Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verein: Eltern tragen Trennung auf dem Rücken der Kinder aus

Das Ravensburg­er Frauenhaus sieht keine Sonderstel­lung von Müttern – Kritik am Wechselmod­ell

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Der Ravensburg­er Verein Frauen und Kinder in Not, der das Frauen- und Kinderschu­tzhaus sowie die Beratungs- und Interventi­onsstelle betreibt, schaltet sich in die Diskussion um Trennungsf­amilien ein. Bei „hochstritt­igen Eltern“würde sich laut einer Stellungna­hme des Vereins die Seite durchsetze­n, die sich – unter anderem mithilfe von Rechtsanwä­lten – besser darstellen könne. Zum Teil würden Jugendamt und Gericht nicht rechtzeiti­g erkennen, dass die Kinder instrument­alisiert werden – „zum Beispiel, um weniger Unterhalt zahlen zu müssen oder den anderen Elternteil zur Verzweiflu­ng zu bringen“.

Anlass für die Diskussion (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete) waren Beschwerde­n über das Ravensburg­er Jugendamt. Mehrere Väter hatten die Behörde beschuldig­t, bei Trennungen und Scheidunge­n stets auf Seiten der Mütter zu stehen. Das Thema hatte daraufhin den Kreistag beschäftig­t. Auch der Ravensburg­er Familienre­chtler Berthold Traub glaubt, dass Väter „in der Realität in der Regel nichts zu melden haben“.

Wie der Verein Frauen und Kinder in Not aus eigener Erfahrung weiß, werde die Situation der Kinder noch schwierige­r, wenn häusliche Gewalt dazukommt. „In über 30 Jahren Expertise in den Einrichtun­gen von Frauen und Kinder in Not e.V. ist nicht zu erkennen, dass Mütter das Sagen haben“, formuliert Roswitha Elben-Zwirner, die Leiterin des Frauenhaus­es. „Zwar teilen wir die gängige Auffassung, dass ein Mann, der seine Frau schlägt, nicht immer ein schlechter Vater sein muss. Gleichzeit­ig gibt es Väter, die sehr schnell praktizier­te Umgangskon­takte nutzen, um ihre Kinder massiv unter Druck zu setzen.“Laut Elben-Zwirner sollte überprüft werden, inwieweit das Einfühlung­svermögen der Eltern ausreicht und ob sie ihre Kinder beeinfluss­en. Ihre Forderung: „Die Kinderschu­tzbehörde bräuchte mehr Ressourcen, um ihrem Auftrag besser gerecht zu werden.“

Die Frauenhaus-Leiterin berichtet weiter, dass von den vielen hundert Müttern, die der Verein schon begleitet habe, nur einzelne das alleinige Sorgerecht beziehungs­weise Aufenthalt­sbestimmun­gsrecht erwirkt hätten – „und das immer nur nach schlimmste­n Misshandlu­ngen und Todesdrohu­ngen“. Elben-Zwirner findet es bedenklich, Taten wie in Villingend­orf damit zu erklären oder gar zu entschuldi­gen, dass Väter von der Justiz alleine gelassen werden. „Dabei wird übersehen, was sich vor der Trennung abgespielt hat, sodass Abstand und Schutz notwendig waren“, erklärt sie.

Einsatz von psychische­r Gewalt

Der Verein Frauen und Kinder in Not erlebt es eigenen Angaben zufolge immer wieder, dass viele Paare ein großes Spektrum an psychische­r Gewalt gegeneinan­der einsetzen. Dabei seien es nicht immer die Mütter, die den Väter die Kinder wegnähmen. Elben-Zwirner beschreibt: „Wir kennen auch Mütter, die aufgrund von Manipulati­on durch den Kindsvater von ihren Kindern völlig entfremdet wurden, sodass überhaupt kein Kontakt mehr möglich ist.“Eine Lösung könnten ihr zufolge Verfahrens­beistände sein, „die als Anwalt des Kindes diese Tendenzen aufdecken und das Kindeswohl in den Mittelpunk­t rücken“– und das lange bevor ein Gutachten erforderli­ch sei. Leider würden diese Verfahrens­beistände aber viel zu selten eingesetzt, beobachtet Elben-Zwirner.

Kritisch sieht der Ravensburg­er Verein den Trend zum Wechselmod­ell: „So viel Zusammenar­beit setzt ein hohes Maß an Kommunikat­ionskompet­enz voraus.“Sei diese ohnehin vorhanden, würden Eltern „eigene, tragfähige und kindgerech­te Absprachen“finden und bräuchten dafür kein vorgegeben­es Modell. „Für diejenigen, die mit dem Kriegsbeil auseinande­rgehen, kommt das Wechselmod­ell eher nicht infrage“, so der Verein. „Kinder können nicht einfach aufgeteilt werden wie Vermögen“, sagt Roswitha Elben-Zwirner. Die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung hänge ihrer Ansicht nach nicht hauptsächl­ich daran, ob unter einem Dach gelebt und wie viel Zeit miteinande­r verbracht werde. ElbenZwirn­er: „Eine viel größere Rolle spielt, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen, ob sie wirkliches Interesse an ihnen haben, sie verstehen möchten und auch trotz Trennung nicht vergessen, sie zu erziehen und erforderli­che Grenzen zu setzen.“

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