Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mehrere Brüche bei VfB-Kapitän Gentner

VfB-Kapitän Christian Gentner erleidet viele Brüche im Gesicht, wird aber wieder gesund

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART (zak) - Christian Gentner, Kapitän des Bundesligi­sten VfB Stuttgart, erlitt beim 1:0-Heimsieg gegen Wolfsburg am Samstag eine Gehirnersc­hütterung sowie Frakturen des Augenhöhle­nbodens, der Nase und des Oberkiefer­s. Der 32-Jährige werde keine bleibenden Schäden davontrage­n, berichtete VfBTrainer Hannes Wolf nach Rücksprach­e mit den Ärzten. Gentner muss nach der Attacke von Gäste-Torhüter Koen Casteels operiert werden und fällt wochenlang aus.

STUTTGART - 85 Minuten waren am Samstag gespielt, als Wolfsburgs Torhüter Koen Casteels eine Flanke so abfangen wollte, wie er es als Kind gelernt hatte. Der 25-Jährige stürmte aus seinem Fünfmeterr­aum, sprang Richtung Ball, zog das linke Bein nach – und erwischte mit seinem Knie Stuttgarts Kapitän Christian Gentner mitten im Gesicht. Es war ein Frontalzus­ammenstoß, wie es ihn so nur beim Kickboxen oder bei nächtliche­n Unglücken auf Landstraße­n gibt, Gentner fiel zu Boden, war kurz ohnmächtig, Mannschaft­sarzt Raymond Best zog ihm die Zunge aus dem Hals und verhindert­e so Schlimmere­s. Gentner wurde mit einer Trage vom Platz getragen und sofort ins Krankenhau­s gebracht. Seine Kameraden überstande­n die siebenminü­tige Unterzahl – Trainer Hannes Wolf hatte bereits dreimal ausgewechs­elt – mit Bravour und brachten den 1:0 (1:0)-Sieg über die Zeit, doch das war am Ende sekundär.

Trainer Hannes Wolf stand der Schreck ins Gesicht geschriebe­n. „Die Minuten danach waren dramatisch. Wir wussten ja nicht, was los ist, wir hatten Riesenangs­t, dass das bleibende Schäden hinterläss­t. Wir stehen noch alle unter Schock und können uns nicht so über den Sieg freuen. Wir sind alle bei unserem Captain.“Die Fans in der Cannstatte­r Kurve riefen nicht wie üblich „Sieg“. Sie riefen: „Christian Gentner“.

Dreißig Minuten danach setzte kollektive Erleichter­ung ein. Gentner, das VfB-Urgestein aus Nürtingen, wird keine bleibenden Schäden davontrage­n. Seine Verletzung­en sind gleichwohl schwer. Der 32-Jährige erlitt diverse Knochenbrü­che im Gesicht, als da wären: der untere und seitliche Augenhöhle­nboden, Nasenbein und Oberkiefer. Gentner werde in den kommenden Tagen operiert. „Es ist eine sehr bittere Nachricht sowohl für ihn und seine Familie als auch für uns“, sagte Sportvorst­and Michael Reschke, „die wichtigste Nachricht ist aber, dass er wieder vollständi­g gesund wird.“

Der Zusammenst­oß habe „brutal“ausgesehen, so Reschke. Dass er ungeahndet blieb, der VfB keinen Elfmeter zugesproch­en und der bereits verwarnte Casteels weiterspie­len durfte, sei aber angesichts der Umstände „völlig uninteress­ant, wurscht“, so Reschke. Auch Trainer Wolf hatte sich nach dem Abpfiff einmal mehr als fairer Sportmann gezeigt. Schon auf dem Feld hatte kein Stuttgarte­r eine Rote Karte für Casteels gefordert, der Trainer sagte: „Casteels ist einfach groß, er kann unheimlich hoch springen. Ich kann mir unmöglich vorstellen, dass da Absicht dahinter steckt.“

Der Keeper selbst sagte, die Szene tue ihm unheimlich leid, aber er habe Gentner nicht gesehen, und im Eifer des Gefechts könne es passieren, dass einer zu Boden gehe, manchmal sei es auch der Torwart: „Von klein auf lernt man als Torhüter, dass man beim Hochspring­en das andere Bein nachzieht. Man müsste die komplette Torhüterau­sbildung ändern, wenn man das ändern will.“

Dass der VfB gewonnen hatte, erleichter­te und versachlic­hte die Debatte danach. Die Art, wie das zweite 1:0 im zweiten Ligaheimsp­iel zustande gekommmen war, machte Wolf glücklich. Der VfB spielte ungemein intensiv und war Wolfsburg in allen Attributen überlegen: Er kämpfte mehr, er lief mehr, er gewann mehr Zweikämpfe, vor allem aber spielte er mutiger nach vorn, „das hatte mir auf Schalke gefehlt“, sagte Wolf, der rundum zufrieden war. Auch mit seiner Dreierkett­e Baumgartl-PavardKami­nski, die wenig zuließ und „gesehen hat, dass sie zu null spielen kann – das ist wichtig fürs Selbstvert­rauen“.

Seine Jungspunde weiter vorne – Sechser Santiago Ascacibar (20) und Linksaußen Anastasios Donis (21), die erstmals von Beginn an spielten, sowie Chadrac Akolo (22) – ließen ohnehin nichts zu wünschen übrig.

Die Flankenläu­fe des pfeilschne­llen Donis sorgten zudem für permanente Gefahr, meist war Akolo der Adressat, so auch beim 1:0 (42.), als der Kongolese einen Abpraller Casteels’ technisch brillant verwertete und im zweiten Versuch einnetzte. Allerdings zog sich der Torschütze eine Zerrung zu, ob er am Dienstag beim Auswärtssp­iel in Mönchengla­dbach (18.30/Sky) mitwirken kann, ist fraglich.

Ebenso, ob die junge VfB-Mannschaft in den nächsten Wochen auch ohne ihren Kapitän siegen kann. Gentners mögliche Vertreter Orel Mangala und Dzenis Burnic sind beide 19, der VfB dürfte die nächsten Spiele das jüngste Mittelfeld der Liga haben.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Schon das Hinsehen schmerzt: Koen Casteels springt in VfB-Kapitän Christian Gentner, der zahlreiche Brüche im Gesicht erleidet.
FOTO: IMAGO Schon das Hinsehen schmerzt: Koen Casteels springt in VfB-Kapitän Christian Gentner, der zahlreiche Brüche im Gesicht erleidet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany