Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Rückkehr des Bibers: Segen und Fluch zugleich
Die Population der Biber steigt im Raum Wangen, und mit ihr wachsen die Probleme der Landwirte
KISSLEGG/GEBRAZHOFEN (jasc) Der Biber ist zurück im Raum Wangen. Zum Beispiel am Argenseebach in Kißlegg oder in Gebrazhofen. Obwohl das Nagetier im hiesigen Gebiet eigentlich nur suboptimale Lebensräume vorfindet. Für den Biber ist das aber kein Hindernis, denn wie allgemein bekannt ist, gehört er zu den wenigen Tieren, die ihre Umwelt aktiv verändern. Das wiederum ist ein Problem für viele Landwirte.
Michael Boländer hat seine Abschlussarbeit über Bibermanagement im Landkreis Ravensburg geschrieben. Ihm sind die Probleme und Beispielfälle bekannt. Unter anderem kann er von einem Konflikt in einem Schutzgebiet bei den Urseen in Beuren erzählen: „Die Bewirtschaftung einer Streuwiese war nicht mehr möglich. Durch den Wasseranstau eines Bibers konnte dort nicht mehr gemäht werden.“Um den dortigen Lebensraum zu erhalten, müssen, laut Michael Boländer, solche Flächen bewirtschaftet werden.
„Der Konflikt kommt oft. Aber da muss man sich fragen, ob das denn so logisch ist, eine einzelne Art so anzuprangern für die ganzen Probleme. Der Biber tut auch viel Gutes“, so Michael Boländer. Deswegen sieht er Öffentlichkeitsarbeit als Hauptaufgabe eines guten Bibermanagements an. „Wir müssen den betroffenen Leuten Zeit widmen und sie aufklären. Denn was der Biber macht, wirkt auf den ersten Blick schon sehr zerstörerisch. Aber er schafft eben auch viele neue Lebensräume.“
Toleranz ist mancherorts nicht vorhanden
Das die Toleranz für den Biber mancherorts nicht vorhanden ist, ist für Michael Boländer verständlich, denn: „Es gibt in Baden-Württemberg keinen Topf für Entschädigungen oder einen Ausgleich. Dann ist es nachvollziehbar, wenn die Landwirte sagen, dass sie den Biber los haben wollen.“
Die Schäden, die der Biber anrichtet, sind das eine Problem, die Entschädigung der Landwirte das andere. „Die Vorgaben von behördlicher Seite schützen den Biber. Und die Menschen, die den Schaden haben, werden alleine gelassen“, sagt Waldemar Westermayer, Vorsitzender des Bauernverbandes Allgäu-Oberschwaben. Die Landwirte seien häufig doppelt gestraft aufgrund der Vorgaben der Behörden: „Ein Landwirt, dem plötzlich durch Überschwemmung zehn bis zwanzig Hektar wegfallen, der muss Futter für seine Tiere zukaufen. Und dann muss er auch noch Strafe zahlen, wenn er die Flächen wegen des Bibers nicht bewirtschaften kann“, so Westermayer.
Dass den Betroffenen geholfen werden muss, sieht auch Bertrand Schmidt vom Landratsamt Ravensburg so. Er ist im Landkreis Ravensburg zuständig für das Bibermanagement und hat ebenfalls Verständnis für die Belange der Landwirte: „Neulich hatten wir den Fall, dass drei Hektar Hopfen unter Wasser standen. Das entspricht einer Enteignung. Natürlich nehmen wir das ernst.“Im Kreis existiere daher mittlerweile ein Sonderkonto mit 9000 Euro zur Entschädigung von Landwirten.
Landratsamt bietet Hilfestellungen
Aber gleichzeitig gibt Schmidt auch zu Bedenken: „Nur einer von zehn Biberbauten ist konfliktträchtig und dafür bieten wir ja auch Hilfestellungen an.“Zum Beispiel können sogenannte Biberdrainagen in die Dämme eingebaut werden. Diese sorgen dafür, dass der Biber zwar Wasser anstauen kann, aber nur bis zu einer ungefährlichen Höhe. Zu oft würden Landwirte oder andere Betroffene aber selbst zur Tat schreiten und Biberdämme zerstören. Wie zum Beispiel in Gebrazhofen. Dort wurde ein Biberdamm sogar mehrfach von Unbekannten zerstört.
Auch für Baumschäden bietet Bertrand Schmidt eine Lösung an: „Das Landratsamt gibt in solchen Fällen kostenlos Zaungeflecht heraus.“Würden die Baumstämme damit bis zu einer gewissen Höhe umwickelt, seien sie vor den Zähnen des Bibers geschützt. Insgesamt gehe es einfach um einen pragmatischen Ansatz. Denn das sei es, was die Leute vor Ort wirklich brauchen würden.
Viele andere Argumente der Landwirte kann Bertrand Schmidt im Vorhinein entkräften. Zum Beispiel würde durch den Biber keineswegs dafür gesorgt, dass ein Gewässer zuwächst. Das Gegenteil sei der Fall. „Der Biber sorgt dafür, dass er auf einer Breite von 60 bis 80 Zentimetern alle Wasserpflanzen wegfrisst. Genauso wie er 60 Zentimeter Tiefe braucht. Denn nur dann kann er dort mit Ästen im Maul schwimmen.“Er verbessere zudem die Uferstruktur, indem er kleine Buchten anlege. Dadurch entstehen wiederum unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten. Gut für die Artenvielfalt. „Es ist belegt, dass Fisch- und Libellenreichtum durch Biberaktivität enorm verbessert werden“, sagt Bertrand Schmidt. Aber wo sich neue Arten ansiedeln, müssen häufig andere weichen. Der Biber sorgt also auch für Konflikte im Naturschutz. „Wenn in Schutzgebieten konservierender Artenschutz betrieben wird, ist das ein Problem“, sagt Michael Boländer. Konservierender Artenschutz zielt auf die Erhaltung von Zuständen ab. In dieses Konzept passt der Biber nicht hinein.
„Da muss man vielleicht auch Abstriche machen“, sagt Boländer zu einer möglichen Lösung des Konflikts im Naturschutz. Er favorisiert, wie bei den Landwirten auch, eine Kompromisslösung: „Standardansprüche müssen dem Biber gewährt werden, aber in Extremfällen darf man auch nicht zu sehr auf seinen Schutz pochen.“
„Wer den Biber schützen will, muss Lebensräume schaffen.“
Waldemar Westermayer hat kein Verständnis dafür, dass der Biber nicht dezimiert werden darf. Er vermehre sich rasant und habe keine natürlichen Feinde. Die Maßnahmen, Biberbeauftragte einzusetzen und Drainagen in die Dämme einzubauen, funktionieren seiner Meinung nach nicht: „Wenn Bund und EU glauben, dass sie den Biber schützen müssen, dann müssen sie Lebensraum schaffen und das heißt von den Landwirten die Flächen abkaufen.“Weil die Landwirte diese Flächen selber benötigten, gäben sie diese auch nicht her. „Das ist ja das Dilemma. Artenschutz ist schön und gut, aber irgendwann ist der Punkt überschritten, an dem eine Art geschützt werden muss und da gehört der Biber jetzt dazu“, so Westermayer.
Bertrand Schmidt sieht das Problem ebenfalls in den Flächenbestimmungen der Agrarpolitik verordnet, allerdings aus einer anderen Sichtweise: „Der Landwirt muss die Naturlandschaft kaputt machen. Denn er bekommt höhere Fördergelder für die intensive Bewirtschaftung, als für den Naturschutz.“