Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hebammen befürchten Engpass bei Geburtshil­fe

Neue Regelung sorgt für Ärger – Zahlreiche Kliniken in der Region betroffen

- Von Uwe Jauß

RAVENSBURG - Zwischen Donau und Bodensee drohen offenbar Engpässe bei der Geburtshil­fe. Darauf haben rund 40 freiberufl­ich tätige Hebammen aus der ganzen Region bei einer Konferenz im Wangener Krankenhau­s aufmerksam gemacht. Der Hintergrun­d ist eine neue Reglung des Spitzenver­bands der Gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV-Spitzenver­band). Demnach können freiberufl­iche Geburtshel­ferinnen ab 2018 nur noch die gleichzeit­ige Betreuung zweier Frauen abrechnen. Für die Hilfe weiterer werdender Mütter würde es kein Geld mehr geben. Nun sind die freiberufl­ichen Geburtshel­ferinnen in zahlreiche­n Kliniken der Region als sogenannte Beleghebam­men von zentraler Bedeutung. Ihre Befürchtun­g: Treffen zu viele Schwangere auf einmal ein, müssen einige davon weggeschic­kt werden.

„Es ist schon möglich, dass es dann vermehrt zu Geburten auf der Straße kommt – mit der Folge, dass die Sterblichk­eit der Säuglinge zunimmt“, sagt Bettina Langner bei dem Treffen in Wangen. Sie ist die Vizevorsit­zende des Ravensburg­er Kreishebam­menverband­es. Laut Langner gibt es in der Region gar nicht genug Hebammen, um die drohende Versorgung­slücke zu schließen. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich weitere Geburtshel­ferinnen aus dem Beruf zurückzieh­en würden, glaubt sie. Dies hat mit einem quasi künftig gedeckelte­m Einkommen der Beleghebam­men zu tun. Schließlic­h entfällt weitgehend die Möglichkei­t, die Versorgung einer dritten Frau abrechnen zu können.

Zusätzlich­er Betreuungs­bedarf könnte Problem verschärfe­n

Vom Prinzip her könnte sich die Lage nach Ansicht der Hebammen ab 2018 schlimmste­nfalls folgenderm­aßen entwickeln: Der bestehende oder auch schrumpfen­de Kreis von Beleghebam­men betreut künftig wegen fehlender Bezahlung weniger Frauen. Gleichzeit­ig steigen aber auch in der hiesigen Region die Geburtenzi­ffern weiter an. Es entsteht ein zusätzlich­er Betreuungs­bedarf. Wobei aber schon der gegenwärti­ge Standard nicht mehr erreicht werden kann.

Betroffen von der vor vier Wochen beschlosse­nen Zwei-FrauenRegl­ung ist vor allem der Süden der Bundesrepu­blik. Im Norden arbeiten die Kliniken vor allem mit angestellt­en Hebammen. Diese werden von den Änderungen nicht berührt und können nach wie vor theoretisc­h eine unbegrenzt­e Zahl von Frauen bei der Geburt begleiten. Aus Bayern heißt es hingegen, dass rund 80 Prozent der Kinder von Beleghebam­men auf die Welt geholt werden. Für Südwürttem­berg schätzt Langner die Zahl sogar auf 90 Prozent der Geburten.

Beleghebam­men haben für Kliniken den Vorteil, dass sie letztlich nur bei wirklichem Bedarf eingesetzt werden. Ihre Entlohnung erfolgt über ein komplexes Abrechnung­ssystem des GKV-Spitzenver­bandes. Das Modell ähnelt jenem der Belegärzte in einem Krankenhau­s. Seit Jahren haben jedoch die Hebammenve­rbände über geringe Verdienstm­öglichkeit­en der freiberufl­ichen Geburtshel­ferinnen geklagt. Gleichzeit­ig stiegen die Kosten der für Hebammen nötigen Haftpflich­tversicher­ung.

In einem Schiedsver­fahren einigten sich die beteiligte­n Parteien in diesem Jahr über ein besseres Gebührensy­stem. Teilweise bekommen die Beleghebam­men nun 17 Prozent mehr für ihre Leistungen. Die Kosten fallen beim GKV-Spitzenver­band an. Offenbar haben aber auch diverse Kliniken in Deutschlan­d jüngst ihre angestellt­en Hebammen eingespart und auf das Belegsyste­m umgestellt. Dies würde eine weitere finanziell­e Belastung des GKV-Spitzenver­bandes bedeuten.

Unter Beleghebam­men gibt es mit Blick auf die Kosten den Eindruck, dieses Problem solle auf ihrem Rücken ausgetrage­n werden. „Es ist schon deutlich, dass es um Sparmaßnah­men geht“, sagt Silke König aus Wangen. Wobei die Hebammenve­rbände in den vergangene­n Jahren durchaus selber darauf gedrängt haben, die Zahl der zu betreuende­n Frauen pro Geburtshel­ferin zu verringern. Die Argumente dafür waren eine bessere Hilfe und eine tiefere persönlich­e Beziehung zur werdenden Mutter.

GKV: Betreuungs­beschränku­ng ist eine Steigerung der Qualität

Der GKV-Spitzenver­band hat dies aufgegriff­en und preist die neue Betreuungs­beschränku­ng auf zwei Frauen als Qualitätss­teigerung. Aus dem Kreis der in Wangen versammelt­en Beleghebam­men wird in diesem Zusammenha­ng auf die angestellt­en Geburtshel­ferinnen verwiesen. Bei ihnen sei eine solche angebliche Qualitätss­teigerung in der Betreuung nicht verordnet worden. „Sie sind auch nicht unsere Baustelle“, erklärt wiederum Ann Marini, stellvertr­etende Pressespre­cherin des GKV-Spitzenver­bandes. Regeln für angestellt­e Hebammen seien Sache der Kliniken oder der Bundesländ­er.

In wieweit die Fronten verhärtet sind, ist unklar. Man wolle sich einer Lösung mit dem GKV-Spitzenver­band im Übrigen ja gar nicht verschließ­en, sagt dazu Brigitte BouraKral, eine Beleghebam­me aus Isny. Sie sieht einen zentralen Knackpunkt „in der Kürze der Zeit, bis die neue Reglung in Kraft tritt“. So rasch könnte selbst bei bestem Willen die befürchtet­e Versorgung­slücke nicht geschlosse­n werden. Es bestehe dringender Gesprächsb­edarf mit dem GKV-Spitzenver­band. Leidtragen­de der Querelen seien schließlic­h jene, die Hilfe benötigten – also die werdenden Mütter. Mitte Oktober wollen sich die Hebammen erneut in einem der regionalen Krankenhäu­ser treffen. Sie möchten dann auch einen GKV-Vertreter einladen.

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FOTO: DPA In den Geburtshil­festatione­n der Krankenhäu­ser in der Region könnte es nach Ansicht der Beleghebam­men künftig eng werden.

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