Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Härtefall“: Familie zwischen Hoffen und Bangen

Sali Krasniqi ist integriert, muss aber um seine Zukunft fürchten

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Sali Krasniqi versteht die Welt nicht mehr: In seinen Händen hält er einen Bescheid des Regierungs­präsidiums Tübingen. Ab sofort darf der 29-Jährige, der in Weingarten lebt, nicht mehr arbeiten. Warum?

Zum Hintergrun­d: Im November 2014 verlässt Krasniqi seine Heimatstad­t Prizren im Kosovo. Er ist Roma, eine Volksgrupp­e, die auf dem Balkan nicht besonders angesehen ist um es vorsichtig auszudrück­en. Tatsächlic­h leben die Roma mehr am Rande der Gesellscha­ft existieren, oft ohne Schulbildu­ng und ohne Berufsausb­ildung. Krasiniqi passt nicht in dieses Bild. Er arbeitet als Schweißer bei einem ehemaligen Staatsbetr­ieb. Da sein Verdienst kaum ausreicht, um seine Familie zu ernähren, kauft er sich ein Schweißger­ät und arbeitet auch in seiner Freizeit. Eigentlich ist alles in Ordnung.

Doch als ihn Albaner auf offener Straße im Beisein seiner Tochter anpöbeln und niederschl­agen, sieht er keine Zukunft mehr in seiner Heimat. Er hat Angst und fürchtet um sein Leben. Kraniqi verkauft sein Schweißger­ät und verlässt mit seiner Frau und den beiden Kindern Prizren. Über die Balkanrout­e erreicht er mit seiner Familie auf abenteuerl­iche Weise im November 2014 Karlsruhe. Dort stellt er ein Asylgesuch und kommt Mitte Februar nach Weingarten in die Gemeinscha­ftsunterku­nft in der Lazarettst­raße.

Die Familie lebt sich schnell ein. Da der Kosovo mittlerwei­le als sogenannte­r „sicherer“Staat gilt, ist die Wahrschein­lichkeit, dass die Familie Asyl in Deutschlan­d bekommt, ziemlich unwahrsche­inlich. Sie bekommen deshalb keine Sprachkurs­e finanziert. Doch Krasniqi lernt deutsch. In der Gemeinscha­ftsunterku­nft geht er dem Hausmeiste­r zur Hand. Von ihm lernt er die Sprache. Auch seine Lebensgefä­hrtin engagiert sich und eignet sich Sprachkenn­tnisse an. Im Juli 2015 kommt ihr drittes Kind zur Welt. Die kleine Afore ist Weingartne­rin.

Und Krasiniqi will arbeiten. „Ich habe Arme und Beine“, sagt er im Gespräch mit der „Schwäbisch­enZeitung“. Nach einem Praktikum bei der Firma Merkle stellt ihn die Spedition Pfaff Mitte März vergangene­n Jahres in Baienfurt als Lagerhelfe­r ein. Krasniqi fügt sich hervorrage­nd in seine neue Stelle ein, macht sogar auf Anregung des Unternehme­ns den Staplerfüh­rerschein. Er ist unabhängig von Asylleistu­ngen, finanziert das Mobiliar für die neue Wohnung in der Doggenried­straße selbst, stemmt die Miete. Auch seine Lebensgefä­hrtin findet Arbeit. Sie macht eine Ausbildung zur Krankenpfl­egerin. Die Kinder gehen in die Schule am Martinsber­g und in den Kindergart­en Joseph-Gabler.

Ende Juni wird sein Asylantrag abgelehnt. Vor ein paar Wochen bekommt er den Bescheid, dass es nicht mehr arbeiten darf. Warum also? Tatsächlic­h ist die Frage zunächst recht einfach zu beantworte­n. Wer lediglich eine Aufenthalt­sduldung hat – im Unterschie­d zu einer Aufenthalt­serlaubnis – darf nicht arbeiten. Winfried Kiechle, zuständig für die Sozialbetr­euung in der Gemeinscha­ftsunterku­nft Lazarettst­raße, sieht das etwas anders. Seiner Meinung nach ist die Rechtsprec­hung nicht eindeutig, da einige Gerichte nicht restriktiv entschiede­n hätten. Kiechle will einen Härteantra­g stellen, weil er die wesentlich­en Merkmale für ein Bleiberech­t erfüllt sieht: Eigenes Einkommen, eine eindeutige Identität, eine Wohnung und Sprachkenn­tnisse.

Während dieser Artikel entsteht, kommt die Nachricht, dass Sali Krasniqi und seine Lebensgefä­hrtin nun doch wieder arbeiten dürfen - aufgrund eines Urteils des Verwaltung­sgerichtsh­of. Dass heißt jedoch nicht, dass Sali Krasniqi dauerhaft in Weingarten bleiben darf. Darüber muss die Härtefallk­ommission beim Innenminis­terium entscheide­n.

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FOTO: MARKUS REPPNER Darf ab Montag wieder arbeiten: Sali Krasniqi

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