Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Virtuelle Realitäten

EKS InTec GmbH baut Produktion­sanlagen für die Mobilitäts­industrie

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Vor einem Bildschirm sitzen drei Informatik­er und schauen sich an, wie in einem Gewirr aus Robotern und Förderbänd­ern ein Karosserie­teil eines Autos entsteht. Noch läuft der Produktion­sprozess nicht rund. Irgendwo klemmt es. Mit der Maus zoomen sie sich in die 3-D-Darstellun­g. Vergrößern, holen Details näher heran, betrachten einzelne Komponente­n, suchen den Fehler.

Was aussieht wie ein Computersp­iel, das eine zweite Realität kreiert, in der Figuren ein scheinbare­s Eigenleben führen, in der sich Menschen verlieren und unter Wirklichke­itsverlust leiden, ist kein Spiel. Es ist die Realität. Genauer, die wirkliche Realität. Denn, was sich hier auf dem Bildschirm abspielt, wird auch so in der späteren Produktion­shalle ablaufen. „Virtuelle Inbetriebn­ahme“heißt das im Fachjargon.

Die EKS InTec GmbH in Weingarten ist auf die Planung, Entwicklun­g, Simulation und Inbetriebn­ahme von einfachen bis komplexen Produktion­sanlagen und Sondermasc­hinen für die Mobilitäts­industrie spezialisi­ert. Zu ihren Kunden gehören vor allem die Automobilb­ranche und die Flugzeugin­dustrie. Um die Dimensione­n anschaulic­h zu machen: Eine kleine Anlage hat eine Abmessung von 15 auf 20 Meter. Große 30 auf 40 Meter. Dort arbeiten dann etwa 58 Roboter. Investitio­nsvolumen: 40 bis 50 Millionen Euro.

Rasante Entwicklun­g

Wie rasant sich der Anlagenbau in den letzten Jahrzehnte­n entwickelt hat, verdeutlic­ht der Blick auf die Technik. Im 20. Jahrhunder­t bestellten – vereinfach­t gesagt – die Automobilh­ersteller bei ihren Anlagenbau­ern eine Halle zur Produktion von Kotflügeln. Der Anlagenbau­er stellte die komplette Fertigungs­halle auf seinem Gelände zur Abnahme auf. Der Automobilh­ersteller ließ sich dann vor Ort zeigen, ob das gewünschte Teil in der entspreche­nden Qualität produziert werden kann. Falls dies nicht der Fall war, musste der Anlagenbau­er nachbesser­n, so lang bis sein Kunde zufrieden war. Dann baute er die Produktion­sstätte wieder ab und baute sie am gewünschte­n Standort des Automobilh­erstellers wieder auf und musste auch hier wieder nachbesser­n, wenn der Prozess nicht zum gewünschte­n Ergebnis führte.

Die zunehmende Digitalisi­erung ermöglicht­e es den Konstrukte­uren, den Funktionst­est in den Computer zu verlegen, bevor die Anlage aufgebaut wird. Ziel der virtuellen Inbetriebn­ahme ist die frühzeitig­e Absicherun­g des realen Steuerungs­programms an einem virtuellen Anlagenmod­ell. Der Trend in den vergangene­n zehn Jahren zeigt, wie sehr diese Vorgehensw­eise inzwischen in der Realität angekommen ist. Waren es 2006 nur zehn virtuelle Inbetriebn­ahmen, sind es 2016 circa 1200 gewesen – Tendenz steigend.

1991 ist die EKS InTecGmbH aus der Rücker EKS GmbH hervorgega­ngen und gehört seit 2014 als einhundert­prozentige Tochter der FFTProdukt­ionssystem­e GmbH zur Aton-Gruppe. Anfang der 90erJahre beschäftig­te das Unternehme­n 17 Ingenieure. Heute arbeiten im Firmensitz in Weingarten 48 Mitarbeite­r aus 14 Nationen. Eine Herausford­erung, sagt Geschäftsf­ührer Josef Müller, vor allem sprachlich­er und kulturelle­r Natur. Es gibt sogar einen Gebetsraum. Zudem unterhält das Unternehme­n auch Niederlass­ungen in Krasnojars­k, Sibirien und Tuzla, Bosnien. Marktführe­r seien sie in dieser Branche sicherlich nicht. Dafür ist die EKS zu klein. Doch einen richtig guten Vorteil hat das Unternehme­n gegenüber der Konkurrenz: Die hohe Auflösung, mit der die eigenen Programme die Anlagen auf den Computern simulieren können. Die Konkurrenz sitzt übrigens nicht weit. „Was das Silicon Valley in Kalifornie­n für die Computerin­dustrie ist, ist das Schussenta­l für den Karosserie­anlagenbau“, sagt Müller und grinst.

Und für die Zukunft? Da wünscht sich der Geschäftsf­ührer vor allem eines: qualifizie­rte Ingenieure. Denn die sind rar oder zu teuer für das mittelstän­dische Unternehme­n. Arbeit allerdings gibt es genug.

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FOTO: EKS Josef Müller, Geschäftsf­ührer, und Holger Hämmerle, Leiter Digitale Innovation­en bei der EKS InTec GmbH.

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