Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Unbekannter verunsichert Horgenzell
Wilde Gerüchte breiten sich in der Gemeinde aus – Diskussion auf Facebook und in „What’s App“
Die Gerüchteküche in der Gemeinde brodelt, Polizei rät zur Sachlichkeit.
HORGENZELL - Ein Mann soll sich mit einem VW-Bus vor dem katholischen Kindergarten St. Raphael in Horgenzell herumgetrieben und verdächtig auf das Gelände geschaut haben. Nachdem sich die Sache im Ort herumgesprochen hatte, ruft jetzt eine Lehrerin in einem Brief die Eltern von Schülern und Kindergartenkindern zur Vorsicht auf. Mittlerweile ist der Brief in der Facebook-Gruppe „Spotted Horgenzell“aufgetaucht, sorgt für großen Wirbel und zieht weite Kreise. Zwar wollte sich die Kindergartenleitung zum Thema nicht äußern, auf Nachfrage der SZ bei der Gemeindeverwaltung Horgenzell stellt sich allerdings heraus, dass es tatsächlich einen Vorfall gab. Andere Gerüchte hingegen entbehren jeder Grundlage.
„Die Sache wurde schon an die Polizei weitergegeben“, sagt Horgenzells Hauptamtsleiter Andreas Flach. Tatsächlich habe sich laut Berichten des Kindergartens ein Mann herumgetrieben. Einer Erzieherin sei das verdächtig vorgekommen und habe ihn daraufhin angesprochen. Anscheinend habe er sich erkundigen wollen, ob dies ein öffentlicher Spielplatz sei, um mit seinen Enkeln herzukommen. Die Erzieherinnen des Kindergartens haben dann sowohl die Gemeinde als auch die Polizei informiert. Im Kindergarten hängt laut Facebook-Posts auch ein Schreiben an die Eltern.
Neue Geschichten kommen dazu
In der Gemeinde Horgenzell kursieren schon seit Längerem Gerüchte, sowohl im Internet als auch auf dem Kurznachrichtendienst „What’s App“und im Ortsgespräch, dass sich ein verdächtiger Mann mit einem VW-Bus unter anderem im Neubaugebiet und anderen Ortsteilen der Gemeinde herumtreibe.
In der Facebook-Gruppe „Spotted Horgenzell“wird indes wild spekuliert, es werden immer wieder neue Geschichten erzählt. Der Polizei ist allerdings bisher nicht bekannt, dass sich ähnliche Fälle in der Region zugetragen haben. „Momentan haben wir nur einen Mann, der von einer Erzieherin angesprochen wurde und Fragen zum Kindergarten gestellt hat. Wir sehen uns nicht dazu veranlasst, eine Warnmeldung herauszugeben“, sagt der am Polizeipräsidium Konstanz für den Landkreis Ravensburg zuständige Pressesprecher Jens Purath. Der Mann sei laut Berichten auch „nicht massiv auf die Kinder zugegangen“, so Purath. Mehr konkrete Hinweise hat die Polizei nicht. Wenn es konkrete Hinweise gibt, bittet die Polizei, das zu melden, damit die Beamten dem nachgehen können. „Auch ein Kennzeichen wäre hier hilfreich“, sagt Purath.
Allerdings wird derzeit nichts der Polizei gemeldet, sondern lediglich Gerüchte ins Netz gesetzt, die dann diskutiert, geteilt und weitergesponnen werden. Wie die Erfahrung in solchen Fällen zeigt, funktioniert das nach dem Stille-Post-Prinzip: es kommen neue Geschichten dazu, Details werden weggelassen und zum Schluss ist eine ganz andere Geschichte entstanden.
Seit Montagabend wurde der Post (Stand Mittwochabend) rund 200mal geteilt und kommentiert. Die Reichweite ist damit enorm groß. Am Mittwochabend kam schließlich ein neues Gerücht auf: Ein Polizist soll angeblich erzählt haben, dass ein fünfjähriges Kind vergewaltigt und im Wald bei Horgenzell aufgehängt worden sei. Einen ähnlichen Fall habe es vor etwa sechs Monaten im Großraum Altshausen gegeben, so die Behauptung. Doch die Polizei sagt eindeutig: Hierzu gibt es keinerlei Hinweise. „Uns wurde kein vermisstes Kind gemeldet“, sagt der Polizeisprecher. „Wenn sich ein solcher Fall zugetragen hätte, wäre die Pressestelle sofort informiert worden, und wir hätten dazu längst eine Pressemitteilung an die Medien herausgegeben“, erklärt er.
Außerdem, sagt Jens Purath auf Nachfrage der SZ, erzählen Polizisten solche Dinge nicht einfach herum. Die Polizei geht den Behauptungen im Netz aber trotzdem nach („Das verifizieren wir.“). Einen ähnlichen Fall im Großraum Altshausen hat es laut Polizei nicht gegeben. „Wir geben vereinzelt Pressemitteilungen zu Wildunfällen heraus, da hätten wir das in solch einem Fall längst getan.“