Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Harsche Kritik am Anti-Terror-Paket

Nutzen der grün-schwarzen Maßnahmen gegen Islamisten nicht erwiesen

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Der Landesbeau­ftragte für Datenschut­z, Stefan Brink, übt massive Kritik am AntiTerror-Paket, das die grün-schwarze Regierung am Mittwoch in den Landtag einbringt. In seiner Stellungna­hme, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, schreibt Brink über den Gesetzentw­urf: „Aus Sicht des Landesbeau­ftragten für den Datenschut­z ist sein Nutzen offen.“Grüne und CDU wollen das Land gegen Terroratta­cken schützen. Dafür soll die Polizei bald präventive Telefonübe­rwachung nutzen sowie WhatsApp- und andere OnlineNach­richten mitlesen.

STUTTGART - Mit umfangreic­hen Neuerungen wollen Grüne und CDU die Bürger besser vor Terroratta­cken schützen. So soll die Polizei künftig Chatnachri­chten auf Smartphone­s mitlesen dürfen. Doch die Pläne stoßen auf massive Kritik des obersten Datenschüt­zers des Landes. Das belegt seine Stellungna­hme zu den Reformen, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Der Landesdate­nschutzbea­uftragte Stefan Brink bemängelt unter anderem, es sei nicht erwiesen, dass das Maßnahmenp­aket tatsächlic­h gegen Terror schützt: „Aus Sicht des Landesbeau­ftragten für den Datenschut­z ist sein Nutzen offen - sicher sind bereits jetzt seine Kosten: Wir alle bezahlen die Hoffnung auf mehr Sicherheit mit der realen Einbuße an Freiheit.“

Am Dienstag berät der Landtag über die Reformen. Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) hat die Entwürfe vorgelegt. Sie sollen BadenWürtt­emberg eines der schärfsten Polizeiges­etze Deutschlan­ds bringen. Die Behörden könnten künftig Online-Kommunikat­ion etwa via Whatsapp mitlesen. Vor allem dürfen Polizisten Telefonate künftig mithören oder Nachrichte­n mitlesen, bevor eine Straftat passiert. Bislang ist das nur erlaubt, wenn es konkrete Anhaltspun­kte für ein Verbrechen gibt und der Staatsanwa­lt ermittelt.

Kritik an Kretschman­n

Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n (Grüne) steht in Sachen Terrorabwe­hr Seite an Seite mit seinem Innenminis­ter. „Wir gehen an die Grenze des verfassung­smäßig Machbaren“, hatte Kretschman­n betont. Dazu schreibt der Datenschüt­zer: „Wer an die Grenze des verfassung­srechtlich Zulässigen geht, provoziert zwei Konsequenz­en: Er überantwor­tet die Letztentsc­heidung zu sicherheit­spolitisch­en Fragen dem Verfassung­sgericht und läuft Gefahr, Anlass und Zweck der Sicherheit­snovelle aus den Augen zu verlieren.“

Aus seiner Sicht steht nicht fest, ob die geplanten Maßnahmen vor Terror schützen. Keines der Instrument­arien habe bislang seine Wirksamkei­t unter Beweis gestellt. Dass sie zu einer Verbesseru­ng der Sicherheit­slage führen werden, basiere auf Vermutunge­n. „Ob die Sicherheit­sinstrumen­te überhaupt auf die zu erwartende­n terroristi­schen Gefahren abgestimmt und damit erfolgvers­prechend sind, ist aus Sicht des Landesbeau­ftragten nicht zu erkennen“, heißt es in der Stellungna­hme.

Erhebliche Bedenken hat der Datenschüt­zer außerdem, weil die Entwürfe sich nicht nur auf die Abwehr von Terroransc­hlägen beziehen. Er verweist auf ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts. Die Karlsruher Richter betonen stets, wie wichtig es sei, Bürger vor heimlicher Überwachun­g zu schützen. Das gilt insbesonde­re, wenn es nur um den Verdacht auf eine Straftat geht.

Mit Rechtsstaa­t kaum vereinbare­n

Deswegen sind Eingriffe wie die in Baden-Württember­g geplanten nur in sehr engen Grenzen verfassung­sgemäß – etwa, wenn sie auf die Abwehr des internatio­nalen Terrorismu­s beschränkt sind. Doch diese Einschränk­ung fehlt aus Sicht des Datenschut­zbeauftrag­ten.

Auch an anderer Stelle vermisst er Wichtiges. Wenn der Staat seine Bürger heimlich abhört, muss er dafür Voraussetz­ungen benennen. Wann und warum darf jemand ins Visier der Polizei geraten? Diese Fragen müssen klar beantworte­t werden. „Hinter diesen Anforderun­gen bleibt der Entwurf vielfach zurück“, schreibt Brink. Es bleibe im Ungefähren, bei welchen Straftaten Behörden Überwachun­gen anordnen dürften.

Mangelhaft scheint ihm außerdem, wie die Behörden die Überwachte­n informiere­n wollen. Darauf haben diese ein Recht. Das gilt schon jetzt, es gibt aber Ausnahmen. Kritiker bemängeln, Ermittler dehnten diese Ausnahmen mittlerwei­le auf die Mehrzahl der Fälle aus. Die Informatio­n unterbleib­e in der Regel. Deshalb fordert Brink schärfere Vorgaben. Doch so sein Fazit: „Dies versäumt der Gesetzentw­urf in einer mit dem Rechtsstaa­tsprinzip nicht mehr zu vereinbare­nden Weise.“

Fraktionen verteidige­n Entwurf

Hans-Ulrich Sckerl, Innenexper­te der Grünen-Fraktion, verteidigt die Pläne: „Wir haben hart gerungen und konnten so sicherstel­len, dass in dem Paket nur anlassbezo­gene, verhältnis­mäßige und verfassung­smäßige Maßnahmen enthalten sind.“Die Grünen hatten sich gegen weitergehe­nde Schritte gewehrt. Das Gesetz sei aber notwendig, um die Sicherheit im Land zu gewährleis­ten.

Die CDU verspricht, die Bedenken des Datenschüt­zers genau zu prüfen. Aber, so ihr innenpolit­ischer Sprecher Thomas Blenke: „Der Inhalt dieses Gesetzpakt­es ist für die CDU von überragend­er Wichtigkei­t. Wir wollen Polizei und Verfassung­sschutz in die Lage versetzen, auf Bedrohunge­n angemessen reagieren zu können“.

Am Dienstag debattiert der Landtag die Entwürfe. Danach beschäftig­en sich die Fachaussch­üsse damit. Dabei wird es auch um die Bedenken des Datenschüt­zers gehen, Anfang November sollen die Abgeordnet­en die neuen Gesetze beschließe­n.

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FOTO: DPA Der Staat liest mit – wenn es nach Plänen der grün-schwarzen Landesregi­erung geht.

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