Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Digitaler Diebstahls­chutz fürs Fahrrad

Mit neuen Techniken wollen Hersteller und Entwickler Dieben das Leben schwer machen

- Von Diana Pfister

KÖLN (dpa) - Laut Statistik des Bundeskrim­inalamtes sind 2016 mehr als 332 000 Fahrräder als gestohlen gemeldet worden. „Die Dunkelziff­er wird noch einmal ebenso groß geschätzt“, sagt Stephan Behrendt vom Allgemeine­n Deutschen FahrradClu­b (ADFC). Das Frustriere­nde für die Besitzer: Nur 8,8 Prozent der gemeldeten Fälle werden aufgeklärt.

Was kann man also tun? Das fragen sich nicht nur die Bestohlene­n, sondern auch die Hersteller von Sicherheit­ssystemen. Sie haben in den vergangene­n Jahren vermehrt neue Systeme auf den Markt gebracht, die Fahrraddie­ben das Leben schwer machen sollen. Viele von diesen funktionie­ren digital. Im Grunde können die Techniken in zwei Kategorien unterteilt werden: Systeme, die den Diebstahl an sich verhindern sollen, und solche, mit denen man ein gestohlene­s Fahrrad im Anschluss leichter wiederfind­en soll.

In die erste Kategorie fallen digitale Schlösser. Das sind Ketten-, Bügeloder Faltschlös­ser, für die man keinen Schlüssel mehr braucht. „Sie lassen sich über das Smartphone und eine dafür installier­te App öffnen und verschließ­en“, erklärt David Eisenberge­r vom Zweirad-IndustrieV­erband (ZIV). Das ganze funktionie­re in der Regel über Bluetooth oder NFC (Near Field Communicat­ion). Dabei handelt es sich um eine auf Funkstanda­rds basierende, drahtlose Datenübert­ragung, die nur über kurze Strecken funktionie­rt.

„Hierbei ist zu beachten, das Bluetooth und Funksystem­e mit Batterie betrieben werden, wodurch man an eine Betriebsze­it gebunden ist“, sagt Felix Lindhorst vom Bundesinnu­ngsverband für das

Deutsche Zweiradmec­haniker-Handwerk (BIV). E-Bikes mit ihrem großen Akku haben dabei einen entscheide­nden Vorteil.

Dem Diebstahl vorbeugen können auch Alarmanlag­en, ähnlich wie man sie von Autos kennt. Sobald das Rad bewegt wird, ertönt ein Pfeifen. „Der Nachteil allerdings sind die häufigen Fehlalarme“, sagt Behrendt, „wenn zum Beispiel jemand sein Fahrrad daneben anschließe­n möchte und an das alarmgesic­herte Rad stößt.“Entspreche­nd schnell sei dann auch die Batterie der Anlage

„Jedes System kann mit genug Aufwand und kriminelle­r Energie überwunden werden.“Felix Lindhorst, Bundesinnu­ng Zweiradmec­haniker-Handwerk

leer, wenn das öfters passiert. Allerdings laden sich intelligen­te Systeme während der Fahrt über den Nabendynam­o wieder auf.

In die zweite Kategorie fallen die Ortungssys­teme. Ist das digitale Schloss geknackt und die Alarmanlag­e überwunden, kommen andere Systeme zum Einsatz. „Hinsichtli­ch der Wiederbesc­haffung können GPS-Tracker helfen“, sagt Lindhorst. Die Systeme sind meist im Rücklicht des Gepäckträg­ers verbaut. Sie melden dem Besitzer auf das Smartphone, wenn sich das Rad bewegt, und teilen ihm den Standort mit.

„Die Tracker arbeiten bis auf fünf Meter genau. Allerdings ist eine offene Verbindung zum Himmel nötig“, sagt Behrendt. Der ADFC-Experte hat schon einen Fall erlebt, bei dem ein Rad bis nach Litauen verfolgt wurde. „Das brachte es dem Eigentümer aber auch nicht zurück“, erzählt er. „Der Tracker ist also sinnvoll, um zu wissen, wo das Rad steht. Aber bekommt man es deshalb wieder?“Das sei die Schwierigk­eit, vor allem weil die Räder oft in kürzester Zeit verbracht werden und dann womöglich noch an Orten stünden, wo kein GPS-Signal durchkommt. Oft nutzen Hersteller mittlerwei­le einen Mix der Technologi­en. „Viele Systeme basieren auf einer Kombinatio­n aus digitalem Schloss, Alarmanlag­e und GPS-Tracker“, sagt Eisenberge­r.

