Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sprache, Arbeit, Ehrenamt
Bei der Integration von Flüchtlingen gilt der Gmünder Weg als Vorbild – Angst vor jähem Ende bleibt
SCHWÄBISCH GMÜND (lsw) - Zwei Jahre in Deutschland, zwei Jahre voller Fragen und Unsicherheiten, Frustration und neuer Hoffnung: Ahmad Nawid Yosufi (32) aus Afghanistan und seine Frau Somaye Amiri (30) sind im November 2015 mit der Tochter Ahya (6) nach Deutschland geflüchtet. Den jungen Eltern wurde an ihrem neuen Wohnort Schwäbisch Gmünd vom ersten Tag an geholfen – so sieht es das Modell „Gmünder Weg“vor. In der Projektstelle für Integration und Flüchtlinge (PFIFF) sind sie Stammkunden. Ohne die Hilfe der Flüchtlingslotsen, sagen sie, wären sie in den zwei Jahren nicht so weit gekommen.
Beide sprechen schon gut Deutsch – die Tochter spricht noch besser, weil sie im Kindergarten schnell gelernt hat. Baby Heliya ist in Deutschland geboren. Inzwischen eröffnen sich erste berufliche Perspektiven. Sie, Ärztin, will eine Approbation in Deutschland erhalten. Er, ein Jurist, will hier ein duales Studium beginnen.
Schwäbisch Gmünd hat mit der Integration von Flüchtlingen bundesweit Schlagzeilen gemacht. Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) war 2013 in die Kritik geraten, weil er Flüchtlinge Koffer von Bahnreisenden wegen Bauarbeiten über eine Brücke tragen ließ. In Berichten war von Ausbeutung und Kolonialstil die Rede. Arnold begrub das Projekt, das vor allem als sinnvolle Beschäftigung gedacht war. Die Kofferträger gibt es nicht mehr. Aber die Idee der Integration durch Arbeit, Sprachkenntnisse und Ehrenamt hat die Stadt nicht aufgegeben.
Inzwischen gilt das Modell als Vorbild, der Städtetag lobt den Mut, Ideen zur Integration einfach auszuprobieren und das Ministerium für Soziales und Integration spricht von einem „umfassenden Integrationskonzept“.
Flüchtlinge werden in Schwäbisch Gmünd beraten und begleitet, um den besten Einstieg in das neue Leben zu ermöglichen. Die Beratung sei wichtig, damit sich Neuankömmlinge im Behördendschungel nicht verlieren. Auch die Agentur für Arbeit besitzt bei PFIFF ein Büro. „Arbeit zu bekommen, ist für viele Flüchtlinge gerade das wichtigste Element im Gmünder Weg“, sagt PFIFF-Mitarbeiter Stefan Kreß.
Mehr Spielräume gefordert
Das ist aber oft nicht einfach, besonders für Afghanen. Yosufi durfte aufgrund seiner Herkunft nicht an einem Kurs für das Sprachniveau C1 teilnehmen – selbst wenn die Stadt den Kurs bezahlt hätte. Somaye Amiri sagt über ihren Mann: „Er lag eine Woche lang im Bett und hat nicht gesprochen nach dieser Nachricht.“Jetzt bringt er sich die Inhalte zuhause selbst bei.
Gerade wegen solcher Erfahrungen will die Stadt ihrem Sprecher zufolge mehr Spielräume. Auch der Städtetag hält es für sinnvoll, wenn Kommunen bei Entscheidungen zur Flüchtlingspolitik eingebunden werden. „Schließlich leben die Menschen nicht auf Bundes- oder Landesebene, sondern in ihrer Stadt oder Gemeinde“, sagt eine Sprecherin. Die Integrationsarbeit wird vor Ort erschwert, wenn politisch entschieden wird, dass Menschen aus Afghanistan, Westafrika, aber auch aus Ländern wie dem Kosovo schlechte Bleibeperspektiven haben. Mit der wachsenden Angst sinke die Bereitschaft der Flüchtlinge zum Engagement, sagt Kreß. „Da wird vieles kaputt gemacht.“
Die Angst vor Abschiebung ist auch für die afghanische Familie riesig. Somaye Amiri sagt, dass sie in Afghanistan als Frau kein freies Leben führen und als Ärztin nur in bestimmten Bereichen arbeiten könne. Der Oberbürgermeister wünscht sich, dass einer Ärztin in Zeiten des Ärztemangels aktiv eine Bleibeperspektive gegeben wird.
„Wir brauchen nicht nur solche Arbeitskräfte, wir brauchen solche Menschen“, sagt Arnold über die Familie.