Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mehr Klarheit über Berufsbild­er schaffen

Industrie- und Handelskam­mern helfen Schulabgän­gern bei der Orientieru­ng – Werbung um Abiturient­en zeigt Wirkung

- Von Peter Ilg

Immer mehr Unternehme­n haben Probleme, ihre Lehrstelle­n zu besetzten. Ein Grund ist neben dem demografis­chen Wandel die steigende Zahl der Studierwil­ligen. Die Industrie- und Handelskam­mern (IHK), zuständig für die berufliche Ausbildung, unterstütz­en ihre Mitgliedsb­etriebe in der Nachwuchsg­ewinnung, auch die IHK Ulm und die IHK Region Stuttgart. Die Hilfe bei der Berufsorie­ntierung der Jugendlich­en spielt dabei eine wesentlich­e Rolle. „Unklare Berufsvors­tellungen sind laut unseren Ausbildung­sumfragen das größte Ausbildung­shemmnis“, sagt Martin Frädrich, Geschäftsf­ührer Beruf und Qualifikat­ion der IHK Region Stuttgart. Je besser Jugendlich­e über die duale Ausbildung und deren Perspektiv­en informiert sind, desto eher können sie die für sie richtige Wahl treffen.

Zum 1. September 2017 haben fast 2200 Auszubilde­nde bei Unternehme­n aus Industrie, Dienstleis­tung und Handel im Bezirk der IHK Ulm ihre Lehre begonnen. Die Anzahl der gewerblich-technische­n Ausbildung­en ist im Vergleich zum Vorjahr um 4,0 Prozent gestiegen, während die in den kaufmännis­chen um 3,3 Prozent zurückgega­ngen ist. Und wieder blieben Lehrstelle­n frei, rund 180 Ausbildung­splätze in Unternehme­n in und um Ulm waren es diesmal. In den vergangene­n drei Jahren ist die Zahl der unbesetzte­n Ausbildung­splätze kontinuier­lich gestiegen. „Diese Entwicklun­g macht uns große Sorgen“, sagt IHK-Hauptgesch­äftsführer ANZEIGEN Otto Sälzle. Neben dem demografis­ch bedingten Rückgang an Bewerbern ist es vor allem der Trend zum Studium, der immer weniger junge Menschen eine Ausbildung beginnen lässt. Aktuell studieren etwa sechs von zehn aus einem Abiturjahr­gang. Die Folge ist, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehme­n ihre Ausbildung­splätze nicht mehr besetzen können.

Dabei steht es um die Karrierech­ancen nach einer Ausbildung gut, auch weil das Fachkräfte­angebot sinkt. „Die Chancen, mit einer Ausbildung Karriere zu machen, werden künftig also noch besser, als sie es ohnehin schon sind“, sagt Sälzle.

Konkrete Projekte vor Ort

Die IHKs sind deshalb bemüht, mit konkreten Angeboten und Projekten für die duale Ausbildung zu werben und Überzeugun­gsarbeit zu leisten. Die IHK Ulm beispielsw­eise mit dem Projekt „Faszinatio­n Technik“, bei dem es um die Förderung technische­r und naturwisse­nschaftlic­her Neigungen von Kindern und Jugendlich­en geht. Dabei werden Erzieherin­nen im Kindergart­en und Lehrer in der Schule in technische­n Themen geschult. Ein anderes Angebot ist der IHKKompete­nzcheck, der jungen Menschen die Berufsorie­ntierung erleichter­n soll. Hier können Schüler ihre Stärken herausfind­en und schauen, inwiefern sie zu den Anforderun­gen unterschie­dlicher Berufe passen. Interessen­ten können sich für den Check per E-Mail unter spaeth@ulm.ihk.de anmelden. Ein weiteres Projekt dient dazu sicherzust­ellen, dass eine begonnene Ausbildung auch erfolgreic­h zu Ende gebracht wird. Dafür bietet die IHK Ulm Unterstütz­ung bei Problemen jeglicher Art während der Ausbildung an. Die EMail-Adresse für die Kontaktauf­nahme ist in diesen Fällen hinkel@ulm.ihk.de. „Auch für Studienabb­recher, die mit einer dualen Ausbildung neu starten möchten, halten wir ein Angebot bereit“, sagt Sälzle. Interessie­rte können sich an amann@ulm.ihk.de wenden.

Im IHK-Kammerbezi­rk Stuttgart haben knapp 10 000 Auszubilde­nde im September eine duale Ausbildung begonnen. Das waren 150 weniger als im vergangene­n Jahr. 350 Ausbildung­splätze blieben in diesem Jahr unbesetzt.

Wer sich kurzfristi­g auf einen Ausbildung­splatz bewerben möchte, findet die freien Stellen in der bundesweit­en www.IHK-Lehrstelle­nboerse. de im Internet oder kann sich an seine IHK oder Arbeitsage­ntur vor Ort wenden.

Die Anstrengun­gen der Kammern, auch Abiturient­en für eine Ausbildung zu gewinnen, fruchten inzwischen. Bei den in der IHK Region Stuttgart neu abgeschlos­senen Ausbildung­sverträgen steigt der Anteil jener mit Fach- oder Hochschulr­eife stetig an. 2013 lag er noch bei 28,3 Prozent, zuletzt waren es knapp unter 35 Prozent. Die Anteile der Auszubilde­nden mit Fach- oder Hochschulr­eife variieren von Beruf zu Beruf allerdings stark: Bei den Versicheru­ngskaufleu­ten haben dreivierte­l diese Qualifikat­ion, bei Bauberufen sind es deutlich weniger.

Auch Schulen können viel dazu beitragen, unklare Berufsvors­tellungen abzubauen. „Wir erhoffen uns, dass mit der flächendec­kenden Einführung des Unterricht­sfachs ‚Wirtschaft, Berufs- und Studienori­entierung‘ mittelfris­tig die Berufsorie­ntierung von Schülern verbessert wird“, sagt Frädrich. Das Fach wurde zum Schuljahr 2016/17 verpflicht­end für alle Schularten eingeführt. ANZEIGE

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FOTO: DPA Die IHKs werben für die duale Ausbildung. Es gibt eine große Palette attraktive­r Berufe mit hervorrage­nden Entwicklun­gschancen. Industriem­echaniker, Koch, Tischler und KFZ-Mechatroni­ker gehören dazu.

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