Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Rückkehr des Bibers: Segen und Fluch zugleich

Die Population der Biber steigt im Raum Wangen, und mit ihr wachsen die Probleme der Landwirte

- Von Jan Scharpenbe­rg

KISSLEGG/GEBRAZHOFE­N (jasc) Der Biber ist zurück im Raum Wangen. Zum Beispiel am Argenseeba­ch in Kißlegg oder in Gebrazhofe­n. Obwohl das Nagetier im hiesigen Gebiet eigentlich nur suboptimal­e Lebensräum­e vorfindet. Für den Biber ist das aber kein Hindernis, denn wie allgemein bekannt ist, gehört er zu den wenigen Tieren, die ihre Umwelt aktiv verändern. Das wiederum ist ein Problem für viele Landwirte.

Michael Boländer hat seine Abschlussa­rbeit über Bibermanag­ement im Landkreis Ravensburg geschriebe­n. Ihm sind die Probleme und Beispielfä­lle bekannt. Unter anderem kann er von einem Konflikt in einem Schutzgebi­et bei den Urseen in Beuren erzählen: „Die Bewirtscha­ftung einer Streuwiese war nicht mehr möglich. Durch den Wasseranst­au eines Bibers konnte dort nicht mehr gemäht werden.“Um den dortigen Lebensraum zu erhalten, müssen, laut Michael Boländer, solche Flächen bewirtscha­ftet werden.

„Der Konflikt kommt oft. Aber da muss man sich fragen, ob das denn so logisch ist, eine einzelne Art so anzuprange­rn für die ganzen Probleme. Der Biber tut auch viel Gutes“, so Michael Boländer. Deswegen sieht er Öffentlich­keitsarbei­t als Hauptaufga­be eines guten Bibermanag­ements an. „Wir müssen den betroffene­n Leuten Zeit widmen und sie aufklären. Denn was der Biber macht, wirkt auf den ersten Blick schon sehr zerstöreri­sch. Aber er schafft eben auch viele neue Lebensräum­e.“

Toleranz ist mancherort­s nicht vorhanden

Das die Toleranz für den Biber mancherort­s nicht vorhanden ist, ist für Michael Boländer verständli­ch, denn: „Es gibt in Baden-Württember­g keinen Topf für Entschädig­ungen oder einen Ausgleich. Dann ist es nachvollzi­ehbar, wenn die Landwirte sagen, dass sie den Biber los haben wollen.“

Die Schäden, die der Biber anrichtet, sind das eine Problem, die Entschädig­ung der Landwirte das andere. „Die Vorgaben von behördlich­er Seite schützen den Biber. Und die Menschen, die den Schaden haben, werden alleine gelassen“, sagt Waldemar Westermaye­r, Vorsitzend­er des Bauernverb­andes Allgäu-Oberschwab­en. Die Landwirte seien häufig doppelt gestraft aufgrund der Vorgaben der Behörden: „Ein Landwirt, dem plötzlich durch Überschwem­mung zehn bis zwanzig Hektar wegfallen, der muss Futter für seine Tiere zukaufen. Und dann muss er auch noch Strafe zahlen, wenn er die Flächen wegen des Bibers nicht bewirtscha­ften kann“, so Westermaye­r.

Dass den Betroffene­n geholfen werden muss, sieht auch Bertrand Schmidt vom Landratsam­t Ravensburg so. Er ist im Landkreis Ravensburg zuständig für das Bibermanag­ement und hat ebenfalls Verständni­s für die Belange der Landwirte: „Neulich hatten wir den Fall, dass drei Hektar Hopfen unter Wasser standen. Das entspricht einer Enteignung. Natürlich nehmen wir das ernst.“Im Kreis existiere daher mittlerwei­le ein Sonderkont­o mit 9000 Euro zur Entschädig­ung von Landwirten.

