Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Komödiantik stellt tiefe Momente in den Hintergrund
Mit dem Klassiker „Der Brandner Kaspar“eröffnet das N.N. Theater Köln die Weingartener Spielzeit
WEINGARTEN (sz) - Mit reichlich Applaus haben die Besucher im Kulturund Kongresszentrum in Weingarten das N.N. Theater Köln gefeiert, das mit einer durchaus eigenwilligen Interpretation des Klassikers „Der Brandner Kaspar“, nach einer Erzählung von Franz von Kobell, die Saison eröffnet hat.
Dass der Brandner Kaspar längst zum Kultstück geworden ist, macht eine Inszenierung nicht leichter. Die Geschichte ist bekannt: Der Tod, in Bayern auch liebevoll „Boandlkramer“genannt, soll den Brandner Kaspar in die Ewigkeit abholen. Doch der rüstige 72-Jährige will partout noch nicht mit, mogelt beim Kartenspiel und gewinnt so noch 18 Jahre Aufschub, die ihm bald zur Bürde werden.
Die komödiantische Komponente kommt immer gut an: Der gewitzte Brandner Kaspar, der den überarbeiteten und etwas weltfremden Tod mit Kirschgeist verlockt und so recht leicht austrickst. Mit nur drei Spielern – Michl Thorbecke als Kaspar, Gregor Höppner als Tod und Bernd Kaftan als Musiker, alle drei zugleich in weiteren Rollen – hat Ute Kossmann, Gründungsmitglied wie Höppner, das Stück inszeniert. Sie tragen beim entscheidenden Kartenspiel nicht zu dick auf, verfallen aber doch in starkes Kasperletheater.
Da hat es die das Stück tragende Schwermut, seine Ernsthaftigkeit nicht leicht, sich zu behaupten. Zwar stellen Tod und Petrus die Forderung in den Raum, dass die Alten gehen müssen, um Platz für die Jungen zu machen – eine Forderung, die gerade in Deutschland an das Problem der Überalterung denken lässt, doch das sollte hier noch ernster genommen werden.
Dass Petrus als Pförtner vor der Himmelstür sein Halleluja eher griesgrämig wie der bekannte „Münchner im Himmel“hervorbringt, wirkt fast aufgesetzt. Wie ein Irrwisch, der bei Shakespeares Puck aus dem „Sommernachtstraum“in die Lehre gegangen ist, huscht der „Boandlkramer“über die Bühne, während die eigentlich starken, ruhigen Momente in den Hintergrund geraten: Wie dicht wirkt die Szene, als der Tod den alt und müde und einsam Gewordenen zärtlich im Arm hält, bis dieser ihn mit letzter Kraft noch einmal rauswirft. Dabei hat Bernd Kaftan am Keyboard schon verheißungsvoll ins Paradies schauen lassen, ebenso besinnlich war seine Musik beim leisen Abschied des Sohnes, der in den Krieg ziehen muss. Momente, die den tiefen Kern getroffen haben. Man hätte Ute Kossmann mehr Mut zu solch leisem Spiel gewünscht – wie großartig war da vor Jahren ein Gastspiel des Residenztheaters am See, wie stimmig waren auch Aufführungen von Laienspielern in der Region.
Das N.N. Theater ist immer ein Wagnis. Ungemein dicht war vor Wochen dessen Luther-Stück in Friedrichshafen, saftiges Vollbluttheater waren die unvergessenen „Nibelungen“. Einprägsam waren diesmal Bilder wie der Nahkampf im Schattenspiel oder der Blick ins Paradies, bewundernswert waren die gewohnten fliegenden Wechsel zwischen Hauptund Nebenrollen vom Sanitäter bis zur feschen Sennerin. Angenehm war selbst für bayerische Ohren der gemäßigte bayerische Dialekt. Es bleibt ein gespaltener Eindruck – man hätte bei diesem Stück insgesamt doch mehr das Nachdenkliche, die immanente Schwermut erleben mögen als den Klamauk.
Wie ein Irrwisch huscht der „Boandlkramer“über die Bühne.