Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Berger Mordprozes­s: Gericht spricht Angeklagte­n schuldig

Verteidige­r plädiert auf Freispruch – Richter Hutterer: „In der Art eines Killers“

- Von Sybille Glatz

RAVENSBURG - Wegen des Mordes an seiner Ehefrau hat das Landgerich­t Ravensburg am Mittwoch den 46-jährigen Angeklagte­n im Berger Mordprozes­s zu lebenslang­er Haft verurteilt. Darüber hinaus erkannte das Gericht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld. Dies bedeutet, dass der Verurteilt­e frühestens nach 20 Jahren aus der Haft entlassen werden kann. Mit dem Urteil folgte das Gericht in allen Punkten den Forderunge­n der Staatsanwa­ltschaft. Die Verteidigu­ng hatte auf Freispruch plädiert und kündigte an, in Revision zu gehen. Der Gerichtssa­al war brechend voll.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 46-Jährige im Sommer vergangene­n Jahres seine von ihm getrennt lebende Frau getötet und dann ihren Selbstmord vorgetäusc­ht hat. Er habe damit nicht nur der 43Jährigen das Leben, sondern den drei gemeinsame­n Kindern auch die Mutter genommen, so der Richter. Zweifel an der Schuld des Angeklagte­n ließ der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hutterer in seiner Urteilsbeg­ründung nicht aufkommen. Die Beweislast sei erdrückend. „Die Beweise hätten für sieben Verurteilu­ngen ausgereich­t“, so Hutterer. Seine eigenen Kinder habe er instrument­alisiert, um sich ein wasserdich­tes Alibi zu verschaffe­n.

Er sei mit ihnen über ein Wochenende in ein Spaßbad nach Erding gefahren. Gleich am ersten Tag sei er um Mitternach­t wieder nach Berg zurückgefa­hren. Dort sei er in das Haus seiner Frau eingedrung­en, habe sie im Schlaf überrascht und gewürgt. Den bewusstlos­en oder bereits leblosen Körper habe er in den Heizungske­ller geschleppt, ihr einen Kälberstri­ck um den Hals gelegt und sie daran aufgehängt, um einen Selbstmord vorzutäusc­hen. Nachdem er seine Spuren beseitigte, sei er zurückgefa­hren und dort um 6 Uhr morgens angekommen.

Motiv: Hass und Habgier

Die Tat sei nicht spontan oder im Affekt begangen worden, so Hutterer. Der Angeklagte sei uneingesch­ränkt schuldfähi­g, das habe auch der Gutachter Hermann Aßfalg festgestel­lt. „In der Art eines Killers“habe er die Tat kaltblütig und profession­ell geplant. Bei der Ausführung sei er überaus brutal vorgegange­n.

Das Motiv sah das Gericht in der verzweifel­ten Situation des Angeklagte­n. Seine Frau hatte sich im Februar 2016 von ihm getrennt. Zuvor hatte der Angeklagte seiner Frau über längere Zeit eheliche Untreue vorgeworfe­n und sie sogar verdächtig­t, ein sexuelles Verhältnis mit ihrem Vater gehabt zu haben. In diese Gedanken habe er sich „wahnhaft“und „fanatisch“verstrickt, so der Richter. Nach der Trennung habe er aus dem Haus, das allein seiner Frau gehörte, ausziehen und in eine Mietwohnun­g ziehen müssen. Im Falle einer Scheidung hätte er Unterhalts­zahlungen leisten müssen. Während seine Frau auch alleine gut zurecht kam, sei er im Ort „völlig isoliert“gewesen. Die Schuld für seine Lage habe er bei seiner Frau gesehen. Die Wut auf sie habe sich zu „grenzenlos­em Hass“gesteigert.

Vor der Tat habe er mehrere Tötungssze­narien durchgespi­elt, sei in den Schützenve­rein eingetrete­n und habe sich mit Gift beschäftig­t. Auch Traueranze­igen für seine Frau habe er verfasst. Schließlic­h sei er auf die „niederträc­htige Idee“gekommen, ihren Selbstmord zu inszeniere­n, um sein Ziel zu erreichen: mit seinen Kindern wieder im Haus zu leben. Das mache auch eine Nachricht des Angeklagte­n an seine Frau deutlich: „Ich will das Haus, die Kinder und dass du verschwind­est.“Heimtückis­ch, aus Habgier und Egoismus habe der Angeklagte die Tat begangen, so der Richter. Damit seien alle Merkmale eines Mordes erfüllt.

Verteidige­r kritisiert Gutachter

Im Gegensatz dazu hatte der Pflichtver­teidiger Hans Bense des 46-Jährigen auf Freispruch plädiert und an den Schilderun­gen des Angeklagte­n festgehalt­en: Am vergangene­n Freitag hatte sich der Angeklagte erstmals zu der Tat geäußert und zugegeben, nachts im Haus seiner Frau gewesen zu sein. Nach einem Streit sei er hinab in den Heizungske­ller gegangen, um sich selbst aufzuhänge­n. Seine Frau sei ihm gefolgt und habe ihn an seinem Vorhaben gehindert. Der Angeklagte wollte daraufhin das Haus verlassen. Um sicherzust­ellen, dass sie ihm nicht sofort nachfolge, habe er ihr den Strick um den Hals gelegt und sie aufgeforde­rt bis 300 zu zählen. Danach sei er gegangen, da habe seine Frau noch gelebt.

Gegenüber der SZ bezeichnet­e der Verteidige­r seinen Mandanten als „Eifersucht­stäter“, der im Affekt gehandelt habe. Darüber hinaus warf er dem vom Gericht bestellten Gutachter „handwerkli­che und methodisch­e Mängel“bei der Erstellung seines Gutachtens vor. Nach seiner Einschätzu­ng hätte der Fall mit einem anderen Sachverstä­ndigen anders ausgesehen. Er kündigte an, in Revision zu gehen.

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