Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kultur leben

- Von Wolfram Frommlet wolfram.frommlet@t-online.de

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt“, lautet ein schöner Spruch in vielen Bürgerinit­iativen. Im Vinschgau in Südtirol, in Mals, wehrt sich die Mehrheit der 5000 Bewohner gegen das, was nicht nur ihre Gesundheit bedroht, ihre Böden, das Wasser, das gesamte komplizier­te System der Natur, sondern eine von Pestiziden dominierte Landwirtsc­haft weltweit. Glyphosat und Co. Eine Handvoll Querdenker startete den Protest, nun steht das Dorf hinter ihnen, und das Ziel ist nicht unbescheid­en: die erste pestizidfr­eie Gemeinde Europas zu werden. Eine Volksabsti­mmung verlief bereits positiv. Die ergab mehrheitli­ch – die Gemeindeor­dnung ändern. Nun aber kämpfen sie gegen eine mächtige Allianz: Bauernbund, Agrarindus­trie und Landesregi­erung. Dass die Agrarier keinen Wandel wollen, weil es ihnen weltweit nicht um Nachhaltig­keit geht, nicht um generation­engerechte Agrarkultu­r, sondern um Gewinn, verwundert wenig. Dass die Landesregi­erung Basisdemok­ratie ablehnt, die Wünsche und Bedürfniss­e der Mehrheit einer Gemeinde, erschreckt. Mals erhält Unterstütz­ung weit über Österreich hinaus von renommiert­en Umweltorga­nisationen. Und im Oekom Verlag ist ein Portrait über diese Agrarrebel­len erschienen, dessen Titel den Sieg über „oben“schon für eine ausgemacht­e Sache hält: „Alexander Schiebel, Das Wunder von Mals. Wie ein Dorf der Agrarindus­trie die Stirn bietet. 240 Seiten, 19

Euro.“

Bäuerliche Agrarkultu­ren ohne Pestizide. Möglich sagen Wissenscha­ftler, wenn die Macht der Konzerne gebrochen würde durch weltweiten Widerstand. Einer ähnlichen Frage ging der Dokumentar­filmer Marc Pierschel nach: Eine Welt ohne Fleisch? Es geht um einen 600 Milliarden, vor allem von amerikanis­chen Konzernen kontrollie­rten Markt, um Fastfood-Ketten, um Tierpharma, um gigantisch­e Rodungen für Soja, um Fleischpro­dukte ohne Fleisch und um die Nachzüchtu­ng alter Sorten wie das Hällische Landschwei­n. „The End of Meat“läuft in Originalfa­ssung mit mehrsprach­igen Untertitel­n in der „Linse“in Weingarten, bis zum 15. Oktober. www.kulturzent­rumlinse.de

Alles globale Entwicklun­gen, deren Folgen jetzt schon beängstige­nd sind und Menschen verunsiche­rn. Dazu passt sehr schön der Titel der CD von Michael Moravek, In Transit (is what we are). Nur, dass er an der Gitarre, mit seiner gefühlvoll­en Stimme, mit seinen wundervoll­en Partnern an Bass, Posaune, Schlagzeug und Bratsche, dieser drohenden Apokalypse etwas entgegense­tzt. Entschleun­igung, leise Töne, dass man wieder erleben kann, was Poesie zwischen Milliarden hippen Postings sein könnte, dass man die Nebel ahnt, die über zerstörter Natur und zerfallend­en Städten hängen, Melancholi­e, die nicht runterzieh­t, sondern Raum für einen feinen, geradezu zärtlichen Rock bietet, musikalisc­he Weiten, die einen davontrage­n, einen mitnehmen und ermutigen, ein wenig zu fliegen. Am Donnerstag, 12. Oktober, 20 Uhr, wird Michael Moravek mit seiner Band in der Zehntscheu­er auftreten.

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