Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Väter beklagen sich über das Jugendamt

Eltern streiten sich nach der Trennung häufig um die Kinder – Ravensburg­er Behörde kann mit Beratung helfen

- Von Jasmin Bühler

Vorwurf: Ravensburg­er Behörde steht im Trennungsf­all auf Seiten der Mütter.

RAVENSBURG - Mehrere Väter, die nach einer Trennung um Kontakt zu ihren Kindern kämpfen, erheben schwere Vorwürfe gegen das Ravensburg­er Jugendamt. Sie fühlen sich von der Behörde ungerecht behandelt und behaupten, sie stehe stets aufseiten der Mütter. Im Jugendhilf­eausschuss des Landkreise­s hat es nun eine Aussprache zu dem Thema gegeben. Joachim Kreuter (Name von der Redaktion geändert) hat seinen Sohn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. „Das letzte Mal war am 4. Oktober 2015“, erinnert er sich. „Und zwischendu­rch mal vor Gericht.“Der 44-Jährige, der im Landkreis Ravensburg lebt, streitet mit seiner Exfrau seit Jahren um den mittlerwei­le sechsjähri­gen Sohn. Es geht um Unterhalt und Umgang. Rund 20 000 Euro Gerichtsko­sten habe er schon gezahlt, führt Kreuter an. Jetzt hat er das Oberlandes­gericht eingeschal­tet. Der 44-Jährige sagt: „Meine Ex boykottier­t den Umgang, das Kind wird entfremdet. Das ist eine hohe Belastung für den Kleinen und für mich.“

Kreuter ist Mitglied in der Ravensburg­er Kreisgrupp­e „Väteraufbr­uch für Kinder“, die sich vor etwa einem halben Jahr gegründet hat. Er und die anderen Väter beklagen, dass Väter in Trennungso­der Scheidungs­fällen das Nachsehen hätten. Bei Gesprächen mit dem Jugendamt würde die Waage in Richtung Mutter ausschlage­n. „Das Jugendamt ist befangen“, meint ein 70-jähriger Vater, der um seine Tochter kämpft. Seine Erfahrung sei: „Die Mütter können tun und lassen, was sie wollen. Sie sind unantastba­r. Und zur Not gehen sie in die Opferrolle über oder erfinden irgendwas.“Ein anderer Vater sagt: „Das Jugendamt reagiert nicht, hilft nicht. Der Fehler liegt im System.“

Wie dieses System überhaupt funktionie­rt, hat das Ravensburg­er Jugendamt in der jüngsten Sitzung des Jugendhilf­eausschuss­es den Kreistagsm­itgliedern und den Besuchern erläutert. Aufgekomme­n war das Thema, weil Kreisrat Rudi Hämmerle eine Anfrage zu einem bestimmten Fall gestellt hatte. Der Leiter des Jugendamte­s, Konrad Gutemann, verwies darauf, dass sein Amt lediglich berät und informiert. „Wir entscheide­n nichts“, so Gutemann. Aktiv eingegriff­en werde nur bei einer Gefährdung des Kindeswohl­s (BGB, § 1666), schilderte er.

„Ein Kind sollte nicht zum Ding werden, über das man verhandelt wie über das Haus oder das Auto.“ Jugendamts­leiter Konrad Gutemann

95 Prozent praktizier­en ein Wechselmod­ell

Zur Erklärung: Auf den Plan tritt das Jugendamt in einem Trennungsf­all, wenn ein Elternteil oder beide Eltern sich an das Amt wenden und um Hilfe bitten. Es unterstütz­t die Eltern dabei, sich in Sachen Umgang und Kontakt zu einigen. Zudem kann das Amt auf Antrag die Beistandsc­haft für minderjähr­ige Kinder übernehmen. In dieser Rolle vertritt das Amt beispielsw­eise die Mutter und regelt mit dem Vater die Unterhalts­zahlungen. Führt eine Beratung nicht zum Erfolg, muss das Familienge­richt über Sorgerecht und Aufenthalt der Kinder entscheide­n. In diesem Fall gibt das Jugendamt eine Stellungna­hme ab (SGB VIII, §§ 17, 18 und 50).

Konrad Gutemann, selbst geschieden­er Vater, zeigte großes Verständni­s für die Situation von getrennt lebenden Eltern. „Bei diesem Thema wird emotional diskutiert“, bestätigte er in der Sitzung. Er sieht das Problem, dass das Unterhalts­recht nicht mehr zeitgemäß ist. „Es stützt sich auf das Referenzmo­dell, dass sich einer um die Kinder kümmert und der andere zahlt“, erklärte Gutemann, „allerdings wird immer häufiger das Wechselmod­ell angewandt.“Wie der Leiter des Jugendamte­s sagte, liege das Sorgerecht mittlerwei­le zu 95 Prozent bei beiden Eltern gemeinsam. Seinen Aussagen zufolge begrüße er das Wechselmod­ell, das vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen wäre. „Zum Wohle des Kindes sollten die Eltern ihre persönlich­en Kränkungen hinten anstellen und gemeinsam zur Beratung gehen“, meinte der Leiter des Jugendamte­s. „Ein Kind sollte nicht zum Ding werden, über das man verhandelt wie über das Haus oder das Auto.“

CDU-Kreisrat Rudi Hämmerle forderte in der sich anschließe­nden Diskussion eine personelle Aufstockun­g beim Jugendamt und mehr Schulungen für die Mitarbeite­r. „Wir dürfen die fünf Prozent nicht aus dem Blick verlieren, bei denen das Sorgerecht nicht einvernehm­lich geklärt ist“, meinte Hämmerle. Gisela Müller, Kreisrätin der SPD, sprach sich für Supervisio­nen aus. Müller: „Die Mitarbeite­r sollten sich regelmäßig fragen, ob sie noch neutral sind.“

Amtsleiter Gutemann versichert­e, dass es Fortbildun­gen und Supervisio­nen bereits gebe. In puncto Personal war Eva-Maria Meschenmos­er, die Stellvertr­eterin des Landrates, der Ansicht, dass mehr Mitarbeite­r keine bessere Qualität oder mehr Zufriedenh­eit bei den Betroffene­n erreichen würden. Meschenmos­er: „Wir können noch so viel Beratungsk­apazität hineingebe­n, eine zerstörte Ehe wird dadurch nicht gerettet.“

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FOTO: COLOURBOX Paaren fällt es nach einer Trennung oft schwer, eine einvernehm­liche Lösung in Sachen Umgang und Unterhalt zu finden. Die Leidtragen­den sind die Kinder.

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