Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Aus einem Guss
Weingartener Unternehmen Heku hat sich auf Spritzguss und Werkzeugbau spezialisiert
WEINGARTEN - In den metallenen Trichter ist graues Kunststoffgranulat gefüllt. Bei etwa 280 Grad schmilzt das Granulat. Mit einem Druck von 1500 Bar schießt die flüssige Masse durch eine Öffnung mit einem Durchmesser von zwei Millimetern in eine Stahlgussform.
Nach einer dreiviertel Sekunde ist die Form gefüllt und nach 15 bis 20 Sekunden Abkühlzeit ist der Griff einer tiermedizinischen Spritze fertig. Allein 750 000 dieser Teile fertigt die Heku GmbH pro Jahr. Nimmt man den gesamten Kundenbestand des Unternehmens, der hauptsächlich aus den Bereichen Sanitär, Elektrotechnik und eben Tiermedizin stammt, produziert das Weingartener Unternehmen circa 100 Millionen Teile jährlich und verarbeitet 1000 Tonnen Kunststoffgranulat.
Spritzguss nennen die Fachleute dieses Verfahren, das gegenüber dem herkömmlichen Fräsen, Bohren oder Schneiden einen ganz entscheidenden Vorteil hat: Es geht viel schneller und vor allem viel günstiger. Uwe Höß ist Anfang der 90erJahre in de Branche eingestiegen. Er kaufte 1999 die Heku GmbH in Stockach. Acht Jahre zuvor hatte er schon eine Einzelfirma gegründet, die sich auf das Verpacken und Montieren von Kleinteilen spezialisiert hatte, und die neben seinem Hauptjob als Einkäufer von Kunststoffteilen führte.
Höß Karriere zum selbstständigen Unternehmer ist bemerkenswert. Eigentlich ist der bald 60-Jährige Beamter auf Lebenszeit. Doch diese Scheinsicherheit genügte ihm nicht. Er studierte nebenberuflich Betriebswirtschaftslehre und hängte seinen Beamtenjob an den Nagel, als sich ihm die Chance bot, ein Angestelltenverhältnis in der freien Wirtschaft anzunehmen. Zum Entsetzen sein Vaters: „Wie kannst du nur?“Höß konnte, und das ziemlich gut. Die Einzelfirma, begonnen in einem Keller, wuchs, Höß beschäftigte zeitweise 40 Heimarbeiter. Als sich ihm dann die Gelegenheit zum Kauf von Heku eröffnete, entschied er sich für die volle Selbstständigkeit.
Die Krise war ein Glücksfall
Der Heku-Deal hatte einen entscheidenden Vorteil: Der Kundenstamm war mit namhaften Unternehmen bestückt. Anfang der 2000er-Jahre wurde die Wirtschaft durch eine schwere Krise durchgeschüttelt. Der sogenannte „Neue Markt“brach zusammen, Outsourcing, also das Verlagern von Fertigungsprozessen ins Ausland, war bei den Firmen die erste Wahl zur Kostensenkung. Für Heku erwies sich die Krise fast als Glücksfall. Denn die Firma Geberit, Hersteller von Dusch-WC-Komplettanlagen mit Sitz in Pfullendorf, wollte einen zusätzlichen Service. Neben Spritzgusskomponenten sollte Heku auch die Sortimentsverpackung und Montage von Baugruppen übernehmen. Höß konnte mit seinen Firmen beides liefern.
Täglich verließen in dieser Zeit zwei Lkw mit Kunststoffteilen Stockach, fuhren nach Weingarten zur Verpackung und dann zu Geberit nach Pfullendorf. Der Kundenstamm wuchs weiter und wurde breiter. „Fast jeder unserer Kunden kommt aus einer anderen Branche“, sagt Höß. 2006 stieg Sohn Daniel als Bachelor-Student der Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Ravensburg in die Firma mit ein. „Mein Vater hat mir von Anfang an sehr viel Verantwortung übertragen“, erzählt der 31-Jährige. „Das war manchmal ganz schön hart.“Kurz nach dem Umzug nach Weingarten in die Riedstraße 2011 folgte der zweite Sohn Alexander, der mittlerweile die Abteilung „Werkzeuge“leitet, jene Stahlgussformen also, in die der flüssige Kunststoff gepresst wird.
Wie sehr das Unternehmen floriert, zeigt ein Blick auf die Anzahl der Maschinen. Waren es im Januar 2016 noch 12, sind es diesen Januar schon 19. Und nächstes Jahr werden es 24 sein. Die erzeugte Wärme nutzen sie, um in der kalten Jahreszeit das gesamte Gebäude inklusive Büro zu heizen. Der Energiebedarf einer Maschine der jüngsten Generation entspricht gerade einmal dem eines Wasserkochers.
Es ist alles da. Nur beim Thema qualifizierte Fachkräfte und Auszubildende sieht man Sorgenfalten auf der Stirn von Uwe Höß. „Das ist wirklich sehr schwierig“, sagt er. „Da sind wir auf der Suche.“Denn ein Ende des Bedarfs für Bauteile aus Kunststoff im Spritzgussverfahren sehen sie nicht. „Das wird noch mehr werden“, ist sich Daniel Höß sicher.