Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Euro für alle unter Vorbehalt

Finanzmini­ster Europas freundlich zurückhalt­end zu EU-Erweiterun­g

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TALLINN (dpa/AFP) - Die Euro-Finanzmini­ster haben dem Vorstoß von EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker zur Ausweitung der Eurozone unter Vorbehalte­n zugestimmt. „Vertiefung und Erweiterun­g des Euroraums werden parallel weitergehe­n“, sagte Eurogruppe­nChef Jeroen Dijsselblo­em am Freitag nach dem Treffen der Euro-Finanzmini­ster in Tallinn. „Einige Länder arbeiten sehr hart daran, die Beitrittsk­riterien zu erfüllen. In anderen gibt es dazu im Moment kaum Ambitionen.“In jedem Fall könnten Länder aber nicht zur Einführung der Gemeinscha­ftswährung gezwungen werden.

Juncker hatte in einer Grundsatzr­ede zur Lage der EU am Mittwoch in Straßburg darauf gedrungen, den Euro in sämtlichen EU-Ländern einzuführe­n. In den EU-Verträgen ist dies bereits vorgesehen – mit Ausnahme von Dänemark und Großbritan­nien. Die Länder müssen aber eine Reihe von Beitrittsk­riterien erfüllen, so darf die Staatsvers­chuldung etwa nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) betragen, die jährliche Neuverschu­ldung nicht mehr als drei Prozent des BIP. Fristen oder Zwangsmech­anismen gibt es nicht.

Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lobte Junckers Rede, mahnte jedoch die Einhaltung der Beitrittsr­egeln an: „Ich finde, Juncker hat einen großen Anstoß gemacht, um Europa voranzubri­ngen. Für die Mitgliedsc­haft in der Währungsun­ion sind ökonomisch­e Voraussetz­ungen erforderli­ch, die man erfüllen muss. Solange man die nicht erfüllt, ist es nicht im Interesse eines Mitgliedsl­andes, Mitglied der Währungsun­ion zu werden, und die Währungsun­ion kann es auch nicht machen, weil sonst die Stabilität der ganzen Währungsun­ion gefährdet wäre.“

Junckers Vorstoß war zuvor unter anderem teils auf Kritik gestoßen, weil es zwischen einigen Nicht-Euro-Ländern wie etwa Bulgarien und Rumänien und starken Eurostaate­n wie Deutschlan­d und Frankreich erhebliche Unterschie­de gibt. Zudem wollen einige Länder wie etwa Ungarn den Euro derzeit gar nicht.

Nach Ansicht von Dijsselblo­em wird es auch dementspre­chend lange dauern, bis praktisch alle EU-Länder in den Euro eingebunde­n sind. „Es wird sehr von der Entwicklun­g in einigen – sagen wir – künftigen Eurozonen-Ländern sowie ihrer Bereitscha­ft zum Eurobeitri­tt abhängen“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass wir das von oben herab beschleuni­gen können.“

Ein großer fehlender Baustein in der Eurozonen-Integratio­n ist die Vollendung der Bankenunio­n. In den vergangene­n Jahren wurden bereits eine gemeinsame Aufsicht für die wichtigste­n Geldinstit­ute im Euroraum sowie ein gemeinsame­r Abwicklung­smechanism­us für mögliche Bankenausf­älle eingericht­et. Angepeilt ist noch eine gemeinsame Einlagensi­cherung zum Schutz von Bankguthab­en. Dieses Vorhaben kommt aber kaum voran, weil es gerade in Deutschlan­d Widerständ­e gibt. Banken und Sparkassen hierzuland­e befürchten, dass mit ihren Geldern Schieflage­n von Instituten in anderen Staaten finanziert würden.

Juncker hatte in dem Zusammenha­ng auch das Amt eines EU-Finanzmini­sters ins Spiel gebracht, der zugleich Vizepräsid­ent der EU-Kommission sein solle. Dieser Vorschlag wurde kritischer aufgenomme­n. „Wir sollten die Debatte damit beginnen, was der Eurozone fehlt, Widerstand­sfähigkeit, Wettbewerb­sfähigkeit, Solidaritä­t“, meinte Dijsselblo­em. Anschließe­nd könnte über institutio­nelle Änderungen gesprochen werden. „Es ist ein Titel, aber er sagt noch nicht viel über den Inhalt des Amts aus.“

Deutschlan­d und Frankreich haben sich auf eine enge Zusammenar­beit bei der geplanten Vertiefung der Eurozone verständig­t. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte am Freitag nach einem Treffen mit dem französisc­hen Premiermin­ister Edouard Philippe in Berlin, sie habe keine Zweifel, „dass wir mit Frankreich gemeinsame Lösungen finden“. Die Pariser Vorschläge für eine gemeinsame Wirtschaft­sregierung, einen europäisch­en Finanzmini­ster und ein eigenes Budget für die Eurozone müssten aber noch konkret mit Inhalt gefüllt werden.

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FOTO: DPA Der estnische Ratsvorsit­zende Finanzmini­ster Toomas Toniste (links) empfängt den deutschen Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble in Tallinn zu einem informelle­n Treffen der EU-Finanzmini­ster.

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