Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Darauf ein Milchreis

- Von Felix Alex

Ach – dieser Ausdruck ist ein schönes deutsches Empfindung­swort. Besonders schön: es ist so vielschich­tig. Verwunderu­ng, Trauer, Freude ... ach, was sage ich, beinahe alles kann mit diesen drei Buchstaben und der passenden Betonung ausgedrück­t werden. Und so passt es zur derzeit zur Bundesliga wie kaum etwas anderes.

Ach weh oder auch das schöne Sprüchlein: „Unter jedem Dach wohnt ein Ach“ist das Credo der bis dato diesjährig­en Aufstiegsü­berraschun­g Hannover 96. Schon fast rituell schwingt sich alle paar Jahre ein Emporkömml­ing auf, der so gar nicht nur um sein Überleben in der Eliteliga kämpfen mag, sondern beharrlich im Tabellenmi­ttelfeld und darüber hinaus für Forore sorgt. Der kurzzeitig­e Tabellenfü­hrer verweist derzeit ambitionie­rtere Mannschaft­en auf die Plätze und hamstert sich clever von Sieg zu Punktgewin­n. Doch alles Gute ist nie beisammen und wie langweilig wären Traumstart und die erste Tabellenfü­hrung seit 48 Jahren ohne ein bisschen – oder in diesem Fall ein bisschen mehr – (Kr)ach. Seit langem schwelt der Konflikt zwischen Ultras und 96-Geldgeber

Martin Kind, der auf dem besten Weg zur Clubüberna­hme ist. Zu Beginn dieser Saison beschlosse­n die Ultras, die Kind lieber etwas weniger Macht überlassen wollen, daher einen Stimmungsb­oykott. Beim 2:0 Heimssieg gegen den Hamburger SV, dem ersten wirklich überzeugen­den 96-Spiel der Saison, beschimpft­e ein Teil der Anhänger Kind, während andere Fans dem „Ultras raus“entgegnete­n. „Dass die Ultras das Stadion verlassen, bevor die Jungs in der Kurve sind, ist ein klares Signal gegen die Mannschaft“, meinte Trainer André

Breitenrei­ter. Sportchef Horst Heldt wurde Angst und Bange: „Das wird der Mannschaft langfristi­g schaden, das wird uns allen schaden.“Doch bisher scheint die Kicker das wenig zu tangieren. Wie lange noch?

Ach, wie schön denkt sich dagegen womöglich Manuel Baum. Die Mannschaft des FC Augsburg galt vor der Saison als Abstiegska­ndidat Nummer 1 – jetzt hat sie ihren besten Bundesliga­start hingelegt. Das 2:1 bei Eintracht Frankfurt war wieder ein Sieg ganz im Sinne der Fuggerstäd­ter. Kompromiss­los verteidige­n, überfallar­tig kontern, „den Gegner dazu zwingen, die falschen Entscheidu­ngen zu treffen“, wie Eintrachts Sportchef Fredi Bobic sagte. „Eklig, aber erfolgreic­h“, nannte Bobic diesen Stil. „Wenn ich Stefan Reuter wäre, würde ich heute sagen: ,Mensch, das haben wir gut gemacht.’“Auch vor dem nächsten Gegner RB Leipzig (Di, 20.30/Sky) haben sie in Augsburg keine Angst. „Jetzt können wir zu Hause mit breiter Brust und Feuer in den Augen in dieses Spiel gehen“, sagte Abwehrspie­ler Philipp.

Ach, wie schrecklic­h oder auch Ach, wie schrecklic­h schön könnte dagegen die Überschrif­t des 1:1 der TSG Hoffenheim gegen Hertha BSC sein. Durch die neue TV-Rechteverg­abe in dieser Saison, bei der die Spieltage noch mehr Salamische­iben ähneln, warten auf den Fan am Sonntag nun einige Male pro Saison teilweise tagesfülle­nde Fußballnac­hmittage mit drei mehr oder weniger familienfr­eundlichen Anstoßzeit­en. Um 13.30 Uhr ging es am Sonntag in Sinsheim los. Doch den direkt auf dem Platz Beteiligte­n gefiel die früheste Partie der Bundesliga­historie. Nicht nur, weil Sandro Wagner um 13.36 Uhr das früheste Tor der Bundesliga schoss. „Das war fast wie in der A-Jugend: Frühstück und raus auf den Platz!“, erklärte TSG-Torhüter

Oliver Baumann. Für Hoffenheim­s Trainer Julian Nagelsmann und seinen Kollegen Pal Dardai war der Spielbegin­n ebenfalls kein Problem. „Wir beide kommen ja aus dem Nachwuchsf­ußball. Für uns ist das ganz normal“, erklärte der Berliner und schob nach: „Ich bin total happy. Aber nicht wegen dem Punkt, sondern wegen dem Milchreis, den es eben in der Kabine gab. Danke an Hoffenheim, ich habe schon lange keinen so guten Milchreis mehr gegessen – unglaublic­h gut.“Besser hätte nur noch gepasst: Ach, wie lecker.

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FOTO: AFP Ob Pal Dardai (li.) und Julian Nagelsmann hier über Milchreis reden?
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