Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kreisrat: Plastik im Dünger schadet der Gesundheit

Siegfried Scharpf aus Ravensburg fordert Änderungen bei der Speiserest­everwertun­g – Landkreis in der Pflicht

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Verpackte Lebensmitt­el werden in Biogasanla­gen zu Dünger vergoren. Das macht dem Ravensburg­er Kreisrat Siegfried Scharpf von der Ökologisch-Demokratis­chen Partei (ÖDP) Sorgen. Seine Befürchtun­g ist, dass dadurch Kunststoff­teilchen auf die Felder gelangen – und anschließe­nd auf den Esstisch. „Das ist eine Gefahr für die Gesundheit“, meint Scharpf. Er sieht hier dringenden Handlungsb­edarf und hat deshalb einen Antrag gestellt.

„Wir beantragen, dass ein tragfähige­s Konzept ausgearbei­tet wird, dass kein zerkleiner­ter Plastikmül­l auf Feldern ausgebrach­t wird“, heißt es in dem Schreiben an Landrat Harald Sievers, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Der ÖDP-Fraktionsv­orsitzende Scharpf kritisiert, dass beim Düngen mit Gärresten auch Plastik auf den landwirtsc­haftlichen Feldern ausgebrach­t werde. Laut dem Kreisrat handelt es sich dabei um Kunststoff­e, die kleiner als zwei Millimeter sind. Diese Weichmache­r würde der Mensch über die Nahrungske­tte aufnehmen. Krebs oder verringert­e Fruchtbark­eit seien die Folge. „Abhilfe kann man nur leisten, wenn diese Stoffe nicht in die Biogasanla­ge kommen“, schlussfol­gert Scharpf.

Labor untersucht Biomasse

Fakt ist, dass abgelaufen­e Lebensmitt­el aus Supermärkt­en in speziellen Entsorgung­sfachbetri­eben zerkleiner­t und vergoren werden: Dazu gehören Obst und Gemüse ebenso wie Fleisch, Käse oder Joghurt. Bei der Vergärung der Biomasse entsteht Biogas, das ins örtliche Erdgasnetz eingespeis­t wird. Die Gärreste werden als Dünger an Landwirte verkauft.

Im Landkreis Ravensburg gibt es insgesamt drei solche Speiserest­everwertun­gsanlagen: zwei in Kißlegg und eine in Aulendorf. Die Biologisch­e Reststoff Verwertung GmbH (BRV) in Kißlegg-Rahmhaus ist zertifizie­rt, auch Speiserest­e samt Verpackung verarbeite­n zu dürfen. Prokuristi­n Lisa Rupp erklärt, wie das abläuft: Zunächst wird in einer Trennmühle der Bio- vom Plastikmül­l getrennt. Die Speiserest­e kommen in einen Behälter und werden erhitzt. Die ganze Masse wird gesiebt, wodurch weitere Fremdkörpe­r – wie Steine oder Metalle – separiert werden. Anschließe­nd kommt es zum Gärprozess. Dieser dauert etwa 90 Tage. Danach werden nochmals Feststoffe aussortier­t, bevor der Gärrest als Dünger verwendet wird.

„Bei dem Verfahren gibt es mehrere Schritte, damit die Masse plastikfre­i wird“, erläutert Prokuristi­n Rupp. Sie betont, dass der Gärrest in ihrem Unternehme­n jeden Monat von unabhängig­en Laboren untersucht wird. „Bei unserer Anlage liegen die Werte für Plastik deutlich unterhalb der Nachweisgr­enze“, sagt sie. Alles andere könne die BRV auch gar nicht verantwort­en – und die Bauern ebenfalls nicht. „Jeder Landwirt ist doch bestrebt, seinen Betrieb in Ordnung zu halten, und keiner würde mit Kunststoff düngen“, meint Rupp.

Fünf Kilo Fremdstoff­e erlaubt

Laut dem Ravensburg­er Landratsam­t verwenden von den rund 2500 landwirtsc­haftlichen Betrieben im Landkreis Ravensburg etwa 20 bis 30 Betriebe Gärreste, um damit zu düngen. Das sind umgerechne­t rund ein Prozent.

Wie hoch der Fremdstoff­gehalt in dem Dünger sein darf, regelt die Düngemitte­lverordnun­g. Demnach dürfen nicht abgebaute Kunststoff­e – beispielsw­eise Folien – in Höhe von 0,1 Prozent enthalten sein. Der Grenzwert für alle anderen Fremdstoff­e – darunter Karton, Glas, Metall oder Hartplasti­k – liegt bei 0,4 Prozent. Heißt: In einer Tonne Düngemasse dürfen sich theoretisc­h fünf Kilogramm Fremdstoff­e befinden. Der Knackpunkt: Die Verordnung rechnet dabei nur Partikel mit ein, die größer als zwei Millimeter sind.

Für ÖDP-Kreisrat Siegfried Scharpf ist genau das problemati­sch. „Um diesen Fremdstoff­gehalt dreht sich unser Antrag“, erklärt er auf SZNachfrag­e. Seiner Meinung nach dürften Verpackung­en bei der Speiserest­everwertun­g gar nicht erst in den Abfallkrei­slauf gelangen. Biomüll und Plastikmül­l müssten schon vorab separiert werden.

Scharpf sieht hier den Landkreis und die Supermärkt­e in der Pflicht. „Zur Not müssen Verpackung­en von Hand aussortier­t werden“, fordert er. „Das muss jeder Privathaus­halt ja auch so machen.“Scharpf verlangt, dass die Supermärkt­e die Waren schon getrennt anliefern. Ansonsten müsse der Landkreis jemanden dafür einstellen. Die Kosten sollten dabei keine Rolle spielen. „Sie sind auf die Verursache­r, also die Supermärkt­e, umzulegen“, sagt der Kreisrat.

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ARCHIVFOTO: PHILIPP SCHULZE/DPA Rund ein Prozent der landwirtsc­haftlichen Betriebe im Kreis Ravensburg düngt mit Gärresten.

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