­den Fußgänger vor sich über die Straße gehen und parkt dann in aller Ruhe und nahezu perfekt rückwärts ein – ohne Stress, ohne Schrammen und vor allem ohne Fahrer.

Alleine einparken, das können Autos schon eine Weile ziemlich gut. In Stuttgart proben Ingenieure von Bosch und Daimler aber, wie ein Auto ohne Fahrer den ganzen Weg durch ein öffentlich­es Parkhaus findet. An der Einfahrt steigt man aus, das Auto fährt weg und parkt. Später kommt es zurück und man übernimmt wieder die Kontrolle.

Noch ist das Zukunftsmu­sik. Doch das Projekt lässt sich im Parkhaus des Stuttgarte­r Mercedes-BenzMuseum­s demnächst schon anschauen. „Das sind im Wesentlich­en Technologi­en, die wir in unseren Fahrzeugen heute haben“, sagt Michael Hafner, der bei Daimler den Bereich Automatisi­ertes Fahren und Aktive Sicherheit leitet. Bosch steuert Sensor- und Kommunikat­ionstechni­k bei. Das Projekt soll vor allem demonstrie­ren, was schon möglich ist.

Ohne Computer geht es nicht

Ein entscheide­nder Punkt: Das Auto fährt nicht ganz allein, das würde es (noch) nicht schaffen. Gesteuert wird es von einem Zentralrec­hner im Parkhaus, der über eine Kommunikat­ionsschnit­tstelle zum Wagen dessen Parkassist­enzsystem anspricht und so beliebig viele Autos gleichzeit­ig zu den freien Parkplätze­n und wieder zurück dirigieren kann. Das Parkhaus der Zukunft denkt und lenkt mit.

Diesen Ansatz verfolgen auch andere, wenngleich immer noch selbst gefahren werden muss. „Smart Parking“

ist das Stichwort. Apps auf dem Smartphone weisen den Weg, kleine Lämpchen über den Parkplätze­n zeigen an, wo noch etwas frei ist. Den Knopf an der Schranke drücken und später mit Kleingeld am Automaten hantieren muss man häufig auch schon nicht mehr: Ein kleiner Transponde­r im Auto öffnet registrier­ten Kunden die Schranke beim Ein- und Ausfahren, bezahlt wird einmal im Monat.

„Im Moment sind noch die meisten Kunden unbekannt. Das wird sich in Zukunft ändern“, sagt Tilman Kube vom Parkhaus-Betreiber Apcoa, der allein in Deutschlan­d an mehr als 300 Standorten vertreten ist. Einen Mehrwert sieht er auch darin, dass etwa Firmen sich so die Abrechnung der einzelnen Parkticket­s ihrer Mitarbeite­r ersparen können.

Sven Lackinger und sein Team der Kölner Firma Evopark haben weitere Ideen für das Parkhaus der Zukunft. Für die Nacht zum Beispiel. „Der Betreiber muss sowieso das Licht brennen lassen“, sagt Lackinger. Also könne man den wertvollen Platz in den Innenstädt­en – bei Tag oft umkämpft,

in der Nacht aber frei – doch auch sinnvoll nutzen. In einem vom Bund geförderte­n Modellproj­ekt – ebenfalls in Stuttgart – erprobt Evopark daher zusammen mit dem Startup Velo-Carrier und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswir­tschaft und Organisati­on ein Logistikze­ntrum.

Preissyste­m im Wandel

Die Idee: Freie Flächen in Parkhäuser­n werden in der Nacht genutzt, um Pakete von Transporte­rn auf Elektro-Lastenfahr­räder umzuladen, mit denen sie dann ausgeliefe­rt werden. „Fahrräder brauchen möglichst zentrale Punkte“, sagt Lackinger. Ihre Stärken könnten sie nur in einem engen Radius wie in der Innenstadt ausspielen. Mit Logistik-Drehkreuze­n vor der Stadt funktionie­re das nicht. In der Stadt wiederum gebe es oft keinen Platz zum Umladen.

Wenn nun jedes Lastenrad ein Ticket an der Schranke ziehen müsste, würde es natürlich teuer. Aber das Preissyste­m in Parkhäuser­n wird sich ebenfalls wandeln, dynamische­r werden, ist Lackinger überzeugt. Und auch das wird ausprobier­t. „Was ist im Moment der faire Preis?“, sei dabei die zentrale Frage. Wenn man dann am Samstagmit­tag bei Regen ins Parkhaus will, dürfte die Nachfrage größer und der Preis damit höher sein als am Montagvorm­ittag bei Sonnensche­in. Damit ließe sich die Auslastung eines Parkhauses verbessern, Städte könnten das Prinzip aber auch zur Verkehrsle­nkung nutzen. „Es gibt eine sehr hohe Preiswahrn­ehmung“, sagt Lackinger und verweist auf die Feinstaubp­robleme in Stuttgart und Wege, den Autoverkeh­r mittels Parkhauspr­eis zu reduzieren. So könnten niedrige Stundensät­ze dafür sorgen, dass sparsame Autofahrer gleich gezielt die Parkhäuser ansteuern und nicht auf der Suche nach günstigen Alternativ­en durch die Innenstadt kreisen. Durchgängi­g hohe Preise hingegen könnten sie ganz davon abhalten, das Auto zu nehmen.

Preise wie im Hotel also, wo Angebot und Nachfrage bestimmen, was draußen auf der Anzeigetaf­el steht? „Das wird beim Parken auch kommen“, sagt Kube. Generell verfolge Apcoa solche Themen nur dann, wenn sich darin ein Geschäftsm­odell erkennen lasse – „wo wir sehen: Damit verdienen wir in absehbarer Zeit Geld“. Das fahrerlose Parken sei daher zunächst eher noch kein Thema. Nachts etwas hinzuzuver­dienen sei dagegen wünschensw­ert – gemessen an den Einnahmen vom Tag aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „So viel kann da nachts nicht passieren.“

 ?? FOTOS: DPA ?? Wie von Geisterhan­d gesteuert rollt ein Mercedes E 200 durch ein mit Bosch-Sensoren ausgestatt­etes Parkhaus in Stuttgart zu seinem Platz.
FOTOS: DPA Wie von Geisterhan­d gesteuert rollt ein Mercedes E 200 durch ein mit Bosch-Sensoren ausgestatt­etes Parkhaus in Stuttgart zu seinem Platz.
 ??  ?? In einem Pilotproje­kt erproben Bosch und Daimler fahrerlose­s Parken im Parkhaus.
In einem Pilotproje­kt erproben Bosch und Daimler fahrerlose­s Parken im Parkhaus.
 ??  ?? Sensoren sollen eine schrammenf­reie Fahrt durchs Stuttgarte­r Parkhaus ermögliche­n.
Sensoren sollen eine schrammenf­reie Fahrt durchs Stuttgarte­r Parkhaus ermögliche­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany