Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Juncker spricht vom Euro für alle

Lob und drastische Kritik für die Vorschläge des EU-Kommission­spräsident­en

- Von Katja Korf und unseren Agenturen

BERLIN/STUTTGART - Mit einer visionären Rede zur Zukunft der Europäisch­en Union hat Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch für Wirbel gesorgt. Der Euro für alle Mitgliedss­taaten und ein Europa ohne Grenzen – vor allem diese Punkte seiner Ansprache vor dem Europaparl­ament wurden danach in Deutschlan­d, kurz vor der Bundestags­wahl, heiß diskutiert. Bei FDP, AfD, Linken und Teilen der Union stieß der Luxemburge­r auf teils heftigen Widerspruc­h. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz tragen die Linie dagegen mit. Während Regierungs­sprecher Steffen Seibert die Rede im Namen der Bundesregi­erung offiziell „begrüßte“, kam aus München Widerspruc­h. Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder (CSU) sagte: „Das ist der falsche Vorschlag zur falschen Zeit.“Auch Baden-Württember­gs Europamini­ster Guido Wolf (CDU) hat punktuell Zweifel. „Die Einführung des Euro ist an bestimmte Stabilität­skriterien gebunden. Entscheide­nd ist, dass diese Kriterien von jedem Mitgliedss­taat, der der Gemeinscha­ftswährung beitreten will, auch eingehalte­n wird“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“und erinnerte an die Erfahrunge­n mit Griechenla­nd. Generell beurteilte er die Rede positiv.

Lob kam von Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD). „Jean-Claude Juncker weist den richtigen Weg für die Einheit unseres Kontinents“, sagte er. Grünen-Chef Cem Özdemir meinte: „Dass der Euro eines Tages in allen Mitgliedss­taaten Realität ist, das liegt zwar heute noch in weiter Ferne. Aber es ist das richtige Ziel.“Vor allem dieser Vorschlag Junckers, die Ausweitung der Eurozone auf neue EU-Mitglieder wie Rumänien, Bulgarien und Kroatien, löste jedoch auch Kritik aus.

Zwar ist längst das Ziel vertraglic­h festgeschr­ieben, dass alle EU-Staaten den Euro einführen. Die Währung gilt derzeit aber nur in 19 von 28 EU-Staaten. Neben Großbritan­nien, das ohnehin austritt, haben ihn Dänemark, Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn noch nicht als Zahlungsmi­ttel. Juncker schlug vor, ärmeren Mitglieder­n mit Hilfen aus einem neuen Finanztopf rasch den Weg zu ebnen. Während der Eurokrise hatte sich die unterschie­dliche Finanzstär­ke in der Währungsun­ion als großes Problem erwiesen. Juncker meinte, der Euroraum sei heute widerstand­sfähiger.

Dies sehen deutsche Opposition­spolitiker jeder Couleur anders. FDPChef Christian Lindner erklärte: „Herr Juncker verkennt die Lage in den Mitgliedss­taaten der Währungsun­ion. Noch immer fehlen die wirkliche Durchsetzu­ng der Schuldenre­geln und eine Insolvenzo­rdnung.“Linke-Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t wurde drastische­r. „Juncker scheint von allen guten Geistern verlassen zu sein“, sagte sie. Bereits jetzt zerstöre die Währungsun­ion in vielen Ländern Arbeitsplä­tze. AfDSpitzen­kandidatin Alice Weidel sagte ebenfalls, dass der Euro in Südeuropa das Wachstum blockiere: „Der EUKommissi­onspräside­nt Juncker demonstrie­rt erneut den völligen Realitätsv­erlust der Brüsseler EU-Funktionär­e.“

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FOTO: AFP EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker.

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