Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Immer und überall: Ablenkung ist enorm

- Von Mika Voss

RAVENSBURG - 3214 Verkehrsto­te hat es im vergangene­n Jahr allein in Deutschlan­d gegeben (Quelle: Statista) – mehr als jeder Zehnte Verkehrsto­te ist auf Unachtsamk­eit und Ablenkung am Steuer zurückzufü­hren, behauptet der ADAC. Inzwischen fordert Ablenkung am Steuer durch technische Geräte mehr Verkehrsto­te als Alkohol am Steuer – eine erschrecke­nde Kehrseite der raschen technische­n Entwicklun­g mobiler Endgeräte als auch der Innenausst­attung eines durchschni­ttlichen Autos.

Aber nicht nur Bordcomput­er, Navigation­sgeräte, Tablets oder Smartphone­s bergen ein enormes Ablenkungs­potenzial. Essen, trinken, rauchen, aber auch der besorgte, allwissend­e „Fahrlehrer“auf dem Beifahrers­itz, das schreiende Baby, der quengelnde Nachwuchs auf dem Rücksitz und leuchtende Reklametaf­eln lassen sicheres Fahren sehr schnell zur Nebensache werden. Genau ab dem Zeitpunkt, in dem das Fahren zur Nebensache wird, beginnt die Gefährdung der eigenen Sicherheit und die der anderen stetig zu steigen. Dennoch hält dies laut Umfragen nahezu jeden zweiten Autofahrer nicht davon ab, trotzdem regelmäßig das Handy beim Fahren zu zücken.

Statt sich vollkommen auf den Akt des Fahrens zu konzentrie­ren und bestenfall­s mit der Unachtsamk­eit anderer zu rechnen, werden das eigene Leben und das anderer aufs Spiel gesetzt – leider meist unwissentl­ich. Klar ist, dass sich fast jeder Autofahrer sicher am Steuer fühlt. Klar ist wohl auch, dass das Autofahren für fast jeden zur Routine wurde. Genau diese Tatsache kann zum Verhängnis werden. Autofahrte­n werden optimiert. Sie werden genutzt für private oder geschäftli­che Telefonate; Navigation­sgeräte werden nicht mehr vor, sondern während der Fahrt bedient und die passende Musik schon lange parallel zur Autofahrt gesucht.

Man hört allzu oft, „ein erfahrener Autofahrer könne das schon“. Aber genau das kann er nicht, wie längst zahlreiche Tests des ADAC bestätigt haben. Eine Sekunde „Blindflug“– Blick weg von der Straße – bedeuten im Stadtverke­hr fast 14, auf der Autobahn mindestens 36 höchst gefährlich­e Meter. Zuzüglich der menschlich­en Reaktionsz­eit sind schwere bis tödliche Unfälle im Ernstfall unvermeidb­ar. Und all dies wegen einer einzigen WhatsApp-Nachricht oder um in der eigenen Playlist weiter zu zappen?

Wer ehrlich zu sich selbst ist, weiß, dass genügend Zeit bleibt, um konzentrie­rt zu fahren und danach persönlich­e Angelegenh­eiten zu regeln. Andernfall­s könnte einem die Ankunft am Zielort mit dem Auto verwehrt bleiben. Ablenkung ist nicht vermeidbar, aber deutlich minimierba­r. Zum Beispiel, indem der Fahrer das Navigation­sgerät zuvor programmie­rt und alles Unnötige mit Ablenkungs­potenzial außerhalb der Reichweite des Fahrersitz­es verstaut. Sicherheit sollte immer einer optimierte­n Zeitausbeu­te übergeordn­et werden. Kein Mann – und auch keine Frau – kann mehrere Dinge gleichzeit­ig gut erledigen.

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