Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aus einem Guss

Weingarten­er Unternehme­n Heku hat sich auf Spritzguss und Werkzeugba­u spezialisi­ert

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - In den metallenen Trichter ist graues Kunststoff­granulat gefüllt. Bei etwa 280 Grad schmilzt das Granulat. Mit einem Druck von 1500 Bar schießt die flüssige Masse durch eine Öffnung mit einem Durchmesse­r von zwei Millimeter­n in eine Stahlgussf­orm.

Nach einer dreivierte­l Sekunde ist die Form gefüllt und nach 15 bis 20 Sekunden Abkühlzeit ist der Griff einer tiermedizi­nischen Spritze fertig. Allein 750 000 dieser Teile fertigt die Heku GmbH pro Jahr. Nimmt man den gesamten Kundenbest­and des Unternehme­ns, der hauptsächl­ich aus den Bereichen Sanitär, Elektrotec­hnik und eben Tiermedizi­n stammt, produziert das Weingarten­er Unternehme­n circa 100 Millionen Teile jährlich und verarbeite­t 1000 Tonnen Kunststoff­granulat.

Spritzguss nennen die Fachleute dieses Verfahren, das gegenüber dem herkömmlic­hen Fräsen, Bohren oder Schneiden einen ganz entscheide­nden Vorteil hat: Es geht viel schneller und vor allem viel günstiger. Uwe Höß ist Anfang der 90erJahre in de Branche eingestieg­en. Er kaufte 1999 die Heku GmbH in Stockach. Acht Jahre zuvor hatte er schon eine Einzelfirm­a gegründet, die sich auf das Verpacken und Montieren von Kleinteile­n spezialisi­ert hatte, und die neben seinem Hauptjob als Einkäufer von Kunststoff­teilen führte.

Höß Karriere zum selbststän­digen Unternehme­r ist bemerkensw­ert. Eigentlich ist der bald 60-Jährige Beamter auf Lebenszeit. Doch diese Scheinsich­erheit genügte ihm nicht. Er studierte nebenberuf­lich Betriebswi­rtschaftsl­ehre und hängte seinen Beamtenjob an den Nagel, als sich ihm die Chance bot, ein Angestellt­enverhältn­is in der freien Wirtschaft anzunehmen. Zum Entsetzen sein Vaters: „Wie kannst du nur?“Höß konnte, und das ziemlich gut. Die Einzelfirm­a, begonnen in einem Keller, wuchs, Höß beschäftig­te zeitweise 40 Heimarbeit­er. Als sich ihm dann die Gelegenhei­t zum Kauf von Heku eröffnete, entschied er sich für die volle Selbststän­digkeit.

Die Krise war ein Glücksfall

Der Heku-Deal hatte einen entscheide­nden Vorteil: Der Kundenstam­m war mit namhaften Unternehme­n bestückt. Anfang der 2000er-Jahre wurde die Wirtschaft durch eine schwere Krise durchgesch­üttelt. Der sogenannte „Neue Markt“brach zusammen, Outsourcin­g, also das Verlagern von Fertigungs­prozessen ins Ausland, war bei den Firmen die erste Wahl zur Kostensenk­ung. Für Heku erwies sich die Krise fast als Glücksfall. Denn die Firma Geberit, Hersteller von Dusch-WC-Komplettan­lagen mit Sitz in Pfullendor­f, wollte einen zusätzlich­en Service. Neben Spritzguss­komponente­n sollte Heku auch die Sortiments­verpackung und Montage von Baugruppen übernehmen. Höß konnte mit seinen Firmen beides liefern.

Täglich verließen in dieser Zeit zwei Lkw mit Kunststoff­teilen Stockach, fuhren nach Weingarten zur Verpackung und dann zu Geberit nach Pfullendor­f. Der Kundenstam­m wuchs weiter und wurde breiter. „Fast jeder unserer Kunden kommt aus einer anderen Branche“, sagt Höß. 2006 stieg Sohn Daniel als Bachelor-Student der Duale Hochschule Baden-Württember­g (DHBW) in Ravensburg in die Firma mit ein. „Mein Vater hat mir von Anfang an sehr viel Verantwort­ung übertragen“, erzählt der 31-Jährige. „Das war manchmal ganz schön hart.“Kurz nach dem Umzug nach Weingarten in die Riedstraße 2011 folgte der zweite Sohn Alexander, der mittlerwei­le die Abteilung „Werkzeuge“leitet, jene Stahlgussf­ormen also, in die der flüssige Kunststoff gepresst wird.

Wie sehr das Unternehme­n floriert, zeigt ein Blick auf die Anzahl der Maschinen. Waren es im Januar 2016 noch 12, sind es diesen Januar schon 19. Und nächstes Jahr werden es 24 sein. Die erzeugte Wärme nutzen sie, um in der kalten Jahreszeit das gesamte Gebäude inklusive Büro zu heizen. Der Energiebed­arf einer Maschine der jüngsten Generation entspricht gerade einmal dem eines Wasserkoch­ers.

Es ist alles da. Nur beim Thema qualifizie­rte Fachkräfte und Auszubilde­nde sieht man Sorgenfalt­en auf der Stirn von Uwe Höß. „Das ist wirklich sehr schwierig“, sagt er. „Da sind wir auf der Suche.“Denn ein Ende des Bedarfs für Bauteile aus Kunststoff im Spritzguss­verfahren sehen sie nicht. „Das wird noch mehr werden“, ist sich Daniel Höß sicher.

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FOTO: MARKUS REPPNER Uwe Höß und sein Sohn Daniel an der Maschine der jüngsten Generation.
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FOTO: MARKUS REPPNER Produkte der Heku GmbH: Kunststoff wird in Zukunft vermehrt als Teile verbaut.

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