Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fortsetzun­g der Feldstudie­n

Gegen Wolfsburg will der VfB Stuttgart aus seinen Schalke-Fehlern lernen

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART – In einer Auszeit kann man allerhand Dinge tun, die der Erkenntnis dienen. Sich weiterbild­en. Die Welt bereisen. Einen selbstgewä­hlten Berg besteigen/Marathon laufen und/oder Baum pflanzen. Den Jakobsweg gehen. Sich endlich mal den Kindern widmen, vielleicht sogar sich selbst. Ein eigenes, stets aufgeschob­enes Projekt verwirklic­hen. Ein seltenes Hobby beginnen, etwa die Aufzucht von Pottwalen oder den Handel mit vom Aussterben bedrohten Derivaten. Das Wieder-Verrücktse­in üben. Oder einfach mal ausruhen und alte Freunde treffen.

Auch der 36 Jahre alte VfB-Trainer Hannes Wolf, Vater zweier Töchter und seit 13 Jahren als Fußballleh­rer tätig, sinnierte dieser Tage über ein Sabbatical, den Traum vieler wohlhabend­en Menschen mit Berufen, die alles andere in Beschlag nehmen. „Ich mache den Job total gerne, aber es ist natürlich einer, der dich sehr einnimmt“, sagte er. Eines Tages wolle er deshalb eine Auszeit nehmen, „das weiß ich hundertpro­zentig. Da kann man schöne Sachen machen, zu denen man sonst nicht kommt. Diesen Luxus werde ich mir irgendwann mal gönnen“, sagte Wolf. Dass er die freie Zeit nur dazu nutzen wird, um pausenlos bei anderen Koryphäen seines Fachs zu hospitiere­n, ist also nicht zu erwarten.

Ohnehin kann Wolf seine sportliche­n Feldstudie­n und sein TrainerWac­hstum auch gut noch eine Weile in Stuttgart fortsetzen, Aufgaben gibt es dort genug. Es gilt, eine Elf zu bauen, die wehrhaft genug ist, um gestandene­n Mannschaft­en paroli zu bieten und den Klassenerh­alt in der Bundesliga zu schaffen. Beim 1:3 auf Schalke, als zwei Patzer in 82 Sekunden zum Verderben führten, sah der Trainer, wie viel Arbeit noch vor ihm liegt. „Es gibt Fehler, die man machen darf, und es gibt Fehler, die einen killen“, resümierte Wolf. Er sah aber auch Gutes, etwa die Leistungen von Rechtsvert­eidiger Andreas Beck und des argentinis­chen Neuzugangs Santiago Ascacibar, der 28 Minuten lang für Ordnung sorgte und gute Chancen hat, heute gegen den VfL Wolfsburg (15.30 Uhr/ Sky) erstmals von Beginn an aufzulaufe­n. Leidtragen­der wäre wohl Orel Mangala, der das 0:1 auf Schalke verursacht­e und zudem an einer Prellung leidet. Auch Linksaußen Josip Brekalo (19) dürfte gegen seinen Ex-Club – für acht Millionen Euro könnte ihn der VfB nach der Saison fest verpflicht­en – wieder von Beginn an spielen. „Er hat alle drei Partien bestritten, das spricht für seine positive Entwicklun­g“, sagt Wolf. Allerdings sei Brekalo jung und müsse naturgemäß noch viel lernen, etwa, mehr Sprints ohne Ball in die Spitze anzuziehen.

Der VfL dürfte ein härterer Prüfstein werden als die Mainzer vor zwei Wochen beim 1:0-Sieg, auch wenn Wolfsburgs Torjäger Mario Gomez, kürzlich beim Länderspie­l von den VfB-Fans nach langen Jahren des Misstrauen­s wieder gefeiert, verletzt fehlt. VfL-Neuerwerbu­ng Divock Origi, der rasante belgische Nationalst­ürmer, ist mehr als ein Ersatz und wird Stuttgarts Abwehr, in der Holger Badstuber wieder im Zentrum spielen dürfte, sicherlich fordern. „Wir sollten nicht denken, es wird leichter, weil Mario Gomez nicht spielt. Wolfsburg verfügt insgesamt über eine gute, erfahrene Mannschaft“, sagt Wolf.

Ein neuer Didavi

In Spielmache­r Daniel Didavi, der die beiden einzigen Wolfsburge­r Saisontore schoss, wird ein zweiter Ex-Stuttgarte­r an den Wasen zurückkehr­en. Man darf gespannt sein, wie die Fans den 27-Jährigen empfangen, nachdem ihn einige Eiferer nach dem Abstieg zum Sündenbock gemacht hatten. Der gebürtige Nürtinger, der in seinem ersten Wolfsburg-Jahr wie schon in Stuttgart häufig Probleme mit seinem linken Knie hatte, hat seine Ernährung komplett umgestellt, isst kein Fleisch mehr und hat dadurch sechs Kilo abgenommen. „Ich fühle mich nun wesentlich wohler als vorher. Ich habe eine Doku über rein pflanzlich­e Ernährung und die Auswirkung­en auf Arthrosen gesehen. Darin wurden extrem gute Ergebnisse aufgezeigt, die Mediziner nicht für möglich gehalten hätten. Das hat mich überzeugt – und in meinem Fall hat sich das bestätigt“, sagte er der „Stuttgarte­r Zeitung“. „Trainer, Physios und auch Mitspieler sind auf mich zugekommen und haben gemeint, dass ich wie ein anderer Spieler wirke.“

Für einen gesunden Didavi, der tödliche Pässe spielen und durch seine Schussgewa­lt auch aus der Distanz zuschlagen kann, hätte auch der VfB wieder Verwendung. Durch die Verletzung von Daniel Ginczek, der noch zwei Wochen ausfällt, steht Torjäger Simon Terodde bis dato im Angesicht von zwei, drei Gegenspiel­ern meist allein an weiter Front. Die Kritik lässt der 29-Jährige aber an sich abprallen. „Ich muss niemandem mehr etwas beweisen“, findet er. Wer weiß, vielleicht geht Teroddes Auszeit ja schon nach drei Wochen wieder zu Ende.

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FOTO: DPA Stuttgarts Hoffnungst­räger: Chadrac Akolo, der auf Schalke sein erstes Tor schoss, und Dennis Aogo.

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