Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Absage an Handel auf der grünen Wiese
Acocella-Gutachten empfiehlt Stadt Ravensburg, weiter auf Protektionismus zu setzen
RAVENSBURG - Wie kann Ravensburg als Einkaufsstadt attraktiv bleiben? Was können Stadtverwaltung und Gemeinderat dafür tun, den Einzelhandel in der Innenstadt zu schützen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das neue AcocellaGutachten. Die Autorin der Studie, Antje Schnacke-Fürst, kommt zu dem Schluss, dass das Prinzip „Drinnen vor draußen“, das Neuansiedlungen auf der grünen Wiese erschwert, beibehalten werden soll. Dazu sollte die entsprechende Sortimentsliste, die genau vorschreibt, was wo verkauft werden darf, mit leichten Veränderungen neu aufgelegt werden.
Mittelfristig (bis 2030) sieht das Gutachten maximal Spielraum für zwei neue Lebensmittelmärkte und einen Drogeriemarkt im Stadtgebiet – und das vorzugsweise in bislang unterversorgten Bereichen, also hauptsächlich den südlichen Teilorten.
Ansonsten sollten außerhalb der Innenstadt nur Geschäfte mit folgenden Waren erlaubt sein: Bad- und Sanitäreinrichtungen, Baustoffe, Lampen und Leuchten, Beschläge und Eisenwaren, Bodenbeläge, Teppiche, Tapeten, Boote und Zubehör, Brennstoffe, Büromaschinen (ohne Computer), Fahrräder und Zubehör, Farben und Lacke, Fliesen, Gartenhäuser und -geräte, Kamine und Kachelöfen, Holz, Installationsmaterial, Kinderwagen, Küchen, Matratzen, Maschinen und Werkzeuge, Möbel, Pflanzen und Zubehör, Rollläden und Markisen, lebende Tiere und Tiermöbel.
In Nahversorgungszentren (wie etwa Oberhofen) sollen zusätzlich folgende Sachen verkauft werden dürfen: Arzneimittel, Schnittblumen, Drogeriewaren, Wasch- und Putzmittel, Kosmetika und Parfümerieartikel, Nahrungs- und Genussmittel, Papier-, Schreibwaren- und Schulbedarf, Reformwaren, Zeitungen und Zeitschriften, Tiernahrung und Zubehör. Alles andere soll es nur in der Innenstadt geben.
Um diesen protektionistischen Ansatz, der aber durch die Rechtssprechung gedeckt ist, weiterhin zu verwirklichen, muss eine entsprechende Bauleitplanung umgesetzt werden. „Die Entscheidung über einen vollständigen oder teilweisen Ausschluss von Einzelhandel in bestimmten Einkaufs- und Freizeitzentrum nach britischem Vorbild auf der grünen Wiese entstand. Im Landesentwicklungsplan BadenWürttemberg wurde 2002 festgehalten: „Einzelhandelsgroßprojekte dürfen weder durch ihre Lage und Größe noch durch ihre Folgewirkungen die Funktionsfähigkeit der Stadt- und Ortskerne der Standortgemeinde wesentlich beeinträchtigen. Sie sollen vorrangig Bereichen und die Typen sind letztlich vom Gemeinderat zu beschließen“, heißt es in der Studie. Nur so hätten Investoren Planungssicherheit. an städtebaulich integrierten Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden.“Dass es auch große Einkaufszentren gibt, die der Innenstadt mehr Frequenz bringen und sie beleben, zeigt ein Positivbeispiel im bayerischen Kempten. Das Forum Allgäu schmiegt sich direkt an die Innenstadt an, sodass der Kunde erst durch die Mall und dann durch die Straßen schlendern kann – oder umgekehrt. (vin) Ansonsten könnten ansiedlungswillige Betriebe leicht gegen die Stadt klagen, wenn ihr Vorhaben abgelehnt wird. „Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Stadt Ravensburg selbst an ihr eigenes Konzept hält und keine Ansiedlungsentscheidungen trifft, die dazu geeignet sind, die eigenen Zielsetzungen zu konterkarieren“, lautet das Fazit der Gutachterin. Der Entwurf für das neue Einzelhandelskonzept ist online bei der Stadt Ravensburg herunterladbar (DS 2017/230). Nach der vierwöchigen Auslegungsfrist wird es im Gemeinderat behandelt, der Termin steht noch nicht fest.