Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Virtuelle Realitäten
EKS InTec GmbH baut Produktionsanlagen für die Mobilitätsindustrie
WEINGARTEN - Vor einem Bildschirm sitzen drei Informatiker und schauen sich an, wie in einem Gewirr aus Robotern und Förderbändern ein Karosserieteil eines Autos entsteht. Noch läuft der Produktionsprozess nicht rund. Irgendwo klemmt es. Mit der Maus zoomen sie sich in die 3-D-Darstellung. Vergrößern, holen Details näher heran, betrachten einzelne Komponenten, suchen den Fehler.
Was aussieht wie ein Computerspiel, das eine zweite Realität kreiert, in der Figuren ein scheinbares Eigenleben führen, in der sich Menschen verlieren und unter Wirklichkeitsverlust leiden, ist kein Spiel. Es ist die Realität. Genauer, die wirkliche Realität. Denn, was sich hier auf dem Bildschirm abspielt, wird auch so in der späteren Produktionshalle ablaufen. „Virtuelle Inbetriebnahme“heißt das im Fachjargon.
Die EKS InTec GmbH in Weingarten ist auf die Planung, Entwicklung, Simulation und Inbetriebnahme von einfachen bis komplexen Produktionsanlagen und Sondermaschinen für die Mobilitätsindustrie spezialisiert. Zu ihren Kunden gehören vor allem die Automobilbranche und die Flugzeugindustrie. Um die Dimensionen anschaulich zu machen: Eine kleine Anlage hat eine Abmessung von 15 auf 20 Meter. Große 30 auf 40 Meter. Dort arbeiten dann etwa 58 Roboter. Investitionsvolumen: 40 bis 50 Millionen Euro.
Rasante Entwicklung
Wie rasant sich der Anlagenbau in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, verdeutlicht der Blick auf die Technik. Im 20. Jahrhundert bestellten – vereinfacht gesagt – die Automobilhersteller bei ihren Anlagenbauern eine Halle zur Produktion von Kotflügeln. Der Anlagenbauer stellte die komplette Fertigungshalle auf seinem Gelände zur Abnahme auf. Der Automobilhersteller ließ sich dann vor Ort zeigen, ob das gewünschte Teil in der entsprechenden Qualität produziert werden kann. Falls dies nicht der Fall war, musste der Anlagenbauer nachbessern, so lang bis sein Kunde zufrieden war. Dann baute er die Produktionsstätte wieder ab und baute sie am gewünschten Standort des Automobilherstellers wieder auf und musste auch hier wieder nachbessern, wenn der Prozess nicht zum gewünschten Ergebnis führte.
Die zunehmende Digitalisierung ermöglichte es den Konstrukteuren, den Funktionstest in den Computer zu verlegen, bevor die Anlage aufgebaut wird. Ziel der virtuellen Inbetriebnahme ist die frühzeitige Absicherung des realen Steuerungsprogramms an einem virtuellen Anlagenmodell. Der Trend in den vergangenen zehn Jahren zeigt, wie sehr diese Vorgehensweise inzwischen in der Realität angekommen ist. Waren es 2006 nur zehn virtuelle Inbetriebnahmen, sind es 2016 circa 1200 gewesen – Tendenz steigend.
1991 ist die EKS InTecGmbH aus der Rücker EKS GmbH hervorgegangen und gehört seit 2014 als einhundertprozentige Tochter der FFTProduktionssysteme GmbH zur Aton-Gruppe. Anfang der 90erJahre beschäftigte das Unternehmen 17 Ingenieure. Heute arbeiten im Firmensitz in Weingarten 48 Mitarbeiter aus 14 Nationen. Eine Herausforderung, sagt Geschäftsführer Josef Müller, vor allem sprachlicher und kultureller Natur. Es gibt sogar einen Gebetsraum. Zudem unterhält das Unternehmen auch Niederlassungen in Krasnojarsk, Sibirien und Tuzla, Bosnien. Marktführer seien sie in dieser Branche sicherlich nicht. Dafür ist die EKS zu klein. Doch einen richtig guten Vorteil hat das Unternehmen gegenüber der Konkurrenz: Die hohe Auflösung, mit der die eigenen Programme die Anlagen auf den Computern simulieren können. Die Konkurrenz sitzt übrigens nicht weit. „Was das Silicon Valley in Kalifornien für die Computerindustrie ist, ist das Schussental für den Karosserieanlagenbau“, sagt Müller und grinst.
Und für die Zukunft? Da wünscht sich der Geschäftsführer vor allem eines: qualifizierte Ingenieure. Denn die sind rar oder zu teuer für das mittelständische Unternehmen. Arbeit allerdings gibt es genug.