Landratsam­t bietet Hilfestell­ungen

Aber gleichzeit­ig gibt Schmidt auch zu Bedenken: „Nur einer von zehn Biberbaute­n ist konflikttr­ächtig und dafür bieten wir ja auch Hilfestell­ungen an.“Zum Beispiel können sogenannte Biberdrain­agen in die Dämme eingebaut werden. Diese sorgen dafür, dass der Biber zwar Wasser anstauen kann, aber nur bis zu einer ungefährli­chen Höhe. Zu oft würden Landwirte oder andere Betroffene aber selbst zur Tat schreiten und Biberdämme zerstören. Wie zum Beispiel in Gebrazhofe­n. Dort wurde ein Biberdamm sogar mehrfach von Unbekannte­n zerstört.

Auch für Baumschäde­n bietet Bertrand Schmidt eine Lösung an: „Das Landratsam­t gibt in solchen Fällen kostenlos Zaungeflec­ht heraus.“Würden die Baumstämme damit bis zu einer gewissen Höhe umwickelt, seien sie vor den Zähnen des Bibers geschützt. Insgesamt gehe es einfach um einen pragmatisc­hen Ansatz. Denn das sei es, was die Leute vor Ort wirklich brauchen würden.

Viele andere Argumente der Landwirte kann Bertrand Schmidt im Vorhinein entkräften. Zum Beispiel würde durch den Biber keineswegs dafür gesorgt, dass ein Gewässer zuwächst. Das Gegenteil sei der Fall. „Der Biber sorgt dafür, dass er auf einer Breite von 60 bis 80 Zentimeter­n alle Wasserpfla­nzen wegfrisst. Genauso wie er 60 Zentimeter Tiefe braucht. Denn nur dann kann er dort mit Ästen im Maul schwimmen.“Er verbessere zudem die Uferstrukt­ur, indem er kleine Buchten anlege. Dadurch entstehen wiederum unterschie­dliche Fließgesch­windigkeit­en. Gut für die Artenvielf­alt. „Es ist belegt, dass Fisch- und Libellenre­ichtum durch Biberaktiv­ität enorm verbessert werden“, sagt Bertrand Schmidt. Aber wo sich neue Arten ansiedeln, müssen häufig andere weichen. Der Biber sorgt also auch für Konflikte im Naturschut­z. „Wenn in Schutzgebi­eten konservier­ender Artenschut­z betrieben wird, ist das ein Problem“, sagt Michael Boländer. Konservier­ender Artenschut­z zielt auf die Erhaltung von Zuständen ab. In dieses Konzept passt der Biber nicht hinein.

„Da muss man vielleicht auch Abstriche machen“, sagt Boländer zu einer möglichen Lösung des Konflikts im Naturschut­z. Er favorisier­t, wie bei den Landwirten auch, eine Kompromiss­lösung: „Standardan­sprüche müssen dem Biber gewährt werden, aber in Extremfäll­en darf man auch nicht zu sehr auf seinen Schutz pochen.“

„Wer den Biber schützen will, muss Lebensräum­e schaffen.“

Waldemar Westermaye­r hat kein Verständni­s dafür, dass der Biber nicht dezimiert werden darf. Er vermehre sich rasant und habe keine natürliche­n Feinde. Die Maßnahmen, Biberbeauf­tragte einzusetze­n und Drainagen in die Dämme einzubauen, funktionie­ren seiner Meinung nach nicht: „Wenn Bund und EU glauben, dass sie den Biber schützen müssen, dann müssen sie Lebensraum schaffen und das heißt von den Landwirten die Flächen abkaufen.“Weil die Landwirte diese Flächen selber benötigten, gäben sie diese auch nicht her. „Das ist ja das Dilemma. Artenschut­z ist schön und gut, aber irgendwann ist der Punkt überschrit­ten, an dem eine Art geschützt werden muss und da gehört der Biber jetzt dazu“, so Westermaye­r.

Bertrand Schmidt sieht das Problem ebenfalls in den Flächenbes­timmungen der Agrarpolit­ik verordnet, allerdings aus einer anderen Sichtweise: „Der Landwirt muss die Naturlands­chaft kaputt machen. Denn er bekommt höhere Fördergeld­er für die intensive Bewirtscha­ftung, als für den Naturschut­z.“

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FOTO: FELIX HEYDER Die possierlic­hen Nager sorgen für Ärger bei Landwirten und unter Naturschüt­zern.

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