Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Autonomiebestrebungen in Norditalien
Nach Katalonien in Spanien wird es am 22. Oktober auch in Venetien und der Lombardei Volksbefragungen zum Verbleib der beiden italienischen Regionen in Italien geben. Mit Spannung erwartete Referenden, die allerdings keine juristische Kraft haben. Lange wurde über die Durchführung dieser Referenden in beiden norditalienischen Regionen gestritten, dann setzten sich aber die Befürworter für mehr politische, wirtschaftliche und steuerpolitische Autonomie durch. Jedoch würden diese Referenden, so der Verfassungsrechtler Andrea Morrone, „keine Bürgerkriegsstimmung wie in Katalonien auslösen“. Morrone zufolge geht es vor allem um ein Ziel: „Man will die Hauptstadt Rom dazu drängen, beiden Regionen mehr regionale Kompetenzen zu geben.“
Dazu muss man wissen, dass Venetien und die Lombardei seit Anfang der 1990er-Jahre politisches Stammland der norditalienischen Protestpartei Lega Nord sind. Diese Partei, gegründet von dem bärbeißigen Umberto Bossi, forderte damals die Schaffung des sogenannten „Padanien“. Eine Art Freistaat, der sich aus allen norditalienischen Regionen zusammensetzen sollte. Bossis Ziel war kein Autonomiestatut, wie es beispielsweise Südtirol und Sizilien besitzen. Bossi wollte die staatliche Loslösung von Italien.
Bossis Nachfolger Matteo Salvini hat den Traum von „Padanien“ad acta gelegt. Doch der ultrarechte Chef der Lega Nord verteidigt die Idee politisch autonomer Regionen. „Hier bei uns im Norden“, so Salvini, „wird mehr gearbeitet, mehr erwirtschaftet, und diesen Reichtum wollen wir hier bei uns behalten und nicht nach Rom überweisen.“Salvini und den Verteidigern des Referendums geht es um eine staatliche Lösung wie im Fall Südtirols. Also die Schaffung autonomer Regionen.
Die Präsidenten der beiden Regionen, beide von der Lega Nord, rechnen mit klaren Mehrheiten für ihr Ansinnen. Auch die Umfragen deuten darauf hin. Der Lombarde Roberto Maroni glaubt an ein „schweres politisches Gewicht, mit dem wir von Rom mehr Autonomierechte verlangen werden“. „Wir wollen unser Geld nicht denen da in Rom schenken, die es nur an die Süditaliener verschwenden“, meint Venetiens Präsident Luca Zaia.
Die Forderung nach mehr Autonomierechten für beide norditalienischen Regionen wird übrigens seit mehr als 20 Jahren diskutiert. Für die Bewohner Venetiens hat das Datum des Referendums zudem eine wichtige symbolische Bedeutung. Am 22. Oktober 1866, also vor genau 151 Jahren, fand ebenfalls eine Volksbefragung statt. Damals entschied sich eine Mehrheit der Wähler für den Anschluss an das neu geschaffene Königreich Italien.