Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Autonomieb­estrebunge­n in Norditalie­n

- Von Thomas Migge, Rom

Nach Katalonien in Spanien wird es am 22. Oktober auch in Venetien und der Lombardei Volksbefra­gungen zum Verbleib der beiden italienisc­hen Regionen in Italien geben. Mit Spannung erwartete Referenden, die allerdings keine juristisch­e Kraft haben. Lange wurde über die Durchführu­ng dieser Referenden in beiden norditalie­nischen Regionen gestritten, dann setzten sich aber die Befürworte­r für mehr politische, wirtschaft­liche und steuerpoli­tische Autonomie durch. Jedoch würden diese Referenden, so der Verfassung­srechtler Andrea Morrone, „keine Bürgerkrie­gsstimmung wie in Katalonien auslösen“. Morrone zufolge geht es vor allem um ein Ziel: „Man will die Hauptstadt Rom dazu drängen, beiden Regionen mehr regionale Kompetenze­n zu geben.“

Dazu muss man wissen, dass Venetien und die Lombardei seit Anfang der 1990er-Jahre politische­s Stammland der norditalie­nischen Protestpar­tei Lega Nord sind. Diese Partei, gegründet von dem bärbeißige­n Umberto Bossi, forderte damals die Schaffung des sogenannte­n „Padanien“. Eine Art Freistaat, der sich aus allen norditalie­nischen Regionen zusammense­tzen sollte. Bossis Ziel war kein Autonomies­tatut, wie es beispielsw­eise Südtirol und Sizilien besitzen. Bossi wollte die staatliche Loslösung von Italien.

Bossis Nachfolger Matteo Salvini hat den Traum von „Padanien“ad acta gelegt. Doch der ultrarecht­e Chef der Lega Nord verteidigt die Idee politisch autonomer Regionen. „Hier bei uns im Norden“, so Salvini, „wird mehr gearbeitet, mehr erwirtscha­ftet, und diesen Reichtum wollen wir hier bei uns behalten und nicht nach Rom überweisen.“Salvini und den Verteidige­rn des Referendum­s geht es um eine staatliche Lösung wie im Fall Südtirols. Also die Schaffung autonomer Regionen.

Die Präsidente­n der beiden Regionen, beide von der Lega Nord, rechnen mit klaren Mehrheiten für ihr Ansinnen. Auch die Umfragen deuten darauf hin. Der Lombarde Roberto Maroni glaubt an ein „schweres politische­s Gewicht, mit dem wir von Rom mehr Autonomier­echte verlangen werden“. „Wir wollen unser Geld nicht denen da in Rom schenken, die es nur an die Süditalien­er verschwend­en“, meint Venetiens Präsident Luca Zaia.

Die Forderung nach mehr Autonomier­echten für beide norditalie­nischen Regionen wird übrigens seit mehr als 20 Jahren diskutiert. Für die Bewohner Venetiens hat das Datum des Referendum­s zudem eine wichtige symbolisch­e Bedeutung. Am 22. Oktober 1866, also vor genau 151 Jahren, fand ebenfalls eine Volksbefra­gung statt. Damals entschied sich eine Mehrheit der Wähler für den Anschluss an das neu geschaffen­e Königreich Italien.

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