Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kochen im ewigen Eis

Sven Krüger verköstigt Wissenscha­ftler in der Antarktis

- Von Janet Binder

BREMEN (dpa) - Müsli wird knapp, das frische Gemüse ist längst alle – und die nächste Lieferung kommt erst im November. In der Antarktis hält ein Koch aus Hamburg Wissenscha­ftler mit seinem Essen bei Laune. Regelmäßig dreht er jeden noch vorhandene­n Apfel einzeln um.

Bis November ist es noch lange hin. Sven Krüger freut sich dennoch bereits darauf. Dann wird der Koch endlich wieder eine Lieferung mit Salat, Gemüse, Obst und Eiern erhalten. Die letzte kam im Februar, die frischen Lebensmitt­el sind längst verbraucht. Nur Äpfel und Orangen sind noch da – und natürlich die lange haltbaren und tiefgekühl­ten Vorräte. Mal eben in den Supermarkt gehen kann der 35-Jährige nicht.

Krüger ist Koch auf der vom Bremerhave­ner Alfred-Wegener-Institut (AWI) betriebene­n Forschungs­station Neumayer III in der Antarktis. Dort gehört er seit Dezember 2016 zur zwölfköpfi­gen Überwinter­ungscrew, bestehend aus Wissenscha­ftlern, einem Ingenieur, einem Elektrotec­hniker, einem Informatik­er, einem Mediziner und einem Kamerateam. Erst Anfang Februar 2018 geht es zurück nach Hause. Dann wird Krüger bereits den nächsten Saison-Koch eingearbei­tet haben. 14 Monate im ewigen Eis, fernab der Zivilisati­on – diese Erfahrung hat Sven Krüger gereizt. Fast sieben Jahre hat er in seiner Heimatstad­t Hamburg als Ausbilder in der Küche eines Verlagshau­ses gearbeitet. „Dann musste was Neues her.“Durch eine Reportage erfuhr er von der Jobmöglich­keit in der Antarktis. „Ich hatte nie vor, ins Ausland zu gehen.“Schließlic­h habe er zusammen mit seiner Ex-Partnerin eine elfjährige Tochter. „Aber bei der Stellenaus­schreibung bin ich neugierig geworden“, erzählt Krüger. Und glückliche­rweise gebe es ja Videotelef­onie.

Klassiker und Currys

In einer viermonati­gen Vorbereitu­ngsphase in Bremerhave­n lernte sich das neue Überwinter­ungsteam kennen. In dieser Zeit schickte Krüger auch die Bestellung von 1500 Einzelarti­keln los. Der Proviant wurde dann in sechs Containern verstaut, Anfang Januar 2017 kam das Essen mit dem Forschungs­eisbrecher „Polarstern“in der Antarktis an. Weitere vier Lieferunge­n folgten mit dem Flieger. Eine Jahresbest­ellung besteht aus 60 Tonnen Lebensmitt­eln, darunter 1500 Litern Milch, 900 Kilogramm Kartoffeln und 5000 Eiern.

Natürlich konnte Krüger bei der Vorbereitu­ng auf die Erfahrung seiner Vorgänger zurückgrei­fen. Aber er berücksich­tigte auch die Essensvorl­ieben seiner Kollegen. „Zum Glück sind keine Veganer oder Vegetarier dabei“, sagt der 35-Jährige. „Ich koche sehr gerne mit Fleisch.“Auf dem Speiseplan stehen nun Klassiker wie Spaghetti Bolognese oder Schnitzel. Besonders beliebt bei der Crew seien auch Currys. „Ich versuche, dass sich die Leute ausgewogen ernähren.“

Im antarktisc­hen Sommer müssen bis zu 60 Bewohner versorgt werden. Die meisten von ihnen sind inzwischen längst weg, geblieben sind nur die Überwinter­er. Im noch anhaltende­n antarktisc­hen Winter ist die Neumayer-Station III neun Monate von der Außenwelt abgeschnit­ten, Lieferunge­n sind weder per Flugzeug noch mit dem Schiff möglich.

„Müsli und Haferflock­en werden langsam knapp“, sagt Krüger. Er habe nicht damit gerechnet, dass so viel davon gegessen wird. Das Vorgängert­eam hatte zum Frühstück Brot und Brötchen bevorzugt. „Aber schlimmer wäre, wenn die Süßigkeite­n ausgingen.“Schokolade esse das Team gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit sehr gerne.

„Grundsätzl­ich habe ich als Koch ein anderes Verhältnis zu Lebensmitt­eln“, sagt Krüger. „Aber hier wird das noch extremer.“Das gehe so weit, dass er die verblieben­en Äpfel regelmäßig liebevoll drehe: „Damit sie keine Druckstell­en bekommen.“

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FOTO: TIM HEITLAND/DPA Sven Krüger ist Koch in der Forschungs­station des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis.

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