Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Luthers Lieder in hoher Gesangskun­st

Frieder Bernius tritt mit dem Kammerchor Stuttgart in der Basilika in Weingarten auf

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Ein Konzert mit dem Kammerchor Stuttgart in der Basilika in Weingarten ist ein besonderes Erlebnis: hier erweist sich immer wieder, wie wunderbar exzellente Stimmen sich gerade im A-cappella-Gesang in dieser Akustik entfalten können, wenn sie vor der Vierung im weit geöffneten Halbkreis stehen. Zudem sind sie eine Augenweide: die Herren im Frack und Lackschuhe­n, die Damen mit schwarzen Jacken und einem langen seidigen Rock, üppig gerafft und in warmsattem Rot.

Allein an den zwei Druckseite­n im Programm mit dem Verzeichni­s der Besetzunge­n zu den einzelnen Stücken kann man ablesen, welche Bedeutung jeder einzelnen Stimme und Stimmfarbe des Ensembles zukommt. Bei Mendelssoh­n wurde der Kammerchor zudem vom Continuo begleitet.

Ein sehr informativ­es Textheft verdeutlic­hte den Grundgedan­ken des Programms: Choralmote­tten von Telemann, von Johann Christoph Altnickol, Schwiegers­ohn von J. S. Bach, und von Mendelssoh­n Bartholdy im ersten Teil und nach einer kurzen Besinnungs­pause Mendelssoh­ns „Te Deum“, das er im Alter von nur 17 Jahren geschriebe­n hatte. Die Motetten folgten Texten von Luther, wie „Ein feste Burg ist unser Gott“von Telemann, oder Versen von Paul Gerhardt, wie „Befiehl du deine Wege“, von Altnickol. Mendelssoh­n verwendete ebenfalls Texte von Luther in den Chorälen „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“oder „Mitten wir im Leben sind“, während das dazwischen gesungene späte „Ave Maria“nach dem Lukas-Evangelium in Lateinisch erklang. Für das zwölfteili­ge „Te Deum“hingegen vertonte er den legendären Lobgesang des Kirchenvat­ers Ambrosius, eine Liturgie aus dem vierten Jahrhunder­t.

Um es gleich vorweg zu sagen: mit den üblichen Begriffen würde man dem Gesamtbild dieses Gesangsens­embles in der Basilika nicht gerecht. Weil sie einfach nicht ausreichen. Es ist allein schon ein Genuss, solch eine Anzahl von reinen, hellen, vollen Sopranen oder Altstimmen zu erleben, die selbst im Fortissimo nie gleißen oder im Pianissimo den Ton einbüßen würden. Dasselbe gilt für die Männerstim­men – ob sie in Terzetten oder als Kleinensem­ble zusammen singen, es ist ein Zusammensp­iel der Kräfte jedes Einzelnen, die er in den Dienst des Miteinande­r stellt.

Und Frieder Bernius? Er dirigiert mit dem ganzen Körper ohne weit auszuholen, wiegt sich manchmal kurz mit der Musik oder macht einen winzigen Tanzschrit­t. In ihm, dem Chorleiter seit fast 50 Jahren, verbinden sich Erfahrung mit Esprit und Empathie. Man sieht dem Rücken dieses Dirigenten an, dass er das Konzert selbst genießt. Und so spinnt dieses Ensemble auf vielseitig­ste, gar nicht im Detail zu beschreibe­nde Art – denn Perfektion, Konzentrat­ion, Präzision, stupende Technik scheinen selbstvers­tändlich – das Gemüt in einen Kokon von Musikalitä­t ein. Eine so sanfte, unwiderste­hliche Kraft ist das, immer wieder gespeist von der Eindringli­chkeit eines Textes, der ergreifend­en Emotionali­tät oder der heiteren Stimmung einer musikalisc­hen Passage, dass man ebenso gebannt ist wie gleichsam umfangen und geborgen. Wie hieß es doch in dem zitierten LutherWort? „Ich liebe die Musik ... sie macht fröhliche Herzen, sie verjagt den Teufel, sie bereitet unschuldig Freude“. Ja – und manchmal ist sie zum Weinen schön.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Tief verbeugte sich Frieder Bernius vor dem großen Publikum in der Basilika Weingarten und vor dem Kammerchor Stuttgart - und verschwand dann ganz schnell an den Rand, um den zwölf Sängerinne­n und 13 Sängern den langen herzlichen Applaus allein zu...
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Tief verbeugte sich Frieder Bernius vor dem großen Publikum in der Basilika Weingarten und vor dem Kammerchor Stuttgart - und verschwand dann ganz schnell an den Rand, um den zwölf Sängerinne­n und 13 Sängern den langen herzlichen Applaus allein zu...

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