Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Oberschwabenschau ist eröffnet
Ministerpräsident Kretschmann macht den Ravensburgern bei der Eröffnung der Oberschwabenschau Hoffnung
Die Messe in Ravensburg findet in diesem Jahr zum 50. Mal statt.
RAVENSBURG - Von der virtuellen in die echte Welt ist es nur ein kleiner Schritt, auch wenn dabei auf der Zeitachse einiges durcheinander gerät: Eben noch war Winfried Kretschmann (Grüne) dank moderner Technologie als erster Mensch mit dem Auto durch den Molldietetunnel gefahren. Kaum eine halbe Stunde später wuchs bei den Ravensburgern der Glaube an einen zeitnahen ersten Spatenstich gewaltig: „Das werden wir bald in trockene Tücher bekommen. Ravensburg hat vieles, jetzt bekommt ihr noch einen Tunnel“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident am Samstag bei der Eröffnung der 50. Oberschwabenschau.
Die Botschaft, die Oberbürgermeister Daniel Rapp mit diesem netten Gag dem Landesvater als Steilvorlage angeboten hatte, hörten die Gäste beim fünften Bürgerempfang sehr gerne. Doch dass der Molldietetunnel, der die Stadt endlich vom massiven Ost-West-Verkehr entlasten soll, nicht die größte aller Herausforderungen in den nächsten Jahren sein wird, das wurde in der neuen Ravensburger Halle – auch sie ein Abbild der „echten“Welt – schnell deutlich.
Ungewohnt politisch geriet der Auftakt zur Jubiläumsauflage der größten Verbrauchermesse im Südwesten, die im Kern die gleiche geblieben ist, Tradition und Innovation aber immer wieder neu miteinander kombiniert. „Wir stehen vor Aufgaben, die die Geschichte uns aufgetragen hat. An diesem Punkt entscheidet sich, wie wir damit umgehen“, hatte Rapp auch mit Blick auf die bevorstehende Regierungsbildung in Deutschland und den Flüchtlingsbewegungen in der Welt die Flughöhe vorgegeben.
Das derzeit rasante Wachstum in der Region zu gestalten, die Dynamik sinnvoll und in einem verdaulichen Tempo zu steuern, das sei ein überaus anspruchsvolles Ziel. 1000 neue Jobs entstehen in Ravensburg pro Jahr, 30 000 Menschen pendeln jeden Tag ein und aus. Der Oberbürgermeister beschwor das Ideal von der europäischen Stadt, in der Wohnort und Arbeitsplatz eng beieinander liegen: „Dazu brauchen wir aber Wohnungen in allen Preisklassen. Und wir brauchen eine gute soziale Mischung in den Quartieren.“Die Neubaugebiete, an denen die Verwaltung arbeitet, sollen ebenso zukunftsweisend sein wie die neuen Verkehrsentwicklungspläne für das Schussental.
„An dieser Region zeigt sich vieles, was für das Land und den Bund gilt“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der unmittelbar nach der Eröffnung der Oberschwabenschau zu Koalitionsverhandlungen nach Berlin startete: „Wir stehen gut da, wir befinden uns aber im Aufbruch und haben wichtige Aufgaben vor uns.“Eine „große politische Herausforderung“sei es, ein Bündnis im Bund zu schmieden: „Das ist eine Koalition, die sich freiwillig niemand ausgesucht hätte. Aber Jamaika ist vielleicht auch eine Chance, und wenn es keine ist, müssen wir eine daraus machen“, sagte Kretschmann. Orientierungsmaßstab für ihn sei die Idee von Europa: Klimawandel, Terrorismus, digitale Revolution und die Flüchtlingsbewegungen könne ein Staat alleine nicht bewältigen. Deutschland brauche „als Hort der Stabilität“in Europa eine stabile Regierung: „Diese darf nicht an Kleinigkeiten der innerpolitischen Auseinandersetzung scheitern.“
Kretschmann warb für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine gute Streitkultur in der Politik: „Wir gehen Probleme an, um sie zu lösen, nicht um ideologische Grabenkriege zu führen.“Das gelte auch für die Schulentwicklung, wo das Land gerade schlechte Noten bekommen hat.
Von der Oberschwabenschau nahm der Ministerpräsident einen Gurkenhobel aus dem Gründungsjahr der Messe 1967 als Geschenk der Stadt mit. Für Kretschmann ein sehr passendes Mitbringsel: „Alle virtuellen Welten nutzen nichts, wir müssen alle essen. Wir sollten den bäuerlichen Betrieben mit sehr viel Respekt begegnen. Landwirtschaft ist wichtig für unsere Ernährung und die Landschaft. Ich möchte dafür werben, für gute Lebensmittel aus der Region auch etwas mehr Geld auf den Tisch zu legen.“
Die Oberschwabenschau in Ravensburg ist bis 22. Oktober täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Informationen: www.oberschwabenschau.de