Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kultur leben
Das Wegdriften in andere Welten, das Auskosten von Bildern oder Tönen, die man so noch nie hörte: interessant sind sie alle, die Ambitionen und Wirkungen der „kleinen Fluchten“, um für wenigstens zwei Stunden einmal raus zu kommen aus dem Alltag im Mittleren Schussental. Ganz „Weit“weg und rund um die Welt schafften es Patrick und Gwen. Über drei Jahre waren sie zu Fuß, per Autostopp und mit dem Schiff unterwegs und filmten dabei ihre eigenen Erlebnisse als Langzeitdoku. Ihr Film „WEIT. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ist ab dem 5. Oktober in der Linse Weingarten zu sehen. Ob der Plan mit maximal fünf Euro am Tag auszukommen und nicht zu fliegen jene zentrale Erfahrung wurde, als die sie gedacht war? Jedenfalls sollte möglichst jeder der schließlich fast 100.000 zurückgelegten Kilometer mit allen Sinnen wahrgenommen werden. Ein Traum vieler, umgesetzt von einem jungen Paar.
„Musik für Reisende“bietet das Jazzfusionprojekt der „Nighthawks“. In der Spanne eines über 20-jährigen Schaffens hat das Quintett ein feines ästhetisches Konzept gefunden. Stimmungsbilder für Großstadtflaneure entstehen. Der Sog dieser Stücke liegt im sehnsuchtsvoll-lebensfrohen Flow, ausgelöst durch den Trompetenklang Reiner Winterschladens. Aktuell nehmen die fünf Musiker ihre Zuhörer mit auf eine Reise im Flugzeug – von Europa über den Atlantik in die USA. „707“heißt das neue Album, das am 6.Oktober, im Jazz Point im Schwarzen Hasen in Wangen-Beutelsau live vorgestellt wird. Zwar verströmt der dortige Club nicht gerade urbane Airportatmosphäre. Doch seine Kompaktheit bietet einen ganz anderen Reiz: die Besucher sitzen mitten im Geschehen, quasi auf der Rollbahn. Gemeinsames Abheben gut möglich! Es spielen: Reiner Winterschladen (Trompete), Dal Martino (Bass), Jürgen Dahmen (Keyboards), Jörg Lehnardt (Gitarre) und Thomas Alkier (Schlagzeug).
Gereist ist auch Mo Asumang, allerdings aus sehr speziellen Gründen. Die afrodeutsche TV-Moderatorin sah sich einer Morddrohung durch eine Neonaziband ausgesetzt und beschäftigt sich seither sehr direkt mit dem Themenkomplex Rassismus. Offensiv geht sie auf Vertreter der rechten Szene zu, ob unter 3000 Neonazis auf dem Berliner Alexanderplatz oder bei Anhängern des Ku-Klux-Klan in den USA. Sie begegnet Menschen, die sie hassen – und entlarvt sie dadurch. Im Rahmen der „Wochen internationaler Nachbarschaft“liest Mo Asumang am 4. Oktober aus ihrem Buch „Mo und die Arier“im Ravensburger Kornhaussaal. Reisen in der eigenen Stadt ermöglicht wiederum der „Tag der offenen Tür“in der Mevlana-Moschee der Türkisch-Islamischen Gemeinde (Schützenstraße), der Bosnischen Moschee der Islamistengemeinschaft der Bosniaken (Höll) sowie das offene Haus der Alevitischen Kulturgemeinde an der Franz Beer Straße, Weingarten – alle Einrichtungen haben am 3. Oktober für interessierte Besucher geöffnet. borrasch@gmx.de