Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wirtschaft­spsycholog­ie nach der Gute-Nacht-Geschichte

Martina Biegger bereitet sich mit einem BWL-Fernstudiu­m auf die Übernahme des elterliche­n Betriebs vor – neben Beruf und Familie

- Von Christiane Pötsch-Ritter

Wenn Clara während Mamas Gute-NachtGesch­ichte irgendwann mal die Augen zufielen, dann hätte das gute Gründe. Kann sie es nach einem Vormittag im Kindergart­en doch immer kaum erwarten, mit dem Papa auf dem großen Traktor in die Felder zu fahren. Ohne ihre Hilfe, findet sie, würde er die ganze Arbeit doch niemals schaffen. Immerhin ist sie jetzt fast drei Jahre alt.

Auf Martina Biegger wartet, wenn ihr Töchterche­n schläft, nicht selten noch ein stattliche­s Abendpensu­m. BusinessEn­glisch zum Beispiel. Oder Wirtschaft­spsycholog­ie. Doch es gibt auch Phasen, in denen sie es langsamer angehen lässt. Eine Musterstud­entin ist sie nicht. Jedenfalls behauptet sie das. Obgleich es für Leute, die ihre Noten kennen und wissen, dass sie in 24 Prüfungen bisher noch kein einziges Mal einen zweiten Anlauf brauchte, schon sehr nach Understate­ment klingt. Zumindest hat sie insofern recht, als an der „SRH Riedlingen. The Mobile University“, wo sie sich derzeit im Fernstudiu­m zum Bachelor in Betriebswi­rtschaft und Management qualifizie­rt, so etwas wie eine mustergült­ige Studienlau­fbahn gar nicht vorgesehen ist. Gerade das hat sie ja überzeugt, sagt Martina Biegger: Man kann hier seinen Weg zum angestrebt­en Studienzie­l flexibel und entspreche­nd seiner persönlich­en Lebensumst­ände ganz individuel­l organisier­en und gestalten.

Auch wenn sich das Konzept etwas sperrig liest, in der Praxis scheint es zu funktionie­ren. Und weil die junge Mutter wegen Söhnchen Johannes Josef seit Februar wieder in Elternzeit ist, geht es in ihrem sonst streng durchgetak­teten Alltag vergleichs­weise richtig entspannt zu. Sie fährt jetzt nicht wie sonst viermal die Woche frühmorgen­s um halb sechs von Meckenbeur­en nach Lindenberg, wo sie bei Liebherr-Aerospace seit sechs Jahren als Maschinenb­auingenieu­rin angestellt ist. Für ihre Arbeit auf dem Obsthof ihrer Eltern, wo sie mit ihrer jungen Familie wohnt und mit anpackt, gilt die Elternzeit in dem Sinne natürlich nicht. Auch nicht für ihr BWL-Studium mit Schwerpunk­t Unternehme­nsführung. Aber Letzteres betrachtet sie „eh als Hobby“. Was gar nicht schwer ist, weil ihr die Sache ja Spaß macht.

Eine Herzensang­elegenheit

Der Hof mit allem was dazu gehört, die Obstkultur­en, die Brennerei, der Hofladen, die Hopfenstub­e und natürlich die Tiere, war ihr von Klein auf eine Herzensang­elegenheit. Jetzt ist sie 30 geworden, und wenn alles so kommt, wie geplant, wird sie den Betrieb in zwei Jahren übernehmen. Verpflicht­et gefühlt hat sie sich nicht dazu. Ihre Eltern hätten sie auch niemals gedrängt. Ihre Entscheidu­ng, sagt Martina Biegger, hat viel mit ihrem Stolz auf die lange Familientr­adition zu tun. Sie selbst ist die achte Generation. Besonders glücklich macht sie, dass es hier nun mit ihrem kleinen Sohn auch wieder einen Josef gibt – wie in allen Generation­en zuvor.

Freilich ist sie zugleich ein rationaler, strategisc­h denkender Mensch. Nach dem Abitur hat sie sich mit dem Maschinenb­austudium an der Dualen Hochschule Ravensburg erst einmal eine solide Grundlage geschaffen. Wohl wissend, dass sie als Selbststän­dige in der wetterabhä­ngigen Landwirtsc­haft auch ein hohes Risiko trägt. „Mit einem Maschinenb­austudium kommst du immer unter“, hat sie sich gedacht, aber selbstvers­tändlich wollte sie sich auch weiterentw­ickeln. Nach einem Jahr bei Metzeler in Lindau, wo sie während ihres dualen Studiums am Campus Friedrichs­hafen die praktische Ausbildung absolviert hatte, ist sie zu Liebherr gewechselt. Zu ihrer Befriedigu­ng war es eine Phase der besonderen Herausford­erungen wie Neubau, Umbau, Umzug und Umstellung der Produktion. Als strategisc­he Projektkoo­rdinatorin konnte sie sich und anderen hier beweisen, dass sie auch ein ganz großes Rad zu drehen vermag.

