Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Albert Speer junior gestorben
Architekt Albert Speer junior im Alter von 83 Jahren gestorben
FRANKFURT (dpa) - Albert Speer junior ist tot. Wie erst jetzt bekannt wurde, starb der Architekt am Freitagabend im Alter von 83 Jahren in Frankfurt. Weltweit versuchte Speer, seine Philosophie von einer umweltgerechten Stadtplanung umzusetzen. Dem Schatten seines gleichnamigen Vaters, dem Chefarchitekten Adolf Hitlers, konnte er kaum entrinnen. Doch Speer junior stellte sich der Familiengeschichte.
FRANKFURT (dpa) - Die Stadt als lebenswerter Raum, umweltgerecht, nachhaltig. Das war ein Leitbild von Albert Speer junior. Er schaute nicht nur darauf, was gebaut werden sollte, sondern auch auf das, was nicht bebaut werden sollte: Freiräume zum Wohle von Menschen und Natur. Ein starker Kontrast zu seinem gleichnamigen Vater, Adolf Hitlers Lieblingsarchitekten, der wuchtige Kulissen aus Beton für das NS-Regime plante und baute. Albert Speer junior brachte es zum international bekannten Architekten, auf vielen Kontinenten hinterließ er Spuren – und konnte doch nie ganz dem Schatten seines Vaters entkommen. Mit 83 Jahren ist er am Freitag in Frankfurt gestorben.
Der gelernte Schreiner, 1934 in Berlin geboren, dachte schon früh groß. Er entwarf Masterpläne, konzipierte neue Städte für Hunderttausende. Das Credo des Visionärs: wohnen, arbeiten, einkaufen und Freizeit eng miteinander verzahnen. Speer schuf etwa eine Diplomatenstadt im saudi-arabischen Riad, Konzepte für die nigerianische Hauptstadt Abuja, einen Masterplan für die mit Bausünden übersäte Innenstadt Kölns, plante für die Weltausstellung „Expo 2000“in Hannover und war maßgeblich am riesigen Bauprojekt des Europaviertels auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in seiner Heimat Frankfurt beteiligt.
Nach oben ging es für Speer schnell, obwohl er nach eigener Aussage kein guter Schüler war, in der Schule eher riesige Probleme hatte und früher stotterte. Doch er überwand Hindernisse, holte das Abitur in einer Abendschule in München nach, bekämpfte sein Stottern, indem er sich gezielt Gesprächen aussetzte. 1964 gründete Speer ein eigenes Büro in Frankfurt. Nur zwei Jahre später gewann er den Deutschen Architektennachwuchspreis, wieder zwei Jahre später hatte er seinen ersten Auslandsauftrag in der Tasche: für die Regionalplanung von West-Tripolitanien in Libyen.
Sinnvolle statt prächtige Bauten
Wegen mancher Projekte im Ausland war Speer konfrontiert mit der Debatte, ob deutsche Architekten in diktatorisch regierten Staaten bauen sollten. Vor seinem 75. Geburtstag sagte er: „Wir sollten uns als Deutsche nicht anmaßen, anderen zu sagen, wie sie leben sollen.“Seiner Heimat attestierte er Schwerfälligkeit. „Wir sind nicht schnell genug im Umsetzen von Ideen.“Seinem Büro gehe es um sinnvolle Projekte, nicht um Prachtbauten für die Regierung – ein scharfer Gegensatz zum Vater, der „Generalbauinspektor“für den von Hitler erdachten Umbau Berlins zur Reichshauptstadt Germania war.
Diesem Teil seiner Familiengeschichte stellte sich Speer junior. So beteiligte er sich mit zwei weiteren seiner fünf Geschwister an Heinrich Breloers 2005 in der ARD ausgestrahltem, dreiteiligem Doku-Drama namens „Speer und Er“über den eigenen Vater als NS-Großbaumeister. Gleichwohl war er von den vielen Fragen zu seinem Vater wenig begeistert. „Immer werde ich nach meinem Vater gefragt, das nervt“, sagte er vor einigen Jahren der „Süddeutschen Zeitung“. Er habe sein ganzes Leben lang versucht, sich von seinem Vater abzugrenzen, sich zu distanzieren. Das sei soweit gegangen, dass er bewusst eine andere Unterschrift habe. „Mein Vater hatte eine prägnante Unterschrift, mit sehr spitzem, großen A. Meine Unterschrift ist das bewusste Gegenstück“, sagte er der „Süddeutschen“.
Die Ökologie im Blick
Die Grundideen des Juniors ziehen sich durch seine Projekte: den Flächenverbrauch kleinhalten, energieeffizient bauen. In seinem Buch „Die intelligente Stadt“von 1992 warb er für neue Strategien für Städte und einen intelligenten Umgang mit endlichen Ressourcen: „Wir dürfen nicht nur festlegen, wo gebaut wird. Wir müssen vielmehr bestimmen, wo nicht gebaut werden darf“, sagte er einmal. Siedlungen dürften sich nicht weiter ausbreiten wie Pfannkuchen. Bauen müsse möglichst ökologisch auf Menschen und Landschaften angepasst sein. Speer erkannte früh, wie bedeutend dies für Städte im internationalen Wettbewerb ist. Und er schaute über die Grenzen seiner Disziplin hinweg, arbeitete früh mit Soziologen zusammen.
Bis zuletzt war der mit der Schauspielerin Ingmar Zeisberg verheiratete Speer beruflich aktiv. Viel Energie verwandte er auch auf die Förderung des Architektur-Nachwuchses, gründete dafür 1995 die AlbertSpeer-Stiftung. Zudem hatte er viele Jahre lang einen Lehrstuhl für Stadtund Regionalplanung an der TU Kaiserslautern inne.
Persönliche Wohlfühlorte waren für Speer sein Ferienhaus am Riegsee im Voralpenland und Frankfurt, wo er seit 1960 lebte. Die Stadt am Main nannte er 2013 in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ein „Modell für die Welt“. Frankfurt könne mit seiner Kleinheit und gleichzeitigen Internationalität auftrumpfen. Das Fehlen von Prachtbauten sei im 21. Jahrhundert kein Makel. Nicht Bauten, sondern Kultur, Geschichte und Menschen prägten künftig die Städte.