Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bewegung im Fall Schlecker
Anklage schwächt Vorwürfe gegen Ex-Unternehmer ab
STUTTGART (tja) - Der einstige Drogeriemarktkönig Anton Schlecker darf im Prozess um seine Pleite auf etwas Milde hoffen. Am Montag schwächte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Stuttgart ihre Vorwürfe etwas ab. Sie geht nun davon aus, dass Schlecker erst Ende 2010 klar gewesen sei, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Zuvor hatten die Ankläger beweisen wollen, dass Schlecker schon Ende 2009 das Unheil kommen sah und trotzdem Firmenvermögen an seine Familie verschob. Der Zeitpunkt ist entscheidend: Je später er angesetzt wird, desto besser für Schlecker und seine Kinder. Der Patriarch meldete Anfang 2012 die Insolvenz an.
Der Vorsitzende Richter geht offenbar davon aus, dass Schlecker die aussichtslose Lage schon im Januar 2011 hätte erkennen müssen. Die Verteidigung glaubt, dies sei frühstens nach April 2011 der Fall gewesen.
STUTTGART - Der Prozess gegen Anton Schlecker und seine beiden Kinder nähert sich der entscheidenden Phase. Die Staatsanwälte sind am Montag ein Stück von ihren Vorwürfen abgerückt – bleiben aber dabei, dass der einstige Drogeriemarktkönig Schlecker mindestens ein Jahr vor der Pleite 2012 wusste, wie schlecht es um sein Unternehmen stand. Was wusste Schlecker wann? Diese Frage ist wichtig: Sobald die Insolvenz unabwendbar war, hätte Schlecker kein Geld mehr abziehen dürfen.
Das Gericht verlas die Aussagen zweier Manager des Händlerverbundes Markant. Diese hatten sich geweigert, in Deutschland auszusagen. Sie fürchten, damit gegen Schweizer Gesetze zu verstoßen. Deswegen vernahm das Gericht die Männer in der Schweiz. Einer der beiden zeichnete Anton Schlecker als alternden Patriarchen, der den Niedergang seines Lebenswerkes nicht wahrhaben wollte. „Ich bin überzeugt davon, dass Herr Schlecker bis zum Schluss nicht an die Insolvenz glaubte“, sagte der Manager aus. Schleckers damaliger Geschäftsführer habe die Sache verschlimmert und der Familie nur gesagt, was diese hören wollte. „Der war ein Dampfbläser.“
Erst bei einem Treffen kurz vor Weihnachten 2011 im schweizerischen Pfäffikon habe Schlecker seine aussichtslose Lage erkannt. Der Firmengründer reiste damals mit seiner Tochter zu Markant. Er habe um weitere Kredite von mehr als 50 Millionen Euro gebeten. „Astronomisch, viel zu hoch“sei das Ansinnen gewesen angesichts der immer gravierenderen Zahlungsprobleme des Unternehmens, so der Manager. Markant lehnte den Kredit ab.
„Da wurde Schlecker klar, dass es aus ist“, erzählte der Zeuge. Sein Kollege sagte: „Er ist in sich zusammengesunken und war den Tränen nahe. Er konnte nicht begreifen, dass wir den Kredit ablehnen.“
Damit bestätigten beide die Schilderungen anderer Zeugen. Sie hatten im Prozessverlauf berichtet, der Drogeriemarktkönig habe viel zu spät erkannt, dass seine Filialen nicht mehr mit den modernen, freundlichen Läden der Konkurrenz mithalten konnten. Er habe bis zum Schluss an das Überleben der Kette geglaubt.
Ganz alleine war Schlecker damit nicht, das hatten mehrere Zeugen betont. So gingen die Markant-Manager ebenfalls bis Frühjahr 2011 davon aus, dass Schlecker weiter bestehen würde. Ein Sachverständiger hatte dagegen an einem der vorherigen Prozesstage ausgeführt, schon 2009 sei die Insolvenz absehbar gewesen.
Einig sind sich bisher aber alle: Schlecker geriet ab 2009 in eine Krise. Deswegen kürzte Markant dem Unternehmer die Kreditlinie und verlangte 2010 erstmals Sicherheiten für Darlehen.
2010 holte Schlecker Unternehmensberater ins Haus. Ihr Konzept für größere, freundlichere Märkte gab sowohl Schlecker als auch Markant neue Hoffnung. Solche Aussagen beeinflussten offenbar die Ankläger. Sie gehen nicht mehr davon aus, dass Schlecker bereits Ende 2009 mit der Pleite rechnete. Damals sei das zwar bereits anhand der Zahlen absehbar gewesen. Der Patriarch aber habe das nicht erkannt und erst Ende 2010 das Ende kommen sehen.
Der Richter deutete an, welches Datum er für plausibel hält: Ende Januar 2011, als enttäuschende Zahlen für das Geschäftsjahr 2010 vorlagen. Die Verteidigung sieht den entscheidenden Zeitpunkt dagegen erst nach April 2011. Damals gab es noch einmal positive Berichte der Unternehmensberater.
Die Verhandlung wird in der kommenden Woche fortgesetzt.