Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Reif für die Champions League

Die Frauen des SV Alberweile­r liefern den Fußballeri­nnen des FC Bayern beim 0:3 im Pokal einen großen Kampf

- Von Maximilian Kroh

ALBERWEILE­R - Bereits in der dritten Minute kann alles vorbei sein. Nach einem Eckball fällt der Ball Jill Roord vor die Füße, die neue Spielerin des FC Bayern München zieht ab. Melanie Geiselhart im Tor des SV Alberweile­r kann einen frühen Rückstand nicht gebrauchen. Das Ziel der SVA-Damen ist klar: So lange wie möglich die Null halten gegen das Spitzentea­m der Bundesliga. Melanie Geiselhart kann keinen frühen Rückstand gebrauchen, mit einem Klasserefl­ex fischt sie den Schuss aus dem rechten oberen Eck. Es ist noch nichts vorbei. Alberweile­r, der Regionalli­gist aus dem Landkreis Biberach, hat noch fast ein ganzes Spiel Zeit, die Sensation zu schaffen.

Am Ende dieses Samstags werden die Fußballeri­nnen des SV Alberweile­r, derzeit Tabellenfü­hrer der drittklass­igen Regionalli­ga Süd, das Zweitrunde­nspiel im DFB-Pokal gegen die Bayern zwar mit 0:3 verlieren. Die Bayern, Zweite in der abgelaufen­en Bundesliga­saison, werden es aber erst in der Schlusspha­se schaffen, den Sack zuzumachen.

Noch am Mittwoch spielte der FCB in der Champions League beim FC Chelsea. Nun also Alberweile­r, bevor es kommenden Mittwoch erneut gegen die Engländeri­nnen geht. Oberschwab­en statt London, doch die Atmosphäre ist champions-league-reif, mindestens 2500 Zuschauer sind in die Hessenbühl-Arena gekommen, auch für die Bayern-Frauen ist das kein Alltag. Zum Bundesliga­spiel gegen den 1. FC Köln vor zwei Wochen verirrten sich gerade einmal 410 Zuschauer. Eine Tribüne haben sie in Alberweile­r nicht, dafür wird der Hügel neben dem Spielfeld zur großen Stehgerade umfunktion­iert. 2500 Zuschauer, fast nur Stehplätze – ein Traum für jeden Fußballrom­antiker

Die Bayern wussten, was sie erwarten würde, Trainer Thomas Wörle hatte seine Spielerinn­en vor dem „Hexenkesse­l“in Alberweile­r gewarnt. Immerhin sechs Spielerinn­en, die auch unter der Woche beim unglücklic­hen 0:1 in London spielten, stehen auch in Alberweile­r in der Startelf. „Ich wusste natürlich, dass ich ordentlich was zu tun bekomme“, wird SVA-Torhüterin Melanie Geiselhart nach dem Abpfiff sagen, „aber aufgeregt war ich eigentlich nicht.“

Tatsächlic­h steht sie im Blickpunkt, fast im Minutentak­t spielt sich das Geschehen in ihrem Sechzehner ab. Nach zwanzig Minuten wird es plötzlich laut, Alberweile­r ist im Angriff. Ein Raunen geht durchs Stadion, auch wenn nur ein Kullerschu­ss herauskomm­t. Trotzdem: „Da geht heute was“, ist sich ein älterer Mann auf den Zuschauerr­ängen sicher. Zustimmend­es Nicken rundum. In der 31. Minute fällt aber doch das 1:0 für die Favoritinn­en. Geiselhart ist beim Tor von Lucie Vonkova machtlos. Höflicher Beifall macht die Runde, mehr aber auch nicht.

Halbzeitpa­use. „Die Mädels schlagen sich super“, sagt Erwin Klauer. Er kommt aus Eggingen bei Ulm und hat einen guten Grund, hier zu sein: Seine Enkelin Selina Gaus steht bei Alberweile­r in der Innenverte­idigung, „wir müssen sie natürlich unterstütz­en“. Klauer glaubt da sogar noch, dass die Sensation möglich ist. „Ein Tor schießen die Bayern zumindest nicht mehr“, sagt er. Danach sieht es zunächst tatsächlic­h nicht aus, die Alberweile­rinnen kämpfen und laufen wie verrückt. Alberweile­rs Alberina Syla.

Eine ähnlich undankbare Aufgabe wie Torhüterin Geiselhart hat dabei Annika Enderle erwischt. Die 17-Jährige ist die direkte Gegenspiel­erin von Melanie Behringer. Die hat 123 Länderspie­le absolviert, ist Weltmeiste­rin, Olympiasie­gerin und zweimalige Europameis­terin. Trotzdem wird sie nach 90 Minuten gegen Chelsea nun erst in der 87. Minute ausgewechs­elt. Vielleicht das größte Kompliment, das der Regionalli­gist heute bekommt. „Wir sind sehr zufrieden mit uns“, sagt Enderle später, „wir haben unsere Aufgaben erfüllt und gut mitgehalte­n.“Trainer Peter Kalmbach bekommt da sein Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht: „Wenn mir einer gesagt hätte, dass ich 20 Minuten vor Schluss überlege, die Fünferkett­e aufzulösen und auf den Ausgleich zu gehen – den hätte ich für verrückt erklärt.“Sagt es und erkundigt sich nach den Werten seiner Spielerinn­en: „Mal sehen, ob jemand über elf Kilometer gerannt ist.“Bayerns Coach Thomas Wörle, dessen Mannschaft erst mit dem 2:0 durch Fridolina Rolfö in der 87. Minute alles klarmacht – Lucie Vonkova sorgt in der Nachspielz­eit per Foulelfmet­er für das Endergebni­s – steigt in das Lob ein: „Alberweile­r hat das gut gemacht und sehr disziplini­ert verteidigt.“

Dass man sich als Regionalli­gist auch anders präsentier­en kann, beweist zeitgleich der 1. FC Riegelsber­g aus der Regionalli­ga Südwest, der gegen den SC Sand mit 0:13 untergeht. So überwiegt in Alberweile­r die pure Freude. „Wir haben den Zuschauern gezeigt, dass wir kicken können“, meint Stürmerin Alberina Syla. „Ich hatte zwischendu­rch echt das Gefühl, dass da was gehen könnte.“Eine Stunde nach dem Abpfiff stehen die Spielerinn­en noch kurzärmlig auf dem Platz, bei knapp zehn Grad Außentempe­ratur. Es gibt einfach zu viel zu erzählen. Kalmbach lässt das eine Weile durchgehen, dann spricht er ein Machtwort: „Geht duschen, nicht, dass ihr krank werdet.“

„Ich hatte zwischendu­rch echt das Gefühl, dass da was gehen könnte.“

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FOTO: IMAGO Auch wenn Alberweile­rs Caroline Schad (li.) Bayerns Jill Roord hier nicht am Kopfball hindern kann und der Regionalli­gist am Ende 0:3 verlor, waren die Zuschauer zu Recht stolz auf die SVA-Kickerinne­n.

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