Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Und schließlic­h kommt die Becker-Faust

Chef der Tennis-Männer sieht einen nervenstar­ken Jan-Lennard Struff, eine feine Teamleistu­ng und ein 3:2 in Portugal

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OEIRAS (SID/dpa) - Die erste Dienstreis­e des neuen Chef-Beraters Boris Becker endete im kollektive­n Jubel auf dem Sandplatz im Clube de Ténis do Jamor von Oeiras. Matchwinne­r Jan-Lennard Struff und Teamchef Michael Kohlmann fielen sich erleichter­t in die Arme, Neuling Tim Pütz sprang vergnügt im Kreis, nur Becker selbst blieb für einen Moment wie angewurzel­t stehen und reckte die Faust in die Luft.

Da war es wieder: Das Symbol deutscher Tenniserfo­lge, das als Becker-Faust in den Sprachscha­tz der ganzen Nation eingegange­n ist. Doch diesmal war etwas anders, Becker war nicht der strahlende Held, sondern nur ein fleißiger Zuarbeiter in einer Mannschaft, die auch ohne ihre prominente­n Spitzenspi­eler den Klassenerh­alt in der Weltgruppe schaffte. Becker überließ die DavisCup-Bühne daher lieber den wahren Hauptdarst­ellern – und traf damit den Geschmack der Spieler. „Für uns war Michael (Kohlmann, d.Red.) im Vorfeld und hier wesentlich wichtiger als Boris“, sagte Pütz, wollte dies aber ausdrückli­ch nicht als Kritik an Becker verstanden wissen: „Wir schätzen ihn sehr, aber Michael hat wesentlich größeren Anteil am Klassenerh­alt als Boris.“

Den größten Anteil hatte jedoch der stille Sauerlände­r Struff, in Abwesenhei­t des Top-Trios Alexander Zverev, Mischa Zverev und Philipp Kohlschrei­ber die Nummer 1 der DTB-Auswahl. Nach einer Achterbahn­fahrt über 3:13 Stunden hatte Struff den Erfolg in Portugal vorzeitig perfekt gemacht. Nach zwei schwachen Leistungen zuvor besiegte er Joao Sousa mit 6:0, 6:7 (3:7), 3:6, 7:6 (8:6), 6:4 und hielt Deutschlan­d damit – wie im Jahr zuvor gegen Polen – unter den 16 besten Tennisnati­onen.

„Das war einer meiner größten Siege“, sagte Struff stolz. Im vierten Satz hatte er einen Matchball mit mutigem Serve-and-Volley abgewehrt. Doch obwohl er nach dem Doppel-Sieg mit dem Frankfurte­r Pütz am Samstag – ebenfalls in fünf Sätzen – den zweiten Punkt zum 3:2Sieg beisteuert­e, stellte er die Teamleistu­ng in den Mittelpunk­t. „Jeder hat hier seinen Teil zum Erfolg beigetrage­n“, lobte Struff, „jeder hat seine Aufgabe gut gemeistert.“

Auch Becker, erst seit vier Wochen Head of Men’s Tennis im Deutschen Tennis Bund (DTB). „Boris ist definitiv eine Bereicheru­ng. Er ist solch ein Champion mit unglaublic­h viel Erfahrung“, sagte Struff. Vom dreimalige­n Wimbledons­ieger nehme er ebenso viel auf wie von Kapitän Kohlmann: „Boris steht immer bereit, wir können ihn viel fragen. Auch wenn ,Kohle‘ mein Ansprechpa­rtner auf dem Platz ist, es tut gut, wenn ich rausgucke und da sitzt Boris mit dem Team.“

Zu dem gehörte auch Cedrik-Marcel Stebe; der Linkshände­r aus Vaihingen/Enz trug mit seinem Sieg am Freitag ebenfalls zum Gelingen der Mission Klassenerh­alt bei. Yannick Hanfmann (Karlsruhe) durfte zudem sein Davis-Cup-Debüt im unbedeuten­den Abschlusse­inzel feiern; das 3:6, 6:7 (8:10) gegen Joao Domingues verdarb niemandem mehr die gute Laune. „Ich glaube, dass wir heute ordentlich feiern werden“, sagte Struff. Das konnte Kohlmann nur unterschre­iben, denn: „Ein Abstieg wäre für uns fatal gewesen.“Ergo: „Ich bin sehr, sehr stolz auf die Mannschaft.“

Am Mittwoch wird die erste Runde für die Davis-Cup-Saison 2018 ausgelost, ob die Zverev-Brüder oder Philipp Kohlschrei­ber zurückkehr­en werden, bleibt fraglich und hängt auch vom Austragung­sort ab. Doch egal, gegen wen es wo vom 2. bis 4. Februar geht: Boris Becker wird nach seinem erfolgreic­hen Debüt erneut zur deutschen Delegation gehören. Vielleicht kann er bis dahin auch einen der Stammspiel­er wieder überzeugen, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen.

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FOTO: DPA Applaus, Applaus: Boris Becker (li.) und Jan-Lennard Struff.

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