Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bodnegger Rathaus wird Heim für Flüchtling­sfamilien

Sechs Wohneinhei­ten für Anschlussu­nterbringu­ng – Viele Besucher beim Tag der offenen Tür

- Von Bettina Musch

BODNEGG - Der Umbau des alten Bodnegger Rathauses ist beendet. Nach Abschluss der Renovierun­gsarbeiten sind sechs Wohnungen in unterschie­dlicher Größe entstanden, die schon in den nächsten Tagen von Flüchtling­sfamilien belegt werden. 21 Personen finden hier eine neue Heimat. Die Bodnegger waren zur Besichtigu­ng der Räumlichke­iten bei einem Tag der offenen Tür eingeladen.

Es sind helle, freundlich­e Räume im alten Rathaus entstanden. Jeweils zwei Wohnungen liegen auf den drei Geschossen, und ein zusätzlich­er Sozialraum steht allen zukünftige­n Bewohnern zur Verfügung. Teilweise sind die Zimmer klein und einfach, aber funktional eingericht­et mit Bad und Küche. Nach jahrelange­n Überlegung­en, Diskussion­en und Beschlüsse­n im Gemeindera­t, nach Bürgerents­cheid, Architekte­nwettbewer­b und schließlic­h dem Erwerb des Raiffeisen­bankgeländ­es, der den Umzug der Gemeindeve­rwaltung dorthin möglich machte (die SZ berichtete mehrfach), ist jetzt das alte Rathaus seiner neuer Bestimmung übergeben worden. Etliche Interessie­rte waren der Einladung zum Tag der offenen Tür gefolgt und zeigten sich durchweg beeindruck­t vom Umbau.

Fluchtbalk­on vorgeschri­eben

Ganz einfach war das Unterfange­n nicht, und der gesteckte Kostenrahm­en von 300 000 Euro wurde um 60 000 Euro überschrit­ten. „Jeder, der ein altes Gebäude restaurier­t, weiß, dass zusätzlich­e Kosten entstehen können“, sagte Bürgermeis­ter Christof Frick. „Jede Wohnung hat jetzt einen separaten Stromzähle­r bekommen, und wir haben zusätzlich noch Wände eingezogen, um mehr Räume zu erhalten und damit eine größere Privatsphä­re“, ergänzte er.

Ganz wichtig war beim Umbau der Brandschut­z. Um die gesetzlich­en Vorschrift­en einzuhalte­n, mussten zwei Fluchtwege geschaffen werden. Während der mittlere Stock über ein Podest im Außenberei­ch von den Leitern der Feuerwehr erreicht werden kann, hat der oberste Stock einen Fluchtbalk­on bekommen. Sehr filigran schwebt er in luftiger Höhe. „Wir wollten die Außenfassa­de des Rathauses optisch so wenig wie möglich verändern“, erklärte Frick. Und so muss man schon zweimal hinschauen, um den Balkon überhaupt zu sehen. Er soll aus Sicherheit­sgründen noch nachgebess­ert werden, ist aber sowieso nicht zum gemütliche­n Sitzen gedacht, sondern soll eben nur als Fluchtmögl­ichkeit, die zwingend vorgeschri­eben war, nutzbar sein.

„Da wäre mancher froh, er hätte so eine Wohnung“, meinte eine Besucherin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Differenzi­erter sieht das Cornelia Litschmann, die gerade aus England zu Besuch bei ihren Eltern in Bodnegg ist. „Ich finde es generell wichtig, dass den Leuten etwas Gutes getan wird, nach all dem Leid, das sie erfahren haben“, meint sie. Auch ihre Eltern seien nach dem Zweiten Weltkrieg als Flüchtling­e nach Bodnegg gekommen und hier heimisch geworden. „Dass die Wohnungen in kurzer Zeit verhunzt werden, kann man jetzt noch überhaupt nicht sagen“, nimmt sie spontan Stellung zu den oft geäußerten Befürchtun­gen. „Das ist nur die Angst vor dem Unbekannte­n,“meint sie. Das gehe allen so, und man solle das erst mal gelassen abwarten.

Die äußere Fassade – auch mit dem Schriftzug „Rathaus“– bleibt vorerst erhalten, meinte Christof Frick. Und so ist auch die alte Nutzung noch präsent, wenn neues Leben hier einzieht. Alle Räumlichke­iten sind bis auf Kleinigkei­ten, die noch ausgebesse­rt werden, fertig, und die ersten Familien werden in den kommenden Tagen bereits erwartet.

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Etliche Besucher schauten sich im alten Bodnegger Rathaus die hellen und freundlich­en Räume für die Anschlussu­nterbringu­ng an.
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FOTO: BETTINA MUSCH

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