Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Luftexperte plädiert für billigen Bus und Altstadtsperrung
Schadstoffbelastete Luft in Ravensburg: Professor unterstützt große Verkehrsprojekte, fordert aber auch ein Umdenken der Menschen
RAVENSBURG - 2010/2011 hat Wolfgang Speckle, Professor der Hochschule Ravensburg-Weingarten, Luftschadstoffe im Schussental gemessen. Schon damals waren Grenzwerte überschritten. Inzwischen hat sich die Situation verschärft und Ravensburg muss handeln. Eine nachhaltige Verbesserung der Luftqualität gibt es für Speckle nur in Form von großen Lösungen.
„Hauptverursacher für Stickoxide und Feinstaub ist mit rund 60 Prozent der Straßenverkehr“, sagt der promovierte Chemiker. Daher gelte es, zuallererst in diesem Bereich anzusetzen. Denn Stickoxide und Feinstaub befördern schwere HerzKreislauf-Erkrankungen. Zwei Dinge hält der Professor daher für unabdingbar: große Lösungen im Bereich des Straßenbaus und ein Umdenken der Menschen.
„Für Ravensburg muss es eine Entlastung für den Nord-Süd- und für den Ost-West-Verkehr geben“, sagt Wolfgang Speckle, der in Weingarten auch Laborleiter für Umweltanalytik und Chemie ist. Um die Stadt vom Verkehr zu entlasten, müsse daher die B 30 Süd fertiggestellt und der Molldietetunnel gebaut werden: „Daran führt kein Weg vorbei.“
Mindestens genauso wichtig sei aber ein Umdenken der Menschen. „Das Grundübel ist, der Mensch will immer mehr. Dabei wäre ein Mehr an Qualität besser“, sagt Speckle. Mit Hinblick auf sein Fachgebiet heißt das: Wer mehr (Lebens-)qualität will, der braucht dafür bessere, gesündere Luft. Erreichbar ist das, wenn der Mensch bereit ist, sein Verhalten zu ändern. „Bessere Radwege und mehr E-Mobilität sind richtige Wege“, sagt der Studiendekan für Umwelt- und Verfahrenstechnik. „Doch allein das wird nicht ausreichen, um die Schadstoffbelastung der Luft zu reduzieren.“
Kommunen könnten schon jetzt mehr tun als in der Vergangenheit. Für Ravensburg heißt das laut Speckle: „Die historische Altstadt gehört komplett für den Verkehr gesperrt.“Zwar mache Luft nicht an den Stadtmauern halt, aber dennoch sei hier punktuell eine Verbesserung erreichbar. Allerdings – solange es keinen Molldietetunnel gibt – zu Lasten der schon jetzt stark befahrenen Wilhelmund Schussenstraße.
Als wichtigstes kommunales Instrument zur Schadstoffreduzierung sieht der gebürtige Ravensburger den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. „Die Busse sind viel zu teuer“, sagt er. Neben einer besseren Taktung wünscht sich der Hochschulprofessor daher das samstägliche Ein-Euro-Ticket als Standardfahrkarte, die an jedem Tag gilt. Die Alternative: „Man macht Busfahren komplett kostenlos.“
Wenig Verbesserung für die Luft erwartet Wolfgang Speckle durch eine flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer. „Entscheidender ist, dass der Verkehr in einer einheitlichen Geschwindigkeit fließt. Dafür muss die Ampelschaltung – die ist in Ravensburg ja ganz schlimm – geändert werden. Wenn es rollt, ist der Schadstoffausstoß deutlich geringer.“
Ob die politischen Akteure in Sachen Luft jetzt endlich handeln, weiß Speckle nicht: „Der Druck ist größer geworden, aber ob es ein aktives Interesse gibt zu handeln? Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe es.“