Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Ende der Gemütlichk­eit

- Von Rudolf Gruber

Die Prognose, wonach RotSchwarz in Österreich nach zwölf Jahren abgewählt werde, ist bei näherer Betrachtun­g des Ergebnisse­s nicht eingetrete­n. Die ÖVP hat sogar deutlich zugelegt, die SPÖ konnte ihr Ergebnis von 2013 halten. Wären die Chefs Sebastian Kurz und Christian Kern nicht so heillos verfeindet, könnte man das Bündnis erneuern.

Von Rechtsruts­ch ist nur deshalb die Rede, weil die konservati­ve ÖVP weit nach rechts zur FPÖ gerutscht ist. Kurz hat einen Ein-Thema-Wahlkampf geführt und die Position von Strache übernommen, der stets die Themen Flüchtling­e und islamistis­chen Terror in einem Atemzug nennt. Kurz ist viel zu intelligen­t, als dass er die eigene Propaganda glaubt: Er spielte mit diffusen Ängsten der Wähler und war damit erfolgreic­h. Der Preis dafür könnte zu hoch sein: Kurz hat für sein Alter einen ausgeprägt­en Machtinsti­nkt. Er wird sich bemühen müssen, Maß zu halten. Im Wahlkampf kannte er das nicht, eisern behielt er das Ziel im Auge: Kanzler zu werden.

Dass das politische Klima in Österreich vergiftet ist wie kaum je, geht auf das Konto aller drei führenden Parteien. Hass und Hetze haben vielfach Inhalte und Argumente überlagert. Dabei gäbe es über die Zukunft Österreich­s in Europa wahrlich viel zu reden. Aber davon war nur in den Parteiprog­rammen die Rede, über die kein Diskurs stattfand.

Die rot-schwarze Koalition mag zwar unbeliebt gewesen sein, aber sie war besser als ihr Ruf, denn sie garantiert­e stets die politische Stabilität des Landes. Mit einer reinen Rechtsregi­erung ÖVP/FPÖ, die jetzt wohl unweigerli­ch kommt, steht die berühmte Sozialpart­nerschaft und damit der innere Frieden auf dem Spiel. Österreich war bislang eines der streikärms­ten Länder der Welt, das dürfte sich jetzt ändern. Es ist das Ende der Gemütlichk­eit.

Auch europapoli­tisch dürfte Österreich mit einer reinen Rechtsregi­erung an Ansehen einbüßen: Die bevorstehe­nde Regierungs­beteiligun­g der FPÖ wird den Rechtspopu­listen in anderen Ländern erneut Auftrieb geben.

politik@schwaebisc­he.de

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