Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Unersetzlich
Unter skeptischer Beobachtung ihrer Nachbarn haben die Streitkräfte Russlands und Weißrusslands ihr Manöver an der Ostflanke der Nato begonnen. Den Aufmarsch von 12 700 Soldaten rechtfertigt Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit dem aus seiner Sicht bedrohlichen „Bestreben der Allianz, anderen Ländern ihren Willen aufzuzwingen“. Der Satz hätte von Präsident Wladimir Putin stammen können, dem der 62-jährige Schoigu die größtmögliche Bewunderung entgegenbringt.
Putin spielt gerne Eishockey, das tut der Armeegeneral Schoigu auch. Der Kremlchef lässt sich im Urlaub mit nacktem Oberkörper fotografieren – und auch vom Träger des russischen Heldenordens gibt es solche Bilder. Wie sein zwei Jahre älterer Chef ist Schoigu an Geschichte sehr interessiert. Dabei hat das beliebteste Mitglied der russischen Regierung selbst Geschichte geschrieben – kein anderer russischer Top-Politiker hat sich so lange an der Machtspitze gehalten wie er.
Vor 26 Jahren – Putin war damals noch ein kleiner Beamter in St. Petersburg – bekam der Ingenieur aus der südsibirischen Republik Tuwa die Aufgabe, Russlands neues Katastrophenschutzministerium aufzubauen. Mit Effizienz und eiserner Disziplin schaffte es Sergej Schoigu fortan, an der Spitze einer Riesenbehörde mit 300 000 Mitarbeitern zahllose Notlagen zu bewältigen. Wann immer im großen Land die Wälder brannten, U-Boote sanken oder Gasleitungen explodierten, Schoigus Lebensretter waren vor Ort.
Dabei zeigte Russlands TopKatastrophenmanager ein bemerkenswertes Talent, Skandale sicher zu umschiffen und sich aus den Machtkämpfen im Kreml konsequent herauszuhalten. 2012 belohnte Putin seinen loyalen Minister mit der Leitung der Streitkräfte. Als Verteidigungsminister setzte Schoigu auf mehr Drill und Modernisierung der Truppe. Die Besetzung der Halbinsel Krim durch russische Militärs 2014 machte den General in Russland sehr populär.
Schoigu sorgte für Aufsehen, als er sich 2015 bei der Abnahme der Parade auf dem Roten Platz bekreuzigte: Das hatte keiner seiner Vorgänger jemals getan. Spätestens seitdem wird der Buddhist als zukünftiger Nachfolger des Kremlchefs gehandelt, der seine engen Beziehungen zur Kirche geschickt zu politischen Zwecken einsetzt. Alexei Makartsev