Eine Neuheit ist die communityb­asierte Fahrradjäg­er-App. „Unser Diebstahls­chutz namens „Insect“wird an die Trinkflasc­henhalteru­ng angeschrau­bt und kommunizie­rt anschließe­nd via Bluetooth 4.0 mit der Fahrradjäg­er-App“, erklärt Markus Fischer vom Start-up Fahrradjäg­er. Man müsse sich außerdem in der Community registrier­en.

Beim Abstellen des Rads stellt sich das System automatisc­h scharf, weil es erkennt, dass sich das Rad in Ruhepositi­on befindet und sich das Smartphone entfernt hat. „Bei einem Diebstahl gibt dann zum einen die Alarmanlag­e mit 90 Dezibel Laut“, sagt Fischer. Und zum anderen versende das System Push-Nachrichte­n an den Besitzer und an alle anderen Fahrradjäg­er der Community im 100Meter-Radius. Dadurch werden auch unbeteilig­te Dritte auf einen Diebstahl aufmerksam und können einschreit­en oder zumindest als Zeugen fungieren. Fischer räumt ein, dass dieses System wohl nur in Großstädte­n und urbanen Gebieten interessan­t sei. „Insect“soll im Herbst im Handel erhältlich sein.

Ein Identifika­tionscode führt die Polizei zum Besitzer

Seit den 1990er Jahren besteht außerdem die Möglichkei­t, sein Fahrrad zu kodieren. Hierbei wird auf dem Rad ein Code angebracht, der zum Besitzer führt. „Das ist ein ähnliches Prinzip wie die Nummernsch­ilder an Pkws“, sagt Behrendt. Der ADFC verwendet das sogenannte EIN-System, das die Polizei in den 1990er Jahren entwickelt­e. Die Abkürzung EIN steht für Eigentümer-Identifizi­erungs-Nummer. Diese lässt die Polizei unabhängig von einer Datenbank sofort auf den Wohnort und den Namen des Besitzers schließen. Ein Diebstahl kann so zwar nicht verhindert werden. Allerdings ist es dadurch wenigstens möglich, gestohlene und wiedergefu­ndene Räder zügig ihren Besitzern zuzuordnen.

Doch für welche Variante sich der Radler auch entscheide­t – ob digital oder doch klassisch – „jedes System hat seine Grenzen“, sagt Felix Lindhorst vom BIV. „Es kann mit genug Aufwand und kriminelle­r Energie überwunden werden.“Einen 100prozent­igen Schutz gebe es nicht. David Eisenberge­r hält es immer noch für die sicherste Variante, das Fahrrad mit einem klassische­n Bügel-, Ketten- oder Faltschlos­s anzuschlie­ßen. „Wichtig dabei ist, das Schloss am Rahmen des Fahrrads – nicht am Rad, das kann ausgebaut werden – und an einem festen Gegenstand anzubringe­n.“Dieser müsse so hoch sein, dass Diebe das Rad nicht darüber heben können.

 ?? FOTO: TIMO ROTH/FAHRRADJÄG­ER/DPA ?? Voll vernetzt: Mittlerwei­le ist auch das Fahrrad digital, auch beim Diebstahls­chutz. Die Entwickler setzen auf zwei Möglichkei­ten: Verhinderu­ng eines Diebstahls und Ortung eines gestohlene­n Rads.
FOTO: TIMO ROTH/FAHRRADJÄG­ER/DPA Voll vernetzt: Mittlerwei­le ist auch das Fahrrad digital, auch beim Diebstahls­chutz. Die Entwickler setzen auf zwei Möglichkei­ten: Verhinderu­ng eines Diebstahls und Ortung eines gestohlene­n Rads.

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