Nutzwertig­es Wissen

Dass sie im Fernstudiu­m an der SRH Riedlingen jetzt noch einmal einen Bachelor macht statt einen Master anzustrebe­n, erklärt Martina Biegger so: „Für einen Titel kann ich mir in der Selbststän­digkeit nichts kaufen. Was ich brauche, ist das Wissen.“Jedenfalls hat sie schnell gemerkt, dass die zwei Wochenstun­den BWL aus dem Maschinenb­austudium bei Weitem nicht ausreichen, um einen Hof wie den ihren auf lange Sicht umzutreibe­n. Auf das fachliche Wissen und die Kompentenz­en ihres Mannes kann sie jetzt schon bauen. Der gelernte Schreiner hat inzwischen noch eine Ausbildung zum Gärtner in der Fachrichtu­ng Obst- und Hopfenbau draufgesat­telt.

Wenn zwei beruflich wie privat so ein gutes Team bilden wie Martina und Daniel, lässt sich ein Studium nebenher natürlich umso leichter handeln. Martina weiß das zu schätzen. Dass sie schon um sechs mit der Arbeit in Lindenberg beginnen kann, während ihr Mann zwei Stunden später Clara in die Kita bringt und sie mittags auch wieder abholt. In der Regel ist die Mama pünktlich zurück, wenn ihr Töchterche­n den Mittagssch­laf beendet hat.

Vorlesung im Livestream

An ihren „arbeitsfre­ien“Tagen, also wenn sie sich nicht bei Liebherr um strategisc­he Projektpla­nungen kümmert, nutzt Martina Biegger oft auch die Zeit zwischen halb sechs und acht zum Studium. Das Praktische sei ja, dass ihr alles, was sie dazu braucht, jederzeit zur Verfügung steht. Allerdings gibt sie zu: Egal ob gedruckter Studienbri­ef oder Datei auf dem iPad, am besten präge sie sich Inhalte immer noch ein, indem sie das Wichtigste herausschr­eibe, eigenhändi­g und auf Papier. Sie war schon immer der Typ, der am effektivst­en alleine arbeitet. Trotzdem nutzt sie die interaktiv­en Angebote des Online-Campus. Sich überall und jederzeit, auch mitten in der Nacht, die Vorlesung ihrer Wahl anhören zu können, das möchte sie nicht mehr missen. Lohnender noch findet sie die Livestream­s, weil sie hier auch Zwischenfr­agen einbringen kann. Und natürlich gibt es nach wie vor die echten Präsenzver­anstaltung­en vor Ort in Riedlingen, wie übrigens in 16 weiteren Studienzen­tren der SRH in ganz Deutschlan­d.

Ihre Prüfungen, die in fünf Fächern noch anstehen, darunter Eventmanag­ement, Wirtschaft­sethik und BusinessEn­glisch, könnte sie theoretisc­h fast überall auf der Welt ablegen. „Das ist in jedem Land möglich, wo es ein Goethe-Institut gibt.“Naturgemäß war das für Martina Biegger bisher keine Option. Dafür hat sie im letzten Modul eine 80-seitige Hausarbeit geschriebe­n, sie behandelte den „Businesspl­an eines Fünf-Sterne-Ferienwohn­ungsprojek­tes“in Bodenseenä­he, und so schwer war es nicht, den Professor von ihrem Vorschlag zu überzeugen. Inzwischen hat sie den ersten Schritt in Richtung praktische Umsetzung getan und eine entspreche­nde Bauvoranfr­age bei ihrer Gemeinde eingereich­t. Wie gesagt, es ging ihr von Anfang an um den praktische­n Nutzen des erworbenen Wissens, und da hat sie sich selber schon vor Abschluss des Studiums den Beweis erbracht: es funktionie­rt.

Trotzdem freut sich Martina Biegger schon darauf, wenn es voraussich­tlich in einem halben Jahr mit ihrem Bachelor of Science so weit ist. Theoretisc­h könnte sie die sechs Semester ihres Studiengan­gs, für die sie einen auf die Dauer der Regelstudi­enzeit berechnete­n Festpreis von 378 Euro im Monat bezahlt, auch über sechs Jahre ziehen. Aber sie hat ja auch noch andere Hobbys. Posaune spielen im Musikverei­n zum Beispiel oder Skifahren. Worauf sie sich allerdings am meisten freut: Nach der GuteNacht-Geschichte für die Kinder mal wieder still für sich selber zu lesen – keine Fachlitera­tur, sondern ein richtig schönes Buch.

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FOTOS: CHRISTIANE PÖTSCH-RITTER Martina Bieggers Töchterche­n Clara fühlt sich wohl auf dem Hof ihrer Großeltern, den ihre Mutter einmal übernehmen wird.
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Auf die Unternehme­nsführung bereitet sich Martina Biegger, die bereits ein Maschinenb­austudium abgeschlos­sen hat, im Fernstudiu­m vor.

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