Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Historiker

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Er hat den Holocaust überlebt und sich Jahrzehnte lang wissenscha­ftlich damit auseinande­rgesetzt. Saul Friedlände­r, der am Mittwoch 85 wird, macht sich wieder Sorgen um Deutschlan­d. Die Wahl in Deutschlan­d sei für ihn „ein Schock“, sagt der israelisch­e Historiker. „Aber noch schlimmer als die Lage in Deutschlan­d selbst ist das Phänomen, eine Art Rückschlag von populistis­chen ultra-rechts stehenden Parteien in Europa“– und den USA. Bei der Bundestags­wahl hatte die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) 12,6 Prozent der Stimmen geholt – den Hauptgrund sieht Friedlände­r in der Flüchtling­skrise. Dabei gehe es – wie in den USA – um tief verwurzelt­en Fremden- und Außenseite­rhass.

Friedlände­r wurde 1932 in Prag als Kind deutschspr­achiger Juden geboren. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht floh er 1939 mit seiner Familie nach Frankreich. Seine Eltern versteckte­n den Jungen – der als Pavel geboren wurde – in einem katholisch­en Internat, bevor sie in das Vernichtun­gslager Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden.

Friedlände­rs Eltern hatten zuvor einer Taufe ihres Sohnes zum Christentu­m zugestimmt. Langsam fand der Junge den Weg zurück zu seiner Identität, mit der Gründung des Staates Israel 1948 wanderte er dorthin aus. Dabei gab er sich den Namen Saul, auf Hebräisch Schaul.

Als Friedlände­rs bekanntest­e Arbeit gilt das zweibändig­e Standardwe­rk „Das Dritte Reich und die Juden“. Darin sammelte er Dokumente, aber auch persönlich­e Schicksale und Briefe. Friedlände­r erhielt den Geschwiste­r-Scholl-Preis, den Pulitzer-Preis und 2007 den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s. „Er hat den Ermordeten die ihnen geraubte Würde zurückgege­ben“, hieß es in der Begründung. (dpa)

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FOTO: DPA Holocaust-Experte: Saul Friedlände­r.

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