Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kultur leben
Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt“, lautet ein schöner Spruch in vielen Bürgerinitiativen. Im Vinschgau in Südtirol, in Mals, wehrt sich die Mehrheit der 5000 Bewohner gegen das, was nicht nur ihre Gesundheit bedroht, ihre Böden, das Wasser, das gesamte komplizierte System der Natur, sondern eine von Pestiziden dominierte Landwirtschaft weltweit. Glyphosat und Co. Eine Handvoll Querdenker startete den Protest, nun steht das Dorf hinter ihnen, und das Ziel ist nicht unbescheiden: die erste pestizidfreie Gemeinde Europas zu werden. Eine Volksabstimmung verlief bereits positiv. Die ergab mehrheitlich – die Gemeindeordnung ändern. Nun aber kämpfen sie gegen eine mächtige Allianz: Bauernbund, Agrarindustrie und Landesregierung. Dass die Agrarier keinen Wandel wollen, weil es ihnen weltweit nicht um Nachhaltigkeit geht, nicht um generationengerechte Agrarkultur, sondern um Gewinn, verwundert wenig. Dass die Landesregierung Basisdemokratie ablehnt, die Wünsche und Bedürfnisse der Mehrheit einer Gemeinde, erschreckt. Mals erhält Unterstützung weit über Österreich hinaus von renommierten Umweltorganisationen. Und im Oekom Verlag ist ein Portrait über diese Agrarrebellen erschienen, dessen Titel den Sieg über „oben“schon für eine ausgemachte Sache hält: „Alexander Schiebel, Das Wunder von Mals. Wie ein Dorf der Agrarindustrie die Stirn bietet. 240 Seiten, 19
Euro.“
Bäuerliche Agrarkulturen ohne Pestizide. Möglich sagen Wissenschaftler, wenn die Macht der Konzerne gebrochen würde durch weltweiten Widerstand. Einer ähnlichen Frage ging der Dokumentarfilmer Marc Pierschel nach: Eine Welt ohne Fleisch? Es geht um einen 600 Milliarden, vor allem von amerikanischen Konzernen kontrollierten Markt, um Fastfood-Ketten, um Tierpharma, um gigantische Rodungen für Soja, um Fleischprodukte ohne Fleisch und um die Nachzüchtung alter Sorten wie das Hällische Landschwein. „The End of Meat“läuft in Originalfassung mit mehrsprachigen Untertiteln in der „Linse“in Weingarten, bis zum 15. Oktober. www.kulturzentrumlinse.de
Alles globale Entwicklungen, deren Folgen jetzt schon beängstigend sind und Menschen verunsichern. Dazu passt sehr schön der Titel der CD von Michael Moravek, In Transit (is what we are). Nur, dass er an der Gitarre, mit seiner gefühlvollen Stimme, mit seinen wundervollen Partnern an Bass, Posaune, Schlagzeug und Bratsche, dieser drohenden Apokalypse etwas entgegensetzt. Entschleunigung, leise Töne, dass man wieder erleben kann, was Poesie zwischen Milliarden hippen Postings sein könnte, dass man die Nebel ahnt, die über zerstörter Natur und zerfallenden Städten hängen, Melancholie, die nicht runterzieht, sondern Raum für einen feinen, geradezu zärtlichen Rock bietet, musikalische Weiten, die einen davontragen, einen mitnehmen und ermutigen, ein wenig zu fliegen. Am Donnerstag, 12. Oktober, 20 Uhr, wird Michael Moravek mit seiner Band in der Zehntscheuer auftreten.