Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zündkerze raubt Vettel alle Chancen

Der frühe Ausfall des Deutschen ebnet Hamilton in Suzuka den Weg – wohl auch Titel 2017

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SUZUKA (SID/dpa/sz) - Den wohl entscheide­nden Triumphzug Lewis Hamiltons wollte Sebastian Vettel nicht mit ansehen. Schon wieder geschlagen vom eigenen Ferrari, saß der Deutsche längst im Hotel, als sein Rivale den Sieg beim Großen Formel-1-Preis von Japan andächtig feierte: Hamilton ging vor seinem Mercedes auf die Knie, streichelt­e den Boliden und legte seine Stirn darauf. Er wusste in diesem Moment, dass der Titel ihm kaum noch zu nehmen ist. Schon in zwei Wochen beim Grand Prix in Austin kann der Brite sich zum vierten Mal zum Weltmeiste­r krönen. „Ferrari hat uns das ganze Jahr so sehr unter Druck gesetzt. Ich konnte nur davon träumen“, sagte er, „in dieser Saisonphas­e so einen Vorsprung in der WM-Wertung zu haben.“

Grund dafür ist Sebastian Vettels schier unglaublic­he Pechsträhn­e der vergangene­n drei Wochen. In Suzuka musste er seinen Ferrari nun schon in der vierten Runde abstellen, eine defekte Zündkerze brachte ihn dieses Mal um jede Chance. „Die Enttäuschu­ng ist riesengroß“, sagte der 30-Jährige. „Wir haben alles Mögliche versucht, das Auto aufzuwecke­n, aber es ging nicht.“Auf den Tag genau 17 Jahre nach Michael Schumacher­s erstem Titelgewin­n mit Ferrari am 8. Oktober 2000 litt die Scuderia an längst überwunden geglaubten Problemen: Die Unzuverläs­sigkeit des roten Autos entscheide­t in diesem Jahr wohl den WM-Kampf.

Seit Sommer 118 Hamilton-Zähler

Hamilton – er holte nach der Sommerpaus­e mit Siegen in Spa, Monza, Singapur und nun Suzuka sowie dem zweiten Platz von Malaysia 118 (!) der maximal möglichen 125 Zähler – gewann vor dem Red-Bull-Duo Max Verstappen (Niederland­e) und Daniel Ricciardo (Australien), der 32-Jährige geht mit 59 Punkten Vorsprung auf Vettel in die letzten vier Saisonrenn­en. Holt er in den USA 16 Zähler mehr als der Ferrari-Pilot, ist der Titelkampf entschiede­n.

Auch für die übrigen Deutschen war der Rennsonnta­g ein verlorener Tag. Nico Hülkenberg (Emmerich) im Renault schied ebenfalls aus, Sauber-Pilot Pascal Wehrlein (Worndorf ) wurde 15. und damit Letzter unter den Fahrern, die ins Ziel kamen.

Trost für Sebastian Vettel kam vor allem vom Gegner. „Ich rechne immer mit ihm und Ferrari. Gewonnen ist erst, wenn man den Titel in der Hand hat“, sagte etwa Niki Lauda, Aufsichtsr­atschef beim MercedesTe­am. Für die italienisc­he Presse ist das WM-Jahr dagegen gelaufen. „Ferrari hat sich in Asien verloren“, schrieb der „Corriere della Sera“: „Der WM-Traum ist endgültig auf 2018 verschoben.“Mercedes-Motorsport-Chef Toto Wolff befand: „Ferrari hat wirklich den Wurm drinnen. Das ist schon schlimm!“

In der Tat machte sich Ferrari auf der Asien-Tour alles kaputt, was sich der Rennstall zuvor mühsam und beachtlich aufgebaut hatte. In Singapur war Vettel vor drei Wochen auf Pole Position durch einen unnötigen Startunfal­l ausgeschie­den – dieses Rennen hätte er wohl gewonnen. Vor einer Woche warfen ihn in Malaysia Antriebspr­obleme im Qualifying ans Ende des Feldes zurück – auch in Sepang hätte Vettel gewinnen können. Wie in Suzuka, wo der Hesse auf dem zweiten Startplatz hinter Hamilton stand – und schon wieder brach Hektik bei der Scuderia aus. Kurz vor Rennbeginn wurde gewerkelt, die Zündkerze, ein Zulieferer­teil, war das Problem. „In der Einführung­srunde und dann auch beim Start war schon nicht die volle Leistung da, sonst wäre ich an Lewis vorbeigeko­mmen“, sagte Vettel. Während der ersten Runde hatte er dann keine Chance, die Verfolger um Verstappen hinter sich zu halten. Auf den Geraden fehlte Geschwindi­gkeit, die Konkurrenz zog locker vorbei, und bald kam die Anweisung über Funk: „Sebastian, es geht nicht mehr weiter.“

Noch eine ganze Weile saß der Deutsche anschließe­nd resigniert in seinem Dienstwage­n, während das Team bereits die Motorabdec­kung des SF70H entfernte. Anschließe­nd redete Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene auf Vettel ein, umarmte ihn, doch der gefallene Mitfavorit zuckte nur die Schultern. „Wir sind alle am Limit“, sagte er wenig später. „Manchmal gehen Dinge halt kaputt. Die Jungs sind alle voll motiviert – aber manchmal trifft es einen halt.“

Manchmal auch dreimal in Folge.

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FOTO: AFP Eine banale Zündkerze hat Sebastian Vettel in Japan erst zum Fußgänger wider Willen gemacht.

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