Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kaufland nimmt einen neuen Anlauf
Unternehmen stellt erneute Bauvoranfrage – Stadt Wangen setzt jetzt auf Bebauungsplan
WANGEN - Nächste Runde im Kaufland-Streit: Der Einzelhandelskonzern hat eine neue Bauvoranfrage bei der Stadt eingereicht und darin die Verkaufsfläche eines geplanten Marktes am Wangener Bahndamm um zehn Prozent reduziert. Entsprechende Informationen der „Schwäbischen Zeitung“bestätigte das Unternehmen. Auch, dass das neuerliche Baugesuch bereits im August abgegeben wurde – und damit offenbar vor der jüngsten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH).
Kaufland begründet seinen erneuten Anlauf mit folgenden Worten: „Wangen ist aufgrund seiner Größe und Bedeutung für die Ansiedlung von Kaufland interessant. Es gibt eine große Nachfrage nach einer guten und modernen Einkaufsmöglichkeit mit attraktivem Lebensmittelsortiment und Frischeprodukten.“Diese wolle man den Wangenern „vor Ort in ihrer Nähe“bieten. Entsprechenden Bedarf schätzt der Konzern positiv ein. Immer wieder erreichten das Unternehmen Anfragen von Bürgern: „Wann kommt Kaufland nach Wangen?“
Weniger Verkaufsfläche geplant
Konkret erklärt Kaufland zum aktuellen Baugesuch: Die avisierte Verkaufsfläche innerhalb des Marktes soll um zehn Prozent unter der bisher angestrebten liegen. Bis dato war hierbei immer von rund 3000 Quadratmetern die Rede, jetzt wären es demnach 2700. Überdies will der Konzern die Flächenkapazitäten für die meist innerhalb der KauflandGebäude mit angesiedelten, zusätzlichen Ladenlokale um 60 Prozent kleiner fassen.
Ungeachtet zweier juristischer Niederlagen vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen im Jahr 2015 und jüngst in der Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof widerspricht das Unternehmen nach wie vor der städtischen Argumentation, ein Kauflandmarkt auf dem Gelände zwischen Zeppelinstraße, Ravensburger Straße, Bahnlinie und Gemeinschaftsunterkünften schade dem innerstädtischen Einzelhandel. „Wir sind davon überzeugt, dass die Stadt Wangen von einer KauflandAnsiedlung profitiert. Aufgrund unserer Erfahrungen und der bekannten Einzelhandelsanalysen wissen wir, dass noch mehr Wangener in Wangen einkaufen würden, wenn Kaufland sich dort ansiedelt.“Zudem argumentiert Kaufland mit gestalterischen Gesichtspunkten: „Außerdem würde die Brachfläche an einer stark frequentierten Hauptstraße durch ein baulich attraktives Gebäude aufgewertet.“
Die Stadt will in dem seit fünf Jahren andauernden Streit ebenfalls nicht nachgeben. Laut Oberbürgermeister Michael Lang werde die Bauvoranfrage in der Verwaltung bearbeitet. Dafür seien zuvor allerdings weitere, „ergänzende Unterlagen“nötig. Diese habe die Stadt bei Kaufland angefordert.
Konkret besteht die Stadt unter anderem auf einem neuen Gutachten, das auf der reduzierten Verkaufsfläche basiert. In diesem müsse Kaufland die aus seiner Sicht möglichen Auswirkungen auf den zentralen Einzelhandel nochmals darlegen. Außerdem baut die Stadt auf den in den vergangenen Jahren erarbeiteten und jetzt beschlussreifen Bebauungsplan „Zeppelinstraße“. Der Rathauschef kündigt an, dass der Plan im Herbst dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt werden soll. Lang lässt zudem durchblicken, dass es – angesichts der aus Sicht der Stadt fehlenden Unterlagen – vorher nichts mit einer Prüfung und Entscheidung über die Bauvoranfrage werden dürfte. Und mit dem angepeilten Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan gebe es nach städtischer Lesart eine neue Rechtsgrundlage. Diese schlösse, gemäß der Inhalte des Bebauungsplans, großflächigen Einzelhandel in dem Bereich aus.
Dass der seit Jahren vorbereitete Bebauungsplan Zeppelinstraße erst jetzt – nach den beiden Prozessen – beschlossen werden soll, begründet der Rathauschef mit zwei Aspekten: „Das war auch ein Stück weit Fairplay unsererseits gegenüber Kaufland.“Und: Obwohl man stets sicher gewesen sei, rechtlich richtig zu liegen, wollte die Stadt das mögliche Risiko von Schadenersatzforderungen des Konzerns ausschließen. Diese Gefahr hätte laut Lang bestanden, wenn der Bebauungsplan während der laufenden Prozesse Rechtskraft erlangt und der Konzern anschließend den Rechtsstreit gewonnen hätte – aber wegen des Bebauungsplans doch nicht hätte bauen dürfen.
Kaufland begründet seinen aktuellen Vorstoß rechtlich mit dem Paragrafen 34 des Baugesetzbuchs – und stützt sich damit genau auf jenen Passus, mit dem die Stadt juristisch zweimal erfolgreich war. Er behandelt die „Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“. Konkret heißt es in Absatz 3: „Von Vorhaben (...) dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.“
Kaufland beruft sich auf Baugesetz
Dass sie dies im Fall Kaufland doch sind, bestätigten sowohl Sigmaringer als auch Mannheimer Richter. Jetzt sagt das Unternehmen: „Durch die Reduzierung der Verkaufsflächen sehen wir in jedem Fall auch die Bedingungen des § 34 Abs. 3 BauGB als erfüllt an.“Zumal das Sortiment „in Breite und Tiefe“angepasst werde.
OB Lang glaubt indes, dass der Paragraf 34 bei der weiteren Auseinandersetzung nicht weiter wesentlich sei: Er käme nur zum Zuge, wenn es keinen Bebauungsplan gebe. Aber genau diesen will die Stadt jetzt unter Dach und Fach bringen. Ungeachtet der neuen Wendung in dem Dauerstreit, bliebe Kaufland noch der Weg der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim. Im Kern müsste diese formaljuristisch begründet werden. Ob das Unternehmen dieses Rechtsmittel einlegen will, ließ es auf SZ-Anfrage unbeantwortet.