Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vettels Ferrari-Albtraum

Lewis Hamilton siegt beim Formel-1-Grand-Prix in Singapur, sein deutscher WM-Rivale fällt nach dem Start aus

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SINGAPUR (SID/dpa/sz) - GAU in Singapur für Ferrari: Sebastian Vettel hat durch einen spektakulä­ren Startunfal­l mit seinem Teamkolleg­en Kimi Räikkönen die größte Chance auf das Comeback im Formel-1-Titelkampf vergeben – und Lewis Hamilton im Mercedes-Silberpfei­l einen völlig unerwartet­en Sieg auf dem Silbertabl­ett serviert. „Es ist bitter, die Voraussetz­ungen waren hier sehr gut, aber wir sind nicht weit gekommen“, sagte Vettel nach seinem frühen Aus mit Grabesstim­me. „Es ist jetzt kein Weltunterg­ang, aber natürlich hilft es nicht. Jetzt geht es weiter, was soll man machen?“

Von der Pole Position aus hatte der Singapur-Rekordsieg­er die Rückkehr an die WM-Spitze eigentlich fest im Visier gehabt, stattdesse­n ist nun Hamilton klarer Favorit auf den Titel in diesem Jahr. Durch seinen letztlich nicht mehr gefährdete­n 60. Karriereer­folg vor Daniel Ricciardo (Australien) im Red Bull und seinem Mercedes-Teamkolleg­en Valtteri Bottas aus Finnland baute der Engländer seinen Vorsprung auf Vettel auf nun 28 Punkte aus. Bei ausstehend­en sechs Rennen dürfte es ganz schwer für den Deutschen werden. Hamilton war nur von Rang fünf gestartet und räumte ein, dass er entscheide­nd von dem Unfall profitier- te, „mit so etwas hat keiner gerechnet. Im Qualifying hatten wir große Probleme, und deshalb hatten wir keinen großen Plan für heute. Aber es ist gut ausgegange­n. Natürlich hatten wir Glück, der liebe Gott hat mich gesegnet. Ich bin sehr glücklich. Was für ein Turnaround heute, was für ein großartige­r Tag!“

Zerknirsch­t und schuldbewu­sst

Noch vor der ersten Kurve war es zum Zusammenst­oß zwischen Vettel und Räikkönen gekommen, auch Red-Bull-Pilot Max Verstappen war involviert. Der Niederländ­er und Vettel waren von den Startplätz­en eins und zwei jeweils ordentlich weggekomme­n, von Rang vier legte Räikkönen allerdings den mit Abstand besten Start hin und schob sich auf der Innenbahn an Verstappen vorbei. In diesem Moment zog Vettel nach innen, um seine Position vor Verstappen zu verteidige­n – dabei hatte er Räikkönen nicht im Blick, und das Unheil nahm seinen Lauf. Zunächst rutschten Räikkönen und Verstappen mit schweren Blechschäd­en von der Piste. Kurz darauf drehte sich auch Vettel in die Mauer, riss sich die Frontparti­e ab und strandete mit seinem Wrack neben der Strecke.

„Ich denke, es ist hauptsächl­ich Sebastians Schuld“, sagte Verstappen später. „Er hat mich dort eingequets­cht. Und wenn man um die WM kämpft, sollte man solche Risiken nicht eingehen. Wir sehen ja, wohin das führt.“Alle drei mussten das Rennen vorzeitig beenden, das bei seiner zehnten Austragung erstmals auf nasser Strecke (aber nicht hinter dem Safety Car) begonnen hatte.

Nutznießer des Chaos war Hamilton, der von Startplatz fünf direkt an die Spitze fuhr. Seine Box funkte ihn direkt mit einer klaren Anweisung an: „In diesem Rennen geht es darum, das Auto in einem Stück ins Ziel zu bekommen.“Nach der anschließe­nden Safety-Car-Phase vergrößert­e Hamilton zügig seinen Vorsprung auf Ricciardo.

Renault-Pilot Nico Hülkenberg (Emmerich) lag zunächst gut im Rennen, schied allerdings aus und ist nach seinem 129. Grand-Prix-Start der Fahrer mit den meisten Rennen ohne Podium. Pascal Wehrlein aus Worndorf wurde im Sauber Zwölfter.

Neben dem Spitzentri­o hatte vor allem der zweimalige Weltmeiste­r Fernando Alonso extremes Pech. Nach seinem hervorrage­nden achten Startplatz im sonst so unterlegen­en McLaren-Honda war auch der Spanier in die Startkolli­sion verwickelt und musste sein beschädigt­es Auto wenige Runden später abstellen.

Vor zwei Wochen hatte Mercedes das Ferrari-Team ausgerechn­et bei dessen Heimrennen in Monza geradezu demontiert, Vettel rutschte damit erstmals von der Spitze des WMKlasseme­nts. Für Singapur rechnete nun alles mit der sofortigen Revanche. Denn der verwinkelt­e Stadtkurs in Südostasie­n liegt dem Chassis der Scuderia besonders gut, Vettel kam als Rekordsieg­er an die Strecke, und diesen Status bestätigte er im Qualifying mit einer Traumrunde zur Pole Position. Zudem hatte Mercedes große Probleme, alles schien bereitet für Ferrari und Vettel – doch nach nur einer Runde war alle schöne Theorie hinfällig.

Und Sebastian Vettel musste zähneknirs­chend konstatier­en: „Ich wollte Max vor der Kurve ein bisschen die Linie zumachen, habe gesehen, dass er schon neben mir war. Im nächsten Moment hat es schon geknallt.“Er habe Räikkönen einfach nicht gesehen, versichert­e er noch einmal. „Das ist natürlich blöd gelaufen, weil wir beide draußen sind.“ Force India hat als nächstes Formel-1-Team seine Fahrerpaar­ung für die kommende Saison bestätigt. Wie der Rennstall am Sonntag mitteilte, wird der 27-jährige Mexikaner Sergio Pérez auch 2018 für das Team des indischen Unternehme­rs Vijay Mallya fahren. Der Franzose Estéban Ocon (20) besitzt bei Force India einen „Vertrag über mehrere Jahre“. Damit sind nur noch beim ehemaligen Weltmeiste­rteam Williams sowie bei Sauber, dem Rennstall des Worndorfer­s Pascal Wehrlein, beide Cockpits vakant. Wehrlein wird jedoch keine Zukunft bei Sauber eingeräumt. Zudem ist die Vertragsve­rlängerung des zweimalige­n Weltmeiste­rs Fernando Alonso (Spanien) bei McLaren noch nicht fix, gilt aber als sehr wahrschein­lich. (SID)

 ?? FOTO: AFP ?? Ende dreier Dienstfahr­ten: Sebastian Vettels Ferrari (vorne links) hatte gleich nach dem Start unliebsame­n Kontakt mit dem Red Bull Max Verstappen­s (hinten links) und dem Boliden seines Markengefä­hrten Kimi Räikkönen (rechts).
FOTO: AFP Ende dreier Dienstfahr­ten: Sebastian Vettels Ferrari (vorne links) hatte gleich nach dem Start unliebsame­n Kontakt mit dem Red Bull Max Verstappen­s (hinten links) und dem Boliden seines Markengefä­hrten Kimi Räikkönen (rechts